Berlin. In dem Bestreben, für bezahlbaren Wohnraum zu sorgen und Geld für sozialen Wohnungsbau einzusammeln, prüft der Senat nun eine Abgabe auf überhöhte Mieten. Das hat das Haus von Finanzsenator Daniel Wesener (Grüne) jetzt den SPD-Abgeordneten Lars Rauchfuß und Mathias Schulz auf eine parlamentarische Anfrage geantwortet. „Die Koalition wird Vorschläge für eine progressive Steuer auf überdurchschnittlich hohe Mieteinnahmen prüfen“, heißt es dort ziemlich weit hinten im Kapitel „Haushalt und Finanzen“.
Rot-Grün-Rot strebt damit nach dem Aus für den vom Bundesverfassungsgericht kassierten Mietendeckel erneut danach, einem Umstand zu begegnen, den es eigentlich gar nicht geben dürfte: Dass nämlich Vermieter in der Stadt für ihre Wohnungen Preise aufrufen, die weit über dem im Mietspiegel als ortsübliche Vergleichsmiete festgesetzten Niveau liegen. Der Versuch, solche Überschreitungen durch behördlich zu kontrollierende feste Mietobergrenzen zu verhindern, war wegen der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Landes gescheitert.
Wirtschaftsforscher: „Enteignung“ der Immobilienbesitzer über Steuer
Bald nach der Niederlage des Landes in Karlsruhe und angesichts der umstrittenen Forderung des Volksentscheides, große private Wohnungsunternehmen zu enteignen, hatten Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) andere Optionen unter die Lupe genommen.
„Eine interessante Alternative wäre eine Mietensteuer, die alle ImmobilienbesitzerInnen moderat über die Steuer „enteignet“ – bevorzugt solche, die hohe Mieten nehmen und damit von den erheblichen Preissteigerungen auf dem Berliner Wohnungsmarkt profitiert haben“, schrieben die Autoren Stefan Bach, Claus Michelsen, Marco Schmandt im November in einem DIW-Papier:
„Eine progressive Mietensteuer mit Grenzbelastungen von zehn bis 30 Prozent auf Nettokaltmieten oberhalb von 110 Prozent der ortsüblichen Vergleichsmiete könnte ein Aufkommen von 201 Millionen Euro im Jahr für Berlin erzielen“, rechneten sie vor.
Geld umgeleitet für sozialen Wohnungsbau: Vorbild Hufeisensiedlung
Damit könnten beispielsweise die Mieten von 100.000 Wohnungen um 2,50 Euro je Quadratmeter und Monat gesenkt oder jährlich 7500 neue Wohnungen finanziert werden, unterbreiteten die Wissenschaftler auch gleich Vorschläge für die Verwendung des Geldes.
Als Vorbild nannten sie die 1924 in Preußen eingeführte Hauszinssteuer, mit dem der Staat damals immense Inflationsgewinne vieler Immobilienbesitzer abschöpfte und in den sozialen Wohnungsbau umlenkte. Mit dem Geld entstanden unter anderem in Berlin die Hufeisensiedlung in Britz, die Weiße Stadt in Reinickendorf oder die Waldsiedlung Zehlendorf.
Nachdem die Idee für eine Mietensteuer eher knapp diskutiert in die Koalitionsvertrag gelangt war, lieferten die Wirtschaftsforscher nun die bis dahin vermisste Grundlage für ein Konzept. „Nach dem Ende des Mietendeckels ist es wichtig, andere – rechtskonforme – Möglichkeiten der Regulierung von Mieten zu finden“, sagte Sozialdemokrat Rauchfuß.
Transparenz durch Mietenkataster
Der Vorschlag des DIW sei dadurch besonders geeignet, weil die Abgabe zielgenau diejenigen heranzieht, die deutlich erhöhte Mieten verlangen. Zudem würden keine Anreize gegen Neubau gesetzt. Wenn es um eine Abgabe anstatt einer Steuer gehe, müsse Berlin auch nicht auf den Bund warten, so Rauchfuß. Denn dort blockiere die „FDP alles, was Mieterinnen und Mietern hilft“.
Wie die Abgabe aber erhoben werden könnte, ist keineswegs trivial. Denn bislang gibt es keine Stelle, an der die Informationen über die Erlöse aus der Vermietung zusammenlaufen mit den Informationen über das vermietete Objekt. Rauchfuß setzt seine Hoffnung deshalb in das von Rot-Grün-Rot angestrebte Mietenkataster, das die Miethöhe jeder Wohnung transparent machen soll.
Mieterverein sieht in Steuer keine wirksame Mietenregulierung
Rainer Wild vom Berliner Mieterverein, der die Initiative für eine Mieten-Abgabe begrüßte, könnte sich angesichts der unklaren Zeitperspektive für ein solches Kataster auch einen zusätzlichen Fragebogen der Finanzämter vorstellen, die Größe, Lage und Ausstattung der vermieteten Wohnung erfasst.
Anders als das DIW sei der Mieterverein aber der Auffassung, dass eine Sonderabgabe keinesfalls ein Ersatz für wirksame Mietenregulierungen darstellen könne. „Eine Sonderabgabe hilft nicht den einzelnen Mietern, sondern kommt, wenn sie zweckgebunden ist, der Mieterschaft allgemein zu Gute“, sagte Wild.
Kritik von der Opposition an Mietensteuer
Die Opposition lehnt die Pläne des Senats ab. „Statt das Mietenproblem endlich zu lösen, wirft die SPD den Berlinern neuen Sand in die Augen“, monierte die Berliner CDU. Für die Mieterinnen und Mieter sei dies ein teurer Etikettenschwindel. „Steuern und Abgaben müssen am Ende sie bezahlen. Das wäre unzumutbar, schafft nicht eine zusätzliche Wohnung und somit keinerlei Entspannung auf dem Wohnungsmarkt“, teilte die CDU mit.
Die FDP warnte, mit einer Mietensteuer werde der Senat „weiteres Unheil“ auf dem Wohnungsmarkt anrichten. Statt für mehr Wohnraum zu sorgen, habe Berlin mit immer mehr Milieuschutzgebieten, dem verfassungswidrigen Mietendeckel und zuletzt dem Umwandlungsverbot dafür gesorgt, dass Teilung und Verkauf an Eigennutzer für viele Hauseigentümer der letzte Ausweg gewesen sei, sagte der Mietenexperte Björn Jotzo.
Fraglich, ob Mieten durch Mietensteuer steigt
Dadurch stünden immer weniger Mietwohnungen zur Verfügung. „Mit der „Mietensteuer“ wiederholt der Berliner Senat seine Fehler - sie würde wiederum dazu führen, dass das Angebot an Mietwohnungen noch weiter abnimmt“, so der Liberale. Die Koalition müsse dafür sorgen, dass der benötigte Wohnraum gebaut wird und neben Eigentumswohnungen auch wieder Miethäuser mit fairen Mieten entstehen.
Die AfD sprach von einem „durchsichtigen und rücksichtslosen Versuch, die in der Frage der Enteignung heillos zerstrittene rotgrünrote Koalition zu befrieden“. Es sei „unehrlich, einerseits über zu hohe Mieten zu klagen und gleichzeitig durch eine solche Strafabgabe weitere Mietsteigerungen zu verursachen“.
Ob aber durch eine Sonderabgabe die Mieten steigen würden, ist strittig. DIW und SPD gehen davon aus, dass Vermieter diese Ausgaben nicht auf die Mieter abwälzen dürfen. Der Mieterverein wirbt für eine progressive Ausgestaltung. Wer die Schwellenwerte stark überschreite, solle prozentual stärker heran gezogen werden.
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