Berlin. Der Technologiepark in Adlershof ist ein Erfolgsmodell: 32.150 Menschen arbeiten, studieren oder lernen dort. Auch der Umsatz steigt.

Manchmal lohnt es sich, dem Druck von Investoren zu widerstehen. In Adlershof ist man inzwischen sehr froh, vor Jahren die Ansiedlung eines Thermalbades und einer Skihalle verhindert zu haben. Die Flächen in dem einzigartigen Netzwerk zwischen Wissenschaft und innovativen Unternehmen haben sich als zu kostbar herausgestellt, um sie für die Freizeitbranche herzugeben. Die Früchte dieses Beharrens auf der ursprünglichen Idee eines wissenschafts- und technologiegetriebenen High-Tech-Gewerbegebietes ernten die Standortmanager der landeseigenen Wista und mit ihnen die Berliner Wirtschaft inzwischen jedes Jahr.

So ist Deutschlands größter Technologiepark im Berliner Südosten im zweiten Jahr der Corona-Pandemie stärker gewachsen als je zuvor. Die Umsätze der fast 1000 Unternehmen und der Forschungseinrichtungen Berlins stiegen 2021 um 13,1 Prozent auf nun mehr als 3,2 Milliarden Euro. Das Plus bei den Beschäftigten bezifferte Wista-Chef Roland Sillmann auf 11,4 Prozent. Inzwischen arbeiten 24.500 Menschen in Adlershof. Hinzu kommen 6650 Studierende der Humboldt-Universität sowie 1000 Auszubildende. Kein Wunder, dass in Adlershof weiter eifrig gebaut wird: „Alle Gebäude sind kurz nach der Fertigstellung gefüllt“, sagte Sillmann: „Die Nachfrage nach Flächen ist extrem hoch.“ Seit dem Beginn der Pandemie konnte Adlershof somit um mehr als 20 Prozent zulegen, während die Wirtschaft in Deutschland insgesamt im Vergleich zu 2019 immer noch im Minus liegt und Berlin die Einbrüche des ersten Corona-Jahres gerade wieder kompensieren konnte.

Sillmann führte bei der Wista-Jahrespressekonferenz am Montag den Erfolg auf die enge Verknüpfung von Wissenschaft und Unternehmen in Adlershof zurück. Hinzu kamen einige Ansiedlungen wie die des Berliner Spezial-Maschinenbauers Jonas & Redmann sowie der Allianz. Viele in Adlershof vertretene Branchen wie etwa Fotonik, Optik und IT hätten vom Digitalisierungsschub während Corona profitiert. Außerdem seien viele der flexiblen Mittelständler in die durch Corona gerissenen Lücken in den Lieferketten gesprungen und hätten etwa als Zulieferer die Autokonzerne mit knappen Vorprodukten versorgt. Auch die Leistungen der Biotechnologie-Firmen seien stark gefragt.

Insgesamt habe Adlershof mittlerweile eine „kritische Masse“ erreicht, die das Wachstum beschleunige, sagte Sillmann. Für die ersten beiden Umsatz-Milliarden habe es jeweils 13 Jahre gebraucht, die dritte Milliarde sei in nur vier Jahren hinzugekommen.

Zugpferd für die Berliner Wirtschaft

Berlins Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos, für SPD) nannte die Ergebnisse aus Adlershof eine „sehr gute Nachricht“. Adlershof sei das Zugpferd für die Berliner Wirtschaft, die insgesamt besser durch die Krise gekommen sei als andere. Das sei dem „Reizklima zwischen Unternehmen und Wissenschaft“ geschuldet, sagte der frühere Handwerkskammerpräsident. „Das erleben wir auch insgesamt in der Berliner Wirtschaft. Adlershof zeigt das wie im Brennglas.“ Der Vorteil sei, dass dort eine ausgeprägte Gründungskultur herrsche und die Unternehmen nicht nur monothematisch in einer Technologie unterwegs seien. Trotz der vergleichsweise guten Ausgangsposition gehe er aber davon aus, dass der „optimistische Ansatz“ von vier Prozent Wirtschaftswachstum in Berlin kaum zu halten sein dürfte. „Aber wir können gestärkt aus der Krise hervorgehen“, sagte Schwarz: „An diesem Standort entsteht Perspektive, die über Berlin hinausragt.“ Damit meinte Schwarz das Engagement der Wista für den Strukturwandel in der Lausitz. Das sieht auch der Präsident der Bundesanstalt für Materialforschung und -prüfung und Sprecher des Adlershofer Forschungsnetzwerkes so. „Eine große Chance für Innovation liegt im Innovationskorridor und dem Lausitz-Science-Park in Cottbus“, sagte Professor Ulrich Panne. Zwischen der Lausitz und dem Berliner Südosten sollen sich entlang der Bahnstrecken nicht nur die Mitarbeiter ansiedeln, sondern auch weitere Unternehmen, Co-Working-Spaces und Wissenschaftseinrichtungen.

Denn auch in Adlershof hat das Arbeiten im Homeoffice die Situation verändert. Zwar kann und möchte nur jeder zweite Beschäftigte zu Hause arbeiten. Für viele geht das nicht, weil sie in Labors und Werkstätten tätig sind. Aber 40 Prozent der Mitarbeiter und jeder zweite Geschäftsführer halten nach ihren Angaben in der Unternehmensumfrage zwei oder drei Tage im Homeoffice für sinnvoll. Völlig außerhalb des Büros wollten aber nur wenige arbeiten, so der Wista-Chef: „Allen ist bewusst, dass Kreativität nur dann funktioniert, wenn man sich trifft und austauscht und ein soziales Gefüge bildet.“ Die meisten Firmen in Adlershof blickten auch optimistisch auf das Jahr 2022. Jedoch seien diese Aussagen vor dem Ukraine-Krieg gesammelt worden. Kalte Büros zumindest müssen sie in Adlershof auch bei einem Gas-Lieferstopp aus Russland nicht befürchten. Das Gebiet wird von einem Blockheizkraftwerk versorgt, das hauptsächlich mit Holz betrieben wird.

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