Berlin Trend

Franziska Giffey sinkt in der Gunst der Wähler

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Joachim Fahrun
Franziska Giffey vor dem Brandenburger Tor.

Franziska Giffey vor dem Brandenburger Tor.

Foto: Frederic Kern/Geisler-Fotopress / picture alliance / Geisler-Fotopress

Als Regierende Bürgermeisterin ist die SPD-Frau unbeliebter als sie es als Spitzenkandidatin war. Bei Jüngeren kommt sie nicht gut an.

Berlin. Franziska Giffey war im vergangenen Jahr für die Berliner SPD angetreten, um die Wahlen doch noch zu gewinnen und sich im Laufe der Zeit zu einer beliebten und geschätzten Regierungschefin im Stile einer Manuela Schwesig in Mecklenburg-Vorpommern oder Malu Dreyer in Rheinland-Pfalz zu entwickeln. Das erste Ziel hat die ehemalige Bundesfamilienministerin bekanntlich erreicht, mit Giffey an der Spitze konnten Berlins Sozialdemokraten am 21. September die Grünen knapp schlagen. Mit dem zweiten Schritt ist Giffey jedoch in ihren ersten drei Monaten im Roten Rathaus noch kaum vorangekommen.

Trotz medialer Dauerpräsenz in Senatspressekonferenzen, auf Social-Media-Kanälen, bei Bund-Länder-Gipfeln und Besuchen in Flüchtlingsunterkünften hat die Regierende Bürgermeisterin Giffey im Vergleich zur Spitzenkandidatin Giffey an Ansehen bei den Berlinerinnen und Berlinern verloren. Im September 2021 hatten sich eine Woche vor der Wahl gegenüber dem Umfrageinstitut Infratest dimap noch elf Prozent „sehr zufrieden“ und 33 Prozent „zufrieden“ mit der SPD-Bewerberin für das Amt der Regierenden Bürgermeisterin gezeigt. Im aktuellen Berlin Trend der Berliner Morgenpost und der RBB-Abendschau schneidet Giffey schlechter ab. Nur noch vier Prozent sind sehr zufrieden mit ihrer Arbeit, 36 Prozent zufrieden. Die positiven Bewertungen sanken also insgesamt von 44 auf 40 Prozent.

Franziska Giffey ist sogar weniger beliebt als Michael Müller im August 2021

Hingegen ist ein negativer Blick auf Giffey nun weiter verbreitet als vor der Wahl. Hatten sich vorher 40 Prozent mit ihr weniger und gar nicht zufrieden gezeigt, sagen das inzwischen 47 Prozent. Damit ist Franziska Giffey, die gemeinsam mit Fraktionschef Raed Saleh den als blass geltenden Michael Müller 2020 vom SPD-Landesvorsitz verdrängt hatte, sogar weniger beliebt als es ihr Vorgänger im Berlin Trend im August 2021 gewesen ist.

Im eigenen Lager sieht man die Führungsfrau immerhin sehr positiv. 69 Prozent der SPD-Anhänger äußerten sich in der Umfrage unter 1170 Wahlberechtigten positiv über Giffey. Allerdings ist auch jeder fünfte sozialdemokratische Wähler nicht zufrieden mit der Regierenden Bürgermeisterin.

Unter den Sympathisanten anderer Parteien hat Giffey jedoch einen schweren Stand. Das gilt auch für die Unterstützer der Koalitionspartner. Unter Grünen-Wählern sehen mit 45 Prozent fast ebenso viele die Senatschefin negativ wie positiv, denn nur 47 Prozent sind mit ihr zufrieden. Offenbar sind die wenig konsequenten Aussagen Giffeys zur Verkehrswende und zur Reduzierung des Autoverkehrs vielen Grünen nicht geheuer.

Vehemente Ablehnung von Giffey im Lager der Linken

Noch schlechter sieht es für Giffey im Lager der Linken aus. Hier schlägt ihr mit 60 Prozent Unzufriedenen eine vehemente Ablehnung entgegen, wie sie ihr Vorgänger Müller über all seine Amtsjahre nie zu spüren bekam. Mit 29 Prozent ist nicht einmal jeder dritte Linken-Wähler zufrieden mit der Frau, mit der ihre Partei ein Bündnis geschmiedet hat. Unter Linken kommen Giffeys Worte zum unbedingten Wohnungsbau und ihre Ablehnung des Volksentscheides zur Enteignung von großen privaten Wohnungsfirmen offensichtlich nicht gut an.

Bemerkenswert ist, dass Giffey unter den Sympathisanten von CDU und FDP besser ankommt als beim linken Koalitionspartner. Unter CDU-Anhängern sind 37 Prozent mit ihr zufrieden, 54 Prozent unzufrieden. Bei der FDP liegt das Verhältnis bei 35 Prozent Zufriedenheit zu 47 Prozent Unzufriedenheit. Diese Daten lassen den Schluss zu, dass für die frühere Neuköllner Bezirksbürgermeisterin persönlich eine Deutschland-Koalition mit CDU und FDP, aber auch eine Ampel mit FDP und Grünen wohl die konfliktfreiere Wahl gewesen wäre.

Giffey kommt im Westteil der Stadt besser an als im Osten

Die Zahlen der Umfrage zeigen aber auch, in welchen Gruppen der Bevölkerung Giffey ihre Basis hat. Es sind die Älteren und es sind die Frauen. Zudem kommt die gebürtige Brandenburgerin im Westteil der Stadt etwas besser an als im Osten. In der Altersgruppe 65 plus sind 53 Prozent der Befragten zufrieden mit der Regierenden Bürgermeisterin. Allerdings ist das auch die einzige Altersgruppe, die Giffey mehrheitlich positiv einschätzt. Schon unter den 50- bis 64-Jährigen sind es nur noch 40 Prozent, wie in der Gesamtbevölkerung. Je jünger die Berliner sind, desto kritischer sehen sie die 43-Jährige. Die 35- bis 49-Jährigen sind nur zu 37 Prozent mit Giffey zufrieden, also etwas mehr als jeder Dritte. In der jüngsten Wählergruppe von 18 bis 34 Jahren ist es mit 25 Prozent nur jeder Vierte.

Wenn es allein nach den Männern ginge, hätte Giffey als Regierende Bürgermeisterin einen noch schwereren Stand. Nur jeder dritte Berliner (34 Prozent) ist zufrieden mit der Senatschefin, aber fast jede zweite Berlinerin (45 Prozent). Was die Bildungsniveaus angeht, zeigen sich keine signifikanten Unterschiede. Mit einer Ausnahme: Unter den Menschen mit Abitur ist eine negative Sicht auf Giffey mit 53 deutlich weiter verbreitet als unter Leuten mit Hauptschul- oder mittlerem Schulabschluss. Die Zufriedenheitswerte liegen zwischen all diesen Gruppe nicht so weit auseinander. Aber unter den besser Gebildeten ist der Anteil derer, die Giffey nicht kennen oder nicht beurteilen wollen, viel niedriger, die Ablehnung etwa in gleichem Umfang größer.

Die skeptische Sicht auf die Person Giffey findet sich im Lager der grünen und Linken Koalitionspartner in abgeschwächter Form auch im Blick auf die Arbeit des gesamten Senats. SPD-Wähler sind zu 64 Prozent mit der Arbeit von Rot-Grün-Rot zufrieden. Unter Grünen sind das 57 und unter Linken nur noch 48 Prozent. Jeder zweite Wähler der Linken ist mit der Arbeit des eigenen Senats unzufrieden. Das dürfte den Druck auf Fraktion und Senatsmitglieder der Linken verstärken, mehr Akzente in Richtung ihrer Basis zu setzen.