Berlin. Es ist nach 12.15 Uhr, als vier junge Menschen, zwei Frauen und zwei Männer die grüne Ampelphase an der Kreuzung Wilhelm-/Dorotheenstraße abwarten, sich auf den Boden werfen und ihre mit Sekundenkleber eingeriebenen Hände auf den Asphalt drücken – direkt vor den Augen einiger Polizisten, die wegen einer Straßensperrung zum Regierungsviertel vor Ort sind.
Die Beamten reagieren schnell, können eine junge Frau von der Fahrbahn ziehen, einen weiteren tragen sie rechtzeitig davon, bevor der Kleber wirkt. Der junge Mann, der sich wie die anderen zu der Gruppe „die letzte Generation“ zählt, schreit. Doch es hilft nichts. Am Ende bleiben nur zwei sitzen. Eine am Rande zum Fußgängerweg, der andere so, dass der Autoverkehr in Berlin-Mitte problemlos an ihm vorbeifließen kann.
Man könnte sagen, eine Aktion der Klimaaktivisten an diesem Freitagmittag verpufft. Während die Polizisten an der Ecke auf Sanitäter warten, um die verklebten Hände der Aktivisten zu lösen, haben sich nur wenige hundert Meter weiter weitere Mitglieder der Gruppe auf die Straße geklebt. Auf der Ebertstraße vor dem Brandenburger Tor sitzen sie in orangefarbenen Warnwesten auf dem Boden, tragen Pappkartonschilder um den Hals mit der Aufschrift: angeklebt. Doch auch hier ist die Polizei schnell zugegen, sperrt die Straße und wartet auf die Sanitäter. Man könnte auch sagen, die Aktion verläuft im Leeren, weil die Zufahrt in Richtung Reichstagsgebäude ohnehin wegen der Impflicht-Debatte im Bundestag gesperrt ist.
Viele Aktionen im Regierungsviertel
Die Initiative „die letzte Generation“ kündigt bereits im Laufe der Woche „massive“ Blockaden an einer „Vielzahl der Straßen“ in Berlin an. Anlass sei der 100. Tag der neuen Bundesregierung, die weiter auf Öl, Gas und Kohle statt auf Klimaschutz setze, so die Gruppe. Schon am Morgen warnt die Berliner Verkehrsinformationszentrale daher vor Straßenblockaden. Es könne „ganztägig zu erheblichen Verkehrsstörungen im gesamten Stadtgebiet kommen“, twitterte die Verkehrsinformationszentrale. Tatsächlich kommt es in Mitte zu weiteren Aktionen – vor allem um die Mittagszeit.
Wie die Polizei mitteilt, klebt sich an der Heinrich-von-Gagern-Straße Ecke Scheidemannstraße eine weitere Person fest. Auch auf der Kronprinzenbrücke, einer Zufahrt in Richtung Bundeskanzleramt, sind es sieben Personen, die den Verkehr blockieren wollen und auf der Adele-Schreiber-Krieger-Straße kleben sich nochmals sechs weitere Personen auf den Asphalt.
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Es ist mittlerweile 13 Uhr. Um die Klimaaktivisten vor dem Brandenburger Tor bildet sich eine Menschentraube aus Journalisten und Schaulustigen. Die Sanitäter der Polizei und offenbar ein Experte für solche Situationen sind ebenfalls eingetroffen – mit einer Flasche Sonnenblumenöl. Er schüttet es über die Hände, um den Kleber zu lösen. Ausgerechnet Sonnenblumenöl, das in diesen Tagen in den Supermärkten knapp ist. Da viele Menschen hierzulande Speiseöl aus Angst vor weiteren Auswirken des Ukraine-Kriegs hamstern. Während die Polizisten die Klimaaktivisten von der Fahrbahn lösen wollen, stürzen sich in einem günstigen Moment weitere Aktivisten auf der anderen Straßenseite auf die Fahrbahn.
Doch auch diese Aktion verpufft, da die Polizei wieder rechtzeitig einschreitet. Die Beamten legen den Aktivisten anschließend Handschellen an, um weitere Aktionen zu verhindern. Einer Polizeisprecherin zufolge sind an diesem Freitag bei den Aktionen der Gruppe „die letzte Generation“ auch mehrere Mitglieder in Gewahrsam genommen worden. Die Anzahl kann sie zum Redaktionsschluss dieser Ausgabe aber nicht nennen.
Der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus, Björn Jotzo, teilte zu den neuen Blockaden mit: „Die Blockierer brechen weiter vorsätzlich das Versammlungsrecht, um die Stadt zu chaotisieren. Der Senat ist in der Verantwortung, unsere Gesetze im Interesse aller Berlinerinnen und Berliner konsequent durchzusetzen. Nur Eilverfahren gegen die Straßenblockierer schaffen schnelle Urteile und beugen Wiederholungstaten vor.“
Innensenatorin Iris Spranger (SPD) und Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) müssten konsequent handeln. Die Autobahn-Blockierer hatten ihre umstrittenen Aktionen Ende Januar begonnen und dabei vor allem in Berlin immer wieder für Störungen im Berufsverkehr gesorgt. Dabei hatten sich die Aktivisten zum Teil auf der Fahrbahn festgeklebt, um den Einsatzkräften der Polizei eine Räumung der Blockaden zu erschweren. Zuletzt hatte „Die letzte Generation“ auch versucht, den Verkehr am Flughafen BER zu stören. Die Blockade scheiterte aber letztlich, weil der Verkehr von der Polizei umgeleitet wurde. Anfang März wurden die Aktionen wegen des Krieges in der Ukraine vorerst beendet.