Berlin. Die jüngsten Abweichungen in der Corona-Politik haben Zweifel an der Bereitschaft zur Zusammenarbeit und engen Abstimmung zwischen den Nachbarländern Berlin und Brandenburg ausgelöst. So soll die 2G-Regel im Einzelhandel in der Hauptstadt frühestens eine Woche später abgeschafft werden als im Umland. Die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) beteuerte im zuständigen Ausschuss des Abgeordnetenhauses am Mittwoch aber ihre Bereitschaft, enger mit ihrem Kollegen Dietmar Woidke (SPD) in Potsdam kooperieren zu wollen.
Differenzen bei 2G im Einzelhandel zwischen beiden Ländern „kein gutes Signal“
Der FDP-Abgeordnete Stefan Förster nannte es „kein gutes Signal“, dass 2G im Brandenburger Einzelhandel früher falle als in Berlin. „Da wäre eine vernünftige Abstimmung hilfreich. Dann fahren Berliner Kunden nach Brandenburg zum Einkaufen. Das kann besser koordiniert werden“, so der Oppositionspolitiker. Die CDU fürchtet den Verlust von Arbeitsplätzen, wenn in Berlin Beschränkungen länger gelten als im Nachbarland.
Giffey verteidigte den Beschluss des Senats, erst kommende Woche die Abschaffung der 2G-Regel zu beschließen und damit den Einzelhandel auch wieder für ungeimpfte Personen zu öffnen. Man sei sich in der Sache einig mit Brandenburg. Aber in Berlin wolle man erst ermitteln, welche dem Einzelhandel verwandte Bereiche es gibt, in denen die ausschließliche Nutzung durch Geimpfte und Genesene ebenfalls enden solle. Sie nannte Stadtteilbibliotheken und Museen als Beispiele. Man wolle nächste Woche im Senat eine umfassende Regelung beschließen.
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Beide Landesregierungen tagen am 29. März gemeinsam in Frankfurt (Oder)
Die Regierende Bürgermeisterin, die in Brandenburg aufgewachsen ist und mit Ministerpräsident Woidke ein enges persönliches Verhältnis pflegt, nannte den 29. März als Termin für eine gemeinsame Sitzung der Kabinette beider Länder. Getagt werde in der Viadrina-Universität in Frankfurt (Oder). Als Themen stehen unter anderem die deutsch-polnische Zusammenarbeit, Wissenschaftskooperation und Verkehrsfragen auf der Tagesordnung. Noch vor der Sommerpause soll es laut Giffey auch einen Bahngipfel geben, bei dem der weitere Ausbau der Schienenverbindungen zwischen Berlin und dem Umland im Vordergrund stehen wird.
Der Liberale Förster stellte fest, im Bahnverkehr gebe es „viel Luft nach oben“, Brandenburg müsse aber „mitwirken“, damit es zu Verbesserungen komme. So sei es den Brandenburgern vielfach egal, ob Autos nach Berlin hineinführen, deshalb würden sie keine Park & Ride-Plätze an S-Bahnhöfen außerhalb der Stadtgrenzen einrichten. Giffey sagte, man werde in der ersten Kabinettssitzung auch das Thema Park & Ride besprechen. Sie verteidigte das Projekt, mit der U-Bahnlinie 7 zum Flughafen BER erstmals eine U-Bahnstrecke über die Berliner Landesgrenzen hinaus zu planen. Sie wolle die Verlängerung über Rudow hinaus „zügig voranbringen“ und die Kosten-Nutzen-Analysen für die verlängerte U7 und den Ausbau der U3 zum Mexikoplatz schnell vorlegen. „Wir alle werden keine U7 einweihen“, schränkte sie die Erwartungen auf einen schnellen Abschluss des Projektes jedoch ein. In dieser Legislaturperiode sei das nicht denkbar.
Rückkehr von Lehrern aus Brandenburg soll Pendlerströme verringern
Die Frage des Grünen-Abgeordneten Andreas Otto, wie sie denn dazu stehe, dass Berliner Investoren, darunter vereinzelt auch landeseigene Wohnungsbaugesellschaften, in Brandenburg Wohnungen errichteten und so „Steuerbürger“ aus Berlin wegzögen, beantwortete die Sozialdemokratin nur zum Teil. Berlin müsse selber schneller werden mit dem Wohnungsbau, sagte Giffey. Sie werde aber keinen „Wegezoll“ von Pendlern erheben. Dennoch gehe es darum, die Pendlerströme zwischen Stadt und Umland zu „entzerren“.
Dazu wolle sie nach Brandenburg abgewanderte Berliner Lehrkräfte zurückholen. Das soll einerseits mit der Verbeamtung auch in Berlin geschehen. Andererseits werde die bisher geltende Frist von fünf Jahren abgeschafft, nach der die dann in Brandenburg verbeamteten Lehrer mit dem gleichen Status erst wieder nach Berlin wechseln können. Sie wolle eine „sofortige Rückkehr ermöglichen“, sagte die Regierende Bürgermeisterin: „Das halte ich für extrem wichtig.“
Regierende Bürgermeisterin reist zur Münchener Sicherheitskonferenz
Franziska Giffey äußerte sich auch erstmals zu ihren Vorstellungen der „Städtediplomatie“, die ihr Vorgänger Michael Müller (SPD) über die vielen Berliner Städtepartnerschaften und das Metropolennetzwerk Metropolis sehr ausgiebig betrieben hatte. Sie werde am übernächsten Wochenende an der Münchener Sicherheitskonferenz teilnehmen, kündigte die Regierungschefin an. Dort würden auch die Bürgermeister von Warschau, Istanbul und Budapest dabei sein. In diesen drei Hauptstädten steht die Lokalpolitik im Widerspruch zu den jeweiligen Regierungen Polens, der Türkei und Ungarns, vor allem, was das Verständnis von Demokratie und Gewaltenteilung betrifft. Dort werde es eine „Pendeldiplomatie“ zur Demokratieförderung geben, kündigte sie an.
Als eine der ersten Berliner Partnerstädte wolle sie die polnische Hauptstadt Warschau besuchen. Generell ließ sie allerdings durchblicken, eher weniger reisen zu wollen als Müller: „Bei Reisen muss etwas rauskommen“, sagte Giffey. Sie werde Reisen so auswählen und vorbereiten, dass es einen Output gebe. „Manchmal ist weniger mehr.“