Wetter

Sturmtief "Nadia": Feuerwehr beendet Ausnahmezustand

| Lesedauer: 11 Minuten
Alexander Uhl, Dennis Meischen und Claudia Liebram

Das Sturmtief "Nadia" zieht über Berlin. Die Feuerwehr musste zu Hunderten Einsätzen ausrücken. Mehrere S-Bahn-Linien waren unterbrochen.

Berlin. Sturmtief "Nadia" ist über den Norden Europas hinweggezogen. Auch in Berlin und Brandenburg war es seit Samstagabend sehr stürmisch. Die Feuerwehr hatte am Sonntagmorgen den Ausnahmezustand ausgerufen. Die Berliner wurden gebeten, bei Sturm und Gewitter nicht das Haus zu verlassen. Bürger sollen kleinere Wasserschäden möglichst selbst regeln. Die Rettungskräfte sollen sich auf größere Einsätze konzentrieren. Brände und Notfälle können weiterhin über Notruf 112 gemeldet werden.

Beendet wurde der Ausnahmezustand um 16.30 Uhr. Nach Angaben der Berliner Feuerwehr war diese in der Zeit von Beginn des Ausnahmezustands um 8 Uhr bis zum Ende in 340 Einsätzen aktiv, die mit dem Unwetter in Verbindung standen. Seit den ersten Windböen am Sonnabendabend waren es etwa 590 Einsätze. 550 Einsatzkräfte der Feuerwehr sind zurzeit mit Unterstützung von elf freiwilligen Feuerwehren im Dienst. Wie ein Sprecher der Feuerwehr bestätigte, trudelten zwar immer noch Meldungen ein, die Wetterlage beruhige sich aber langsam.

Zahlreiche Bäume in Berlin umgestürzt - auch auf S-Bahn-Gleise

Am Vormittag war man dazu übergegangen, nach Priorisierungsstufen vorzugehen. Das bedeutete beispielsweise, dass ein umgefallener Baum auf einer Bundesstraße Vorrang hatte vor einem in einer Seitenstraße, dass ein betroffenes Wohnhaus mit Personen vor bloßem Sachschaden auf der Straße an die Reihe kam, erklärt der Sprecher.

Der Berliner Zoo und der Tierpark blieben am Sonntag bis 13 Uhr geschlossen. „Wir hatten schon am Samstagabend speziell die Fluchttiere in ihre Ställe gebracht, damit diese sich nicht wegen des Sturms erschrecken“, sagte eine Sprecherin der Nachrichtenagentur dpa. Größere Unwetterschäden habe es nicht gegeben. „Wir hatten hauptsächlich mit Astbruch zu kämpfen.“

Im Laufe der Nacht und des Morgens stürzten zahlreiche Bäume um - einige davon in Gleise der S-Bahn.

  • Auf der S1 war der Zugverkehr zwischen Frohnau und Waidmannslust unterbrochen. Seit 17.50 Uhr rollt der Zugverkehr wieder.
  • Auf der Linie S2 wird zwischen Lichtenrade und Buch nicht mehr im 10-Minuten-Takt gefahren.
  • Die Linie S25 war zwischen Tegel und Hennigsdorf unterbrochen. Dieser Schaden ist behoben. Fast am anderen Ende war die S25 zwischen Lichterfelde Ost und Priesterweg unterbrochen. Der reguläre Takt konnte am Nachmittag wieder aufgenommen werden.
  • Bei den Linien S3 und S9 war der Zugverkehr zwischen Olympiastadion und Spandau eingestellt worden. Inzwischen fahren die Züge dort wieder, doch es kann noch zu Verspätungen und einzelnen Ausfällen kommen.
  • Auf der S41, S42, S46, S47 können zwar wieder beide Gleise benutzt werden, doch es kann noch zu Folgeverspätungen und Ausfällen kommen.
  • Die S45 war lange nur zwischen BER-Terminal 1 und Schöneweide unterwegs. Jetzt ist der Betrieb bis Westend wieder aufgenommen.
  • Auf der S5 kommt es wegen umgestürzter Bäume im Bereich Hegermühle zu Verspätungen und Ausfällen.

Sturmtief Nadia: Das meldet die BVG

18 Buslinien waren am Sonntagmorgen von Sturmschäden betroffen. Manche Haltestellen konnten nicht angefahren werden, einige Wartehäuschen waren beschädigt. Die U-Bahn blieb von Sturmschäden verschont. Vorsorglich fuhren mehreren Linien nur mit Tempo 40.

Die BVG meldet derzeit diese Einschränkungen:

  • Der Bus 221 hält nicht an der Haltestelle Kienhorststraße.
  • Die Busse 139 und M36 halten nicht an der Haltestelle Daumstr./Rhenaniastraße. Der 139-er ist außerdem zwischen Knobelsdorffstraße und S-Bahnhof Messe Nord/ICC unterbrochen.
  • Die Fähre F12 fährt nicht.

Bereits seit dem Sonnabendmittag hatte der Wind in der Hauptstadt kontinuierlich zugenommen. Am Abend erreichten die Wind- und Sturmböen zwischen 55 und 75 km/h. Der DWD gab für die Uckermark am Abend eine amtliche Unwetterwarnung vor orkanartigen Böen heraus. Diese galt bis 10 Uhr am Sonntag. Für Berlin gilt eine Amtliche Warnung vor Sturmböen bis Sonntag, 18 Uhr.

Berliner Feuerwehr alarmierte Freiwillige Feuerwehren

Am Sonnabendnachmittag hatte die Feuerwehr noch nur vereinzelt im Stadtgebiet umgefallene Bäume beseitigen müssen. Sie bereitete sich zunächst nicht durch eine Aufstockung von Personal auf vermehrte Einsätze vor. „Wir reagieren flexibel auf die Lage“, so ein Sprecher, „im Notfall haben wir aber immer die Möglichkeit, auf die freiwilligen Feuerwehren zurückzugreifen.“ Diese Möglichkeit nutzte die Feuerwehr dann am Abend. Vorsorglich seien zehn Freiwillige Feuerwehren zur Wachbesetzung alarmiert worden, teilte sie über Twitter mit.

Am Sonntagmorgen zog die Feuerwehr Bilanz: Zwischen 20 und 7 Uhr war sie 250 Mal wegen des Sturms im Einsatz. "Überwiegend wurden umgestürzte Bäume von Gehwegen und Fahrbahnen entfernt sowie lose Bauteile gesichert bzw. abgetragen", hieß es bei Twitter. Um 8.10 Uhr am Sonntag rief die Feuerwehr den "Ausnahmezustand Wetter" aus.

In der Nacht zu Sonntag nahm der Sturm deutlich zu. Böen und schwere Sturmböen zwischen 70 und 100 Kilometern pro Stunde waren vorhergesagt. Das entspricht Windstärken von 8 bis 10 Beaufort. Ab dem Sonntagnachmittag nehme der Wind dann zögerlich, später deutlich ab.

Kachelmannwetter meldete am Abend Windböen mit bis zu 104 km/h in Potsdam zwischen 21 und 22 Uhr. Laut der weiteren Prognose des Wetterdienstes von Jörg Kachelmann schwächt sich der Sturm im Nordosten und Osten bis zum Nachmittag nur langsam ab.

Wie der Sturm am Sonntagmorgen zwischen 8 und 9 Uhr in Berlin tobte, lässt sich auf einer weiteren Visualisierung bei Kachelmannwetter ansehen.

Sturmtief Nadia: Das geschah am Samstagabend

Die Feuerwehr Potsdam berichtete am Samstagabend von 15 witterungsbedingten Einsätzen. Auch in Tegel wurden demnach zwischen 22 und 23 Uhr Windböen mit 104 km/h gemessen.

Die Berliner Feuerwehr verzeichnete bis kurz vor 23 Uhr mehrere "kleinere Einsätze". Dabei ging es um Bäume, Äste, Gerüste, eben "alles, was dem Wind ausgesetzt sei", so der Lagedienst. Man habe die Lage aber im Griff, der Ausnahmezustand habe bislang nicht ausgerufen werden müssen.

Bei der S-Bahn stürzte am Samstagabend zwischen Marienfelde und Lichtenrade ein Baum aufs Gleis. Der Zugverkehr der S2 war dort zunächst unterbrochen, wie die S-Bahn auf Twitter mitteilte. Ein Ersatzverkehr mit Bussen wurde eingerichtet. DIe Störung war kurz vor 23 Uhr beendet.

Auch auf der S1 kam es zu Verspätungen und Zugausfällen weil nahe dem Bahnhof Botanischer Garten ein Baum im Gleis gemeldet wurde. Beide Linien verkehrten im 20-Minuten-Takt. Für die S2 wurde die Umfahrung mit der BVG empfohlen.

In Schulzendorf war der Zugverkehr der Linie S25 zwischen Tegel und Heiligensee unterbrochen.

Sturmtief Nadia: Hunderte Einsätze in Brandenburg

Das Sturmtief „Nadja“ ist natürlich auch über Brandenburg gezogen. Die Leitstellen der Feuerwehren berichteten von Hunderten Einsätzen vor allem wegen umgestürzter Bäume oder abgedeckter Hausdächer.

In Beelitz (Potsdam-Mittelmark) wurde ein 58 Jahre alter Fußgänger durch ein umstürzendes Wahlplakat tödlich verletzt. Der Mann sei trotz Reanimationsversuchen wenig später gestorben, berichtete die Polizei. Das 3,5 Meter mal 2,5 Meter große Plakat sei am Sonnabendabend kurz nach 22 Uhr nach einer starken Windböe umgefallen und habe den 58-Jährigen am Kopf getroffen. Der Mann sei mit seiner Freundin und einem Bekannten spazieren gewesen und einige Meter vor seinen Begleitern gelaufen, hieß es im Polizeibericht. Das aus einem Metallkorpus und Sperrholz bestehende Plakat sei mit Metallstangen im Boden verankert gewesen. Zur Ursache des Unfalls laufen weitere Ermittlungen. Das Plakat war zur Landratswahl am kommenden Sonntag in Potsdam-Mittelmark aufgestellt worden.

Die Feuerwehr-Leitstelle in Brandenburg/Havel berichtete über mehr als 100 Einsätze in der Nacht wegen umgestürzter Bäume, abgedeckter Dächer und umgekippter Wahlplakate. Auch die Feuerwehrleitstelle Lausitz in Cottbus meldete rund 150 Einsätze, vor allem wegen umgestürzter Bäume. In Drahnsdorf (Dahme-Spreewald) habe der Sturm einen Flügel eines Windrads angerissen, sagte der Sprecher der Leitstelle. Verletzt wurde niemand.

Im gesamten Landkreis Ostprignitz-Ruppin kam es durch umgestürzte Bäume und herabfallende Äste zu Verkehrsbehinderungen, wie die Polizei mitteilte. Es habe aber nur vereinzelt Verkehrsunfälle und eher geringen Sachschäden gegeben.

Auch die Leitstelle Nordost berichtete von zahlreichen Einsätzen bis Sonntagvormittag wegen umgestürzter Bäume und abgedeckter Dächer. Der Bereich um die Kirche in Bernau (Barnim) musste weiträumig abgesperrt werden, weil sich Ziegel gelöst hatten.

Ebenso war die Lage im Osten des Landes bei der Regionalleitstelle Oderland. „Wir hatten schon in der Nacht rund 100 Einsätze und seit 7.00 Uhr heute Morgen weitere 189“, sagte der Einsatzleiter am Mittag. Dabei sei es meist um umgestürzte Bäume oder lose Dachziegel gegangen. Am Sonntagvormittag habe es zwei Leichtverletzte gegeben, als ein Auto bei Eggersdorf gegen einen umgestürzten Baum gefahren sei.

Der Schlossgarten Rheinsberg (Ostprignitz-Ruppin) wurde am Sonntag bis auf weiteres geschlossen, um Gefahren für die Besucher abzuwenden, teilte die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten mit. Eingestellt wurde am Sonntag auch der Fährverkehr zur Pfaueninsel, die damit ebenfalls vorerst gesperrt bleibt.

Sturmflut in Hamburg

Im Nordosten Deutschlands ist es seit Sonnabend sehr stürmisch, davor hatte zuvor der Deutsche Wetterdienst (DWD) gewarnt. Besonders betroffen ist Mecklenburg-Vorpommern. An der Nordseeküste kamen bereits am Sonnabendnachmittag erste Windböen von 100 km/h auf, in Hamburg-Finkenwerder wurden am Abend bereits Sturmböen von 106 km/h gemeldet. Hamburg erlebt inzwischen eine schwere Sturmflut.

Lesen Sie dazu auch: Sturmtief "Nadia" sorgt für Verwüstungen in Norddeutschland

Das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie gab zudem Sturmflutwarnungen für die deutschen Küsten heraus.

Die Deutsche Bahn stellte wegen des Sturms am Abend den Fernverkehr im Raum Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Mecklenburg-Vorpommern, Hamburg und Bremen ein. Auf den Strecken Hamburg - Berlin, Hamburg - Bremen kam es zu Umleitungen, Verspätungen sowie Zug- und Haltausfällen.

Die Wettervorhersage des DWD für die kommenden Tage

  • Sonntag, 30. Januar:
    Am Sonntag weiterhin starker Nordwestwind und verbreitet Sturmböen zwischen 65 und 85 km/h, vereinzelt schwere Sturmböen bis 100 km/h (Bft 10). Erst am späten Nachmittag zögerlich, dann deutlich nachlassend. Zunächst stark bewölkt mit einzelnen Schauern, später zunehmend heiter und gtrocken. Höchstwerte zwischen 6 und 9 Grad. In der Nacht zu Montag aufkommender Schneeregen, teils Schneefall mit Glätte. Temperatur +1 bis -1 Grad.
  • Montag, 31 Januar:
    Am Montag bedeckt und zeitweise nasser Schneefall oder Schneeregen, später in Regen übergehend. Am Morgen örtlich Glätte. Gegen Abend Auflockerungen. Höchsttemperaturen 2 bis 4 Grad.

Eine aktuelle Warnkarte des Deutschen Wetterdienstes können Sie hier einsehen.

DWD zu Orkantief "Nadia"