Senatsklausur

100-Tage-Programm: Das will der Senat sofort angehen

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Joachim Fahrun
Berlins Regierende Bürgermeisterin, Franziska Giffey im Gespräch mit Verkehssenatorin Bettina Jarasch (l.).

Berlins Regierende Bürgermeisterin, Franziska Giffey im Gespräch mit Verkehssenatorin Bettina Jarasch (l.).

Foto: Berliner Senatskanzlei

Auf seiner Klausur hat der Senat ein Sofortprogramm beschlossen. Wohnungsbau und Mieten haben höchste Priorität. Das sind die Punkte.

Berlin. Der Berliner Senat will in den ersten 100 Tagen seiner Amtszeit 40 konkrete Vorhaben anstoßen oder umsetzen. Zentrale Punkte dabei sind die Gründung eines Bündnisses für Wohnungsbau und bezahlbare Mieten mit zahlreichen Akteuren, erste Schritte zur Verbeamtung von Lehrern und die Vorlage eines Haushaltsentwurfes bis zum 22. Februar, wie die Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) am Sonntag nach der Senats-Klausur auf dem Landgut Stober in Groß Behnitz bei Nauen im Havelland mitteilte. Die 100-Tage-Frist begann mit dem Amtsantritt des Senats am 21. Dezember und läuft also bis Ende März.

Höchste Priorität bei Wohnungsbau und Mieterschutz

Höchste Priorität liegt beim Wohnungsneubau und Mieterschutz. Die Senatsmitglieder von SPD, Grünen und Linken einigten sich auf neue Arbeitsstrukturen, um den Neubau zu beschleunigen.

Künftig soll sich ein eigener Senatsausschuss mit allen in Neubauvorhaben involvierten Ressortchefs für Verkehr, Wirtschaft, Soziales und Stadtentwicklung einmal im Monat mit der Regierenden Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD)treffen, Hürden aus dem Weg räumen und politisch über die Fortsetzung von stockenden Projekten entscheiden. Gegebenenfalls sollen Bezirksbürgermeister dazu geladen werden.

Es gehe darum, „weiterzukommen und den Knoten zu lösen“, sagte Giffey. Es seien in Berlin 60.000 Baugenehmigungen erteilt, die aber nicht umgesetzt würden, so Giffey weiter: „Was ist da los? Warum ist nicht begonnen worden?“ Allerdings müsse es das Ziel aller beteiligten Verwaltungen sein, dieses Gremium nicht in Anspruch zu nehmen: „Wer auf der Tagesordnung der Senatskommission landet, hat vorher Dinge nicht hinbekommen."

Giffey umriss auch die Grundlagen des geplanten Bündnisses für Wohnungsneubau und Mieterschutz mit der privaten Immobilienwirtschaft und anderen Akteuren. Bis Ende Juni soll eine Verpflichtung der Partner für Neubau und bezahlbares Wohnen vorliegen. Die Dach-Gruppe wird von drei Arbeitsgruppen begleitet, die sich um Neubau, Mieterschutz und Fragen der Stadtplanung und Gestaltung kümmern. Kultursenator Klaus Lederer (Linke) sagte, bezahlbarer Wohnraum sei ein gemeinsames Projekt, ebenso wie der klimaneutrale Umbau der Stadt. „Das duldet keine Schonfrist“, so der Linken-Politiker.

Klausur: Enteignungs-Volksentscheid kein Thema

Die Besetzung der Expertenkommission für den Umgang mit dem Volksentscheid zur Enteignung von privaten Wohnungsbauunternehmen war nicht Thema der Klausur. Wer der Kommission zu diesem in der Koalition umstrittenen Thema angehören soll, wird Bausenator Andreas Geisel (SPD) dem Senat demnächst vorschlagen.

Verkehrs- und Umweltsenatorin Bettina Jarasch (Grüne) kündigte an, in den ersten 100 Tagen Planungen für den Ersatz von drei maroden Brücken entscheidend voranzubringen. Es handelt sich um die Wuhletalbrücke in Marzahn-Hellersdorf, die Pyramidenbrücke in Köpenick und die Moltkebrücke in Steglitz.

Polizeiwache am Kottbusser Tor kommt - Kultur-Szene wird unterstützt

Zwar sind die meisten der 40 Projekte, die die einzelnen Häuser auf die Prioritätenliste schrieben, bereits bekannt. Dass das Konzept für die von Innensenatorin Iris Spranger (SPD) angekündigte neue Polizeiwache am Kriminalitäts-HotspotKottbusser Tor schon bis Ende März vorliegen soll, überrascht dann doch. Ebenso die Zusage, in den ersten 100 Tagen den Wettbewerb für den Umbau des Friedrich-Ludwig-Jahn-Sportparks in Prenzlauer Berg zur inklusiven Sportanlage auf den Weg bringen zu wollen. Lederer betonte, dass man wohl in Bauabschnitten vorgehen werde und dass die mehr als 100 Millionen dafür vorgesehenen Euro wohl in der Finanzplanung noch einmal aufgestockt werden müssten.

Lesen Sie auch: Das 100-Tage-Sofortprogramm des Senats im Wortlaut (PDF-Download)

Jarasch berichtete auch von einem Plan, den sie am Rande der Klausur spontan mit Wirtschaftssenator Stephan Schwarz (parteilos, für SPD) und Arbeitssenatorin Katja Kipping (Linke) verabredet habe. Es soll eine Ausbildungsoffensive für Klima-Azubis geben. Dabei gehe es nicht um Ingenieure, sondern um Heizungstechniker, Schornsteinfeger und andere Berufe: „Handwerk hat grünen Boden“, sagte Jarasch.

Kultursenator Lederer kündigte neben weiteren Hilfen für die unter der Corona-Pandemie leidende Kultur Unterstützung beim Neustart an. Im Sommer 2022 soll es einen „Kultursommer“ mit vielen Veranstaltungen in der Stadt geben, ein Konzept dafür werde jetzt erarbeitet.

Haushaltsentwurf soll bis Ende Februar vorliegen

Schnell angegangen werden soll auch der Haushaltsplanentwurf für 2022/23. Den will der Senat am 22. Februar vorlegen. Weitere wichtige Vorhaben des Senats sind in der Bildung die schnelle Vorbereitung der Verbeamtung von Lehrern. Schon allein die Ankündigung habe das Interesse von abgewanderten Lehrkräften geweckt, nach Berlin zurückzukehren, hieß es. Außerdem soll die Zahl der Sprach-Kitas mit besonderem Fokus auf sprachliche Defizite der Kinder mithilfe eines Bundesprogramms von derzeit 37 um 50 weitere erhöht werden.

Auch die Anhebung des Landesmindestlohns von zurzeit 12,50 Euro auf 13 Euro, den Auftragnehmer des Landes ihren Beschäftigten zahlen müssen, will der Senat beschließen. Justizsenatorin Lena Kreck (Linke) legt bis Ende März Eckpunkte eines neuen Opferschutzgesetzes vor. In der Gesundheitsverwaltung will Senatorin Ulrike Gote (Grüne) im Neuköllner Rollberg-Kiez das erste integrierte Stadtteil-Gesundheitszentrum eröffnen. Die bisherige Anti-Corona-Politik wird sie einer Revision unterziehen.

Lob für gutes Klima im neuen Senat

Als inoffizielles Motto der Senatsklausur gefiel den Mitgliedern des neuen Berliner Senats ein Song-Titel der Popband Tocotronic: „Harmonie ist Strategie“. Und so vermieden es Giffey und ihre Vizes Jarasch und Lederer bei der Abschluss-Pressekonferenz im ehemaligen Kuhstall des Gutes alles, was nach Differenzen hätte aussehen können. Giffey betonte das „gute Klima“ im neuen Senatsteam. Der Erfolg der Regierung hänge davon ab, wie erfolgreich jedes Senatsmitglied sein könne. Das gelinge nur, „wenn wir uns gegenseitig unterstützen“, so Giffey. Auch Lederer, neben Bausenator Andreas Geisel (SPD) der einzige „alte Hase“ in der neuen Landesregierung, lobte die gute Stimmung. Man sei sich einig, dass viele Vorhaben nur gelingen könnten, wenn man über die Ressortgrenzen hinweg vertrauensvoll zusammenarbeite.

Dass die Senatorinnen und Senatoren sich während ihrer Klausur ohne Masken auf Gruppenfotos zeigten, hatte Kritik ausgelöst. Aber die Teilnehmer seien alle vorab PDR-getestet, hieß es. Klaus Lederer verteidigte das Treffen: „Es ist zwingend, dass eine Landesregierung sich auch mal physisch trifft und miteinander spricht.“ Aus den Klausurbeschlüssen will der Senat am Dienstag die Grundsätze der Regierungsarbeit beschließen. Bei der nächsten Abgeordnetenhaus-Sitzung am 27. Januar will Giffey eine Regierungserklärung abgeben.

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