Aktion

Autofreier Tag: Kostenlos mit Bus und Bahn quer durch Berlin

| Lesedauer: 6 Minuten
Julia Lehmann
Eine U-Bahn der Linie U1 fährt auf der Oberbaumbrücke über die Spree.

Eine U-Bahn der Linie U1 fährt auf der Oberbaumbrücke über die Spree.

Foto: Wolfgang Kumm/dpa

Am autofreien Tag steht Berlinern wie Gästen der ÖPNV kostenfrei zur Verfügung. Außerdem werden Straßen zu Spielstraßen.

Berlin. Wie viele andere Metropolen muss auch Berlin umdenken, um die Verkehrswende zu schaffen und die Folgen des Klimawandels abzumildern. Um mehr Menschen weg vom eigenen Auto hin zur Fahrt mit Bus oder Bahn zu bewegen, beteiligt sich Berlin am autofreien Tag erstmalig mit einem Gratisangebot. Das gesamte Angebot des ÖPNV kann am Mittwoch, den 22. September, 24 Stunden lang, von Mitternacht bis Mitternacht, kostenlos genutzt werden. Auch Fahrräder können kostenlos mitgenommen werden. Der autofreie Tag wird so auch zu einem fahrscheinlosen Tag. Nur für Fahrten nach Brandenburg ist ein Fahrschein Berlin BC oder ABC nötig.

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) werden jedoch keine zusätzlichen Busse oder U-Bahnen einsetzen. „Wir fahren nach dem normalen Fahrplan“, sagt BVG-Pressesprecherin Petra Nelken auf Nachfrage. „Das reicht aus.“ Derzeit habe man coronabedingt eh nur eine 80-prozentige Auslastung. Im Einsatz seien aber so viele Busse und Bahnen, als sei man voll ausgelastet.

Autofreier Tag in Berlin: Auch Touristen dürfen am Mittwoch kostenlos fahren

Mit einem übermäßigen Ansturm auf die öffentlichen Verkehrsmittel rechnet man bei der BVG also nicht. Das hat laut Petra Nelken mit Folgeerscheinungen der Pandemie zu tun. „Viele Berlinerinnen und Berliner sind noch immer im Homeoffice und nutzen unser Angebot weniger.“

Wie viele Menschen den ÖPNV nutzen, hänge immer auch stark vom Wetter ab, sagt Nelken. „Bei Dauerregen lassen viele das Fahrrad stehen und nutzen Bus oder Bahn.“ Zudem seien im Vergleich zur Vor-Corona-Zeit weit weniger Touristen in der Stadt. Kostenlos fahren können aber auch sie. Den Verlust durch die fehlenden Fahrkartenverkäufe beziffert die BVG auf 500.000 Euro. Das Land trägt diese Kosten und rechnet insgesamt mit 700.000 Euro.

Alle Bezirke beteiligen sich am autofreien Tag mit Spielstraßen

Am autofreien Tag werden mindestens 35 temporäre Spielstraßen eingerichtet. In der Zeit von 15 bis 19 Uhr sind diese dann für den Autoverkehr gesperrt. Anwohner können den freien Platz eigenständig bespielen. Alle Straßenabschnitte befinden sich in Nebenstraßen und sind über das gesamte Stadtgebiet verteilt. Alle Bezirke beteiligen sich daran.

Diese Straßen werden am 22. September zwischen 15 und 19 Uhr zu Spielstraßen genutzt:

Charlottenburg-Wilmersdorf

  • Babelsberger Straße, Haus Nr. 9 bis Nr. 14
  • Rüdesheimer Straße, zwischen Wiesbadener- und Laubenheimer Straße
  • Sigmaringer Straße, zwischen Gasteiner- und Wegenerstraße
  • Windscheidstraße, zwischen Stuttgarter Platz und Gerviniusstraße

Friedrichshain-Kreuzberg

  • Böckhstraße (14-18 Uhr), zwischen Grimm- und Graefestraße
  • Kinzigstraße, zwischen Weser- und Scharnweberstraße
  • Simplonstraße (15.30 – 18.30 Uhr), zwischen Helmerding- und Matkowskystraße
  • Wrangelstraße, zwischen Oppelner- und Sorauer Straße

Lichtenberg

  • Wönnichstraße, Ecke Münsterlandplatz

Marzahn-Hellersdorf

  • Maxie-Wander-Straße, zwischen Carola-Neher-Straße und Auerbacher Ring
  • Kastanienallee, vor Kinderforschungszentrum Hellenum
  • Friesacker Straße, zwischen Strauß- und Lortzingstraße

Mitte

  • Biesentaler Straße (16-21 Uhr), Haus Nr. 6a bis Wriezener Straße
  • Große Hamburger Straße, Haus Nr. 20 bis Krausnickstraße
  • Plantagenstraße, Haus Nr. 17 bis Antonstraße
  • Pohlstraße, Haus Nr. 75 bis Kluckstraße

Neukölln

  • Anzengruberstraße, zwischen Donaustraße und Sonnenallee
  • Neckarstraße
  • Kienitzer Straße, zwischen Karl-Marx- und Bornsdorfer Straße
  • Sanderstraße, zwischen Hobrecht- und Friedelstraße

Pankow

  • Bötzowstraße, zwischen John-Schehr- und Danziger Straße
  • Gneiststraße, zwischen Greifenhagener Straße und Schönhauser Allee
  • Göhrener Straße
  • Jacobsohnstraße, Haus Nr. 1 bis Nr. 17
  • Tassostraße, zwischen Pistorius- und Charlottenburger Straße

Reinickendorf

  • Kamekestraße, zwischen Herbst- und Hoppestraße
  • Tornower Weg, zwischen Birkenwerderstraße und Dannenwalder Weg

Spandau

  • Lutherstraße, am Lutherplatz

Steglitz-Zehlendorf

  • Sprungschanzenweg, Haus Nr. 1 bis Nr. 51

Tempelhof-Schöneberg

  • Barbarossastraße, zwischen Goltz- und Karl-Schrader-Straße
  • Grimmstraße (Lichtenrade), zwischen Halker Zeile und Schillerstraße
  • Skarbina- Ecke Nahariyastraße in Lichtenrade
  • Motzstraße, zwischen Kalckreuther- und Eisenacher Straße
  • Niedstraße, zwischen Lauter- und Handjerystraße
  • Steinmetzstraße, zwischen Bülow- und Alvenslebenstraße

Treptow-Köpenick

  • Krüllsstraße, zwischen Schmollerplatz und Karl-Kunger-Straße

Autofreie Friedrichstraße: Luftqualität hat sich verbessert

Welchen Einfluss der Ausschluss des motorisierten Verkehrs auf das Stadtklima hat, zeigt das Beispiel Friedrichstraße. Seit August 2020 ist dort der Abschnitt zwischen Leipziger und Französischer Straße für Fahrzeuge gesperrt. Fahrradfahrern wurde eine großzügige Radspur angelegt, Fußgänger finden Platz zum Flanieren. Erste Analysen haben gezeigt, dass sich die Luftqualität in der Friedrichstraße seither deutlich verbessert hat. Nicht alle Gewerbetreibenden in der Straße sind jedoch von dem Erfolg überzeugt. Einige klagen über Umsatzeinbußen.

Initiativen wollen dem motorisierten Verkehr in Berlin Einhalt gebieten

In Berlin regen sich private Initiativen, um dem motorisierten Verkehr Einhalt zu gebieten. Am Freitag gehen zum weltweiten Klimastreik Aktivisten auf die Straße, um gegen den Ausbau der A100 im Osten Berlins zu demonstrieren. Der Fahrrad-Korso, der um 10 Uhr beginnt, soll unter dem Motto „A100 stoppen – Für ein lebenswertes Berlin!“ unter anderem über ein Stück der Autobahn führen.

Organisiert wird der Protest vom Netzwerk #A100 stoppen. Die Aktivisten wollen die Verlängerung der Stadtautobahn bis zum Treptower Park, den 16. Bauabschnitt, sowie die Fortführung bis zur Storkower Straße verhindern. Sie verweisen dabei auf die Klimakrise und fordern stattdessen, mehr Fahrradwege anzulegen.

„Volksentscheid Berlin autofrei“ will den Verkehr im S-Bahnring reduzieren

Von einer riesigen autoreduzierten Zone träumt die Initiative „Volksentscheid Berlin autofrei“. Anfang August reichte die Initiative 50.000 Unterschriften ein und erreichte somit die notwendige Mindestzahl von 20.000 Unterzeichnern für ein Volksbegehren. Der Gesetzesvorschlag der Initiative sieht vor, den Verkehr im Inneren des S-Bahnrings stark zu reduzieren, maximal zwölf private Autofahrten im Jahr sollen gestattet sein.

Autofreie Tage gibt es bereits seit 1973. Damals war sogar ein deutschlandweites Fahrverbot als Reaktion auf die stark gestiegenen Treibstoff- und Ölpreise erlassen worden. Von einem Verbot kann heute nicht die Rede sein. Berlin möchte seinen Bewohnern – verbunden mit dem Aspekt des Klimaschutzes – viel mehr Möglichkeiten aufzeigen, wie der vorhandene Platz genutzt werden kann, wenn er nicht durch Fahrzeuge verstellt ist.

( cl )