Berlin. Nach dem 26. September wird es viele neue Gesichter im Bundestag und im Berliner Abgeordnetenhaus geben. Die Morgenpost stellt sie vor.

Nach der Wahl am 26. September wird das Berliner Abgeordnetenhaus deutlich jünger aussehen als bislang. Die Parteien haben zahlreiche Nachwuchspolitiker auf aussichtsreiche Plätze nominiert. Die nächste Generation an Politikern drängt in die Parlamente und wird auch die Politik verändern.

Die Berliner Morgenpost stellt die aussichtsreichsten Kandidaten der Parteien für das Abgeordnetenhaus und den Bundestag vor. Eine Ausnahme stellt die AfD dar, die keine jungen Kandidaten auf vordere Plätze gesetzt hat. Die Satzung der Partei fordert Berufserfahrung von den kommenden Abgeordneten, deshalb sei kein Kandidat jünger als 30 Jahre, heißt es dazu aus dem Landesverband.

Klara Schedlich (21), Grüne, Reinickendorf

Klara Schedlich möchte die Verkehrswende beschleunigen und ist bei den Grünen eine treibende Kraft.
Klara Schedlich möchte die Verkehrswende beschleunigen und ist bei den Grünen eine treibende Kraft. © Reto Klar

Klara Schedlich ist mit 21 Jahren die jüngste Kandidatin für das Abgeordnetenhaus und mit Platz 7 auf der Landesliste ist sie in den kommenden fünf Jahren auch sicher dabei. Das Tempo scheint ein Wesenszug der Reinickendorferin zu sein. Schon während der Schulzeit überlegte sie sich, sich politisch zu engagieren. Daher studierte sie die Programme der verschiedenen Nachwuchs-Organisationen und entschied sich dann für die Grüne Jugend.

Doch zu ihrem Erstaunen gab es in Reinickendorf keine eigene Jugendorganisation der Partei, also gründete sie die Grüne Jugend Reinickendorf und Pankow. Mittlerweile verzeichnet die Organisation 80 Mitglieder. Vor einem Jahr übernahm sie gleichzeitig den Kreisvorsitz der Grünen in ihrem Bezirk, ab dem Herbst wird sie nun auch Abgeordnete im Landesparlament sein und für die grüne Sache streiten.

Im eher bürgerlichen Reinickendorf beginne sich etwas zu verändern, stellt Schedlich fest. Immer mehr junge Leute würden sich engagieren, um den Bezirk nach vorn zu bringen. Schedlich sieht sich als Teil dieses Wandels. Aber nicht nur Junge würden sich melden. Ihre Großmutter konnte sie auch schon überzeugen, ebenfalls den Grünen beizutreten. „Hauptberuflich“ studiert Schedlich im sechsten Semester Maschinenbau an der Technischen Universität. Entsprechend möchte sie sich im Abgeordnetenhaus für die Verkehrswende einsetzen. „Da ist in der Vergangenheit viel kaputtgespart worden“, sagt sie. In den vergangenen Jahren sei einiges angeschoben worden. „Aber wir hätten uns viel mehr gewünscht.“ Sie wisse aber auch, dass der Ausbau des öffentlichen Nahverkehrs langwierig sei.

Aber auch die Bildungspolitik interessiert Schedlich. Ihr Unmut als Schülerin über das Bildungssystem hat sie überhaupt erst dazu gebracht, sich politisch zu engagieren. Hin zur Gemeinschaftsschule, weg vom starren Notensystem nach Ziffern, so lauten ihre Überzeugungen.

Schedlich gehört jener Generation der jungen Grünen an, denen die alten Flügelkämpfe der Partei zwischen Fundis und Realos fremd sind. „Die beste Politik ist die, die alle Perspektiven berücksichtigt“, sagt sie. Wie in ihrem bisherigen Lebensweg setzt sie sich für eine zielstrebige und vernünftige Politik ein. Parteipolitische Grabenkämpfe sind ihr fremd.

Schon jetzt bereitet sich Schedlich auf die Arbeit im Abgeordnetenhaus vor. June Tomiak, die bislang einzige grüne Abgeordnete unter 30 Jahren im Parlament, unterstützt sie und gibt Tipps. Bei einigen Ausschusssitzungen ist Schedlich schon als Zuschauerin dabei, um die Atmosphäre kennenzulernen.

Die Kritik, als jungem Menschen fehle ihr die Lebenserfahrung, um im Parlament etwas bewirken zu können, weist Schedlich zurück. „Wenn das Parlament ein Spiegel der Gesellschaft darstellen soll, dann gehören junge Menschen da rein“, sagt sie. Die vermeintlich fürsorgliche Politik der Älteren spiegele nicht die Forderungen und Wünsche der Jungen wider – wie die weltweiten Proteste der Klima- und Umweltschutz-Aktivisten der jüngsten Zeit zeigten.

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Roman-Francesco Rogat (31), FDP, Marzahn-Hellersdorf

Roman Rogat wuchs im Plattenbau auf und will nicht nur mit seiner Biografie FDP-Klischees widerlegen.
Roman Rogat wuchs im Plattenbau auf und will nicht nur mit seiner Biografie FDP-Klischees widerlegen. © Reto Klar

„Ich bin mit der Einstellung erzogen worden: Wenn du was schaffen willst, musst du ranklotzen und immer hart für dein Ziel arbeiten“, sagt Roman-Francesco Rogat. Der gebürtige Ost-Berliner ist 31 Jahre alt und hat eigentlich eine lupenreine Sozialdemokraten-Biografie: Großgeworden im Plattenbau, Kosmosviertel. Aufgewachsen bei seiner alleinerziehenden Mutter, einer Verkäuferin. In den Sommerferien auf der Baustelle gearbeitet, um sich Schulausflüge leisten zu können. Und dann, Überraschung: Mit Anfang 20 trat er in die FDP ein.

FDP! Ist das nicht, mit Verlaub, die Partei der Zahnärzte und Rechtsanwälte, der Bonzen und Besserverdiener? „Nein, nein, das ist eines der schlimmsten Klischees, mit denen wir zu kämpfen haben“, hält Rogat dagegen. Er sieht die FDP völlig anders. Nämlich als Partei, die die freie Entfaltung des Einzelnen im Blick hat. „Wir sind diejenigen, die wollen, dass jeder einen Aufstieg durch Leistung schaffen kann. Dass es sich für jeden lohnt, zu arbeiten“, sagt er. „Und dass jeder sagen kann: Ich will möglichst viel von meiner Arbeit haben, will mir davon ein neues Auto leisten oder in Urlaub fliegen können.“

Seit 2012 ist der junge Mann mit dem klangvollen Namen – seine Mutter habe in seinem Geburtsjahr 1989 kurz vor der Wiedervereinigung eine extreme Italiensehnsucht verspürt – Mitglied der Liberalen. „Für mich stand die FDP schon immer für Freiheit“, sagt Roman-Francesco Rogat voller Überzeugung. „Einfach mal losgehen und Sachen selber machen, ohne große Beschränkungen“, das ist seine Devise. Was ihm wichtig ist: Er möchte „ein freiheitliches Lebensgefühl“ nach Berlin bringen. „Daher hoffe ich, dass wir Verantwortung bekommen und mitregieren können.“ Ob das klappt, ist fraglich, aber auf Listenplatz 1 der FDP in Marzahn-Hellersdorf sieht er für sich durchaus gute Chancen, ins Berliner Abgeordnetenhaus zu kommen.

Als Büroleiter der FDP-Haushaltspolitikerin Sibylle Meister hat er einen Vollzeitjob und managt daneben seinen eigenen Wahlkampf – via Instagram oder Twitter kann jeder mit ihm Kontakt aufnehmen. Alles, was mit Digitalisierung zu tun hat, interessiert den ausgebildeten IT-Systemkaufmann sehr. Die Corona-Pandemie habe offengelegt, wie viel es in diesem Bereich zu tun, zu modernisieren gebe, merkt er an. Die „Riesenbaustelle“, die es diesbezüglich in der Berliner Verwaltung gebe, würde er gerne aufräumen.

Nach der Ausbildung hat er sich immer tiefer in die Politik begeben, war Vorsitzender der Jungen Liberalen in Berlin und gehört zum Landesvorstand der Berliner FDP. Als prägende Köpfe nennt er Guido Westerwelle mit seinem Aufbruchsgeist, aber auch Barack Obama mit seinem beeindruckenden Wahlkampf, der so viel Mut und Zuversicht versprühte. Immer positiv denken, das ist auch Rogats Credo. Seine Mutter und Oma seien „eher unpolitisch“ – und durchaus skeptisch, ob Politiker überhaupt ein erstrebenswerter Beruf sei. „Meine Oma fragt mich immer: Junge, macht es dir Spaß? Und kannst du dir mittags etwas zu essen kaufen?“, sagt Rogat und lacht. Da er diese Fragen aber jedes Mal glaubhaft bejaht, steht die Familie voll und ganz hinter ihm.

Niklas Schenker (27), Linke, Charlottenburg-Wilmersdorf

Niklas Schenker von der Linken machte im Alter von 13 Jahren erste Erfahrungen mit Politik.
Niklas Schenker von der Linken machte im Alter von 13 Jahren erste Erfahrungen mit Politik. © eto Klar

Mit seinen 27 Jahren ist Niklas Schenker schon ein alter Polit-Hase. Bereits mit 13 Jahren zog er als Sechstklässler in das Jugendparlament in Charlottenburg-Wilmersdorf ein. Seitdem ist er politisch aktiv. Zunächst auf Demonstrationen, der NSU-Skandal um das jahrelang unerkannt operierende Nazi-Terror-Trio, das für zehn Morde verantwortlich ist, habe ihn dann vollkommen politisiert. 2013 trat er der Linken bei. „Ich wollte in eine Partei, die klar antifaschistisch ist und ein klares sozialpolitisches Profil hat“, sagt Schenker.

Ein halbes Jahr habe er es zuvor bei den Jusos versucht, aber die Bräsigkeit der SPD nach der langen Regierungszeit in Berlin schreckte ihn ab. Die Grünen waren auch keine Option, weil sie vor allem Politik für Besserverdienende machten. Seitdem engagiert er sich bei den Linken in seinem Heimatbezirk Charlottenburg-Wilmersdorf.

Schenker ist der jüngste aussichtsreiche Kandidat auf der Liste für das Abgeordnetenhaus. Platz 20 müsste für den Einzug in das Berliner Landesparlament reichen. Ganz sicher kann er sich aber nicht sein. Das wird sich erst am Wahlabend herausstellen – und könnte auch davon abhängen, ob die Linke wieder mitregiert und einige Fraktionsmitglieder in den Senat wechseln. Dass er seinen Wahlkreis rund um den Klausenerplatz in Charlottenburg gewinnt, ist ausgeschlossen.

Im Parlament will sich der Politikwissenschaftler um das Thema Wohnen kümmern. „Das ist mein Leidenschaftsthema und das entscheidende Thema für Berlin“, sagt Schenker. Schon jetzt ist er Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Wohnen und ist vom Fach. In seiner Master-Arbeit hat er sich mit dem Zustandekommen des mittlerweile gescheiterten Berliner Mietendeckels beschäftigt.

Künftig komme es darauf an, sich noch enger mit der Stadtgesellschaft, den vielen Initiativen und den Mietern zu vernetzen, ist sich Schenker sicher. „Das klassische von oben nach unten Regieren funktioniert nicht mehr“, sagt Schenker. Deswegen erwartet er auch mit Spannung das Ergebnis des Volksentscheids zur Enteignung von großen Immobilienkonzernen. „Sollte es eine Mehrheit dafür geben, könne keine künftige Landesregierung das nicht ignorieren. „Die Linke wird nur in eine Regierungskoalition eintreten, wenn eine Offenheit dafür vorhanden ist“, ist sich Schenker sicher.

Ein weiteres Thema, das ihn umtreibt, ist der Ausgleich zwischen Innenstadt und Außenbezirken. Wenn die Infrastruktur, der ÖPNV und die Gesundheitsversorgung in den Außenbezirken verbessert werde, würde auch der Druck auf die Innenstadt abnehmen, sagt der Nachwuchs-Politiker.

Schenker steht für eine neue Generation an Linken-Politikern, die nicht mehr in die alten Schemata passen: die pragmatischen Ost-Berliner hier und die verrückten West-Berliner dort. „Ich muss mich am Wahlstand zwar auch für die DDR rechtfertigen, aber das spielt immer weniger eine Rolle“, sagt Schenker, der drei Jahre nach der Wiedervereinigung geboren wurde.

Annka Esser (23), Grüne, Treptow-Köpenick

Annka Esser will für die Grünen in den Bundestag und stammt aus der Klima-Bewegung.
Annka Esser will für die Grünen in den Bundestag und stammt aus der Klima-Bewegung. © Reto Klar

Klar ist der Sprung in den Bundestag für eine 23-Jährige enorm. Aber Annka Esser hat davor keine Angst. „Ich bin seit acht Jahren in der Partei aktiv, ich weiß schon, was ich umsetzen will“, sagt Esser, die als Spitzenkandidatin der Grünen Jugend für den Bundestag kandidiert. Wenn es bei den aktuellen Umfragewerten bleibt, hat Esser gute Chancen tatsächlich für die Berliner Grünen in den Bundestag einzuziehen.

Ihre Themen sind die Energie-, Klima- und Netzpolitik. Dass ihre Partei sie trotz ihres jungen Alters aufgestellt hat, findet sie gut. „Ich finde richtig, nicht zu sagen, man muss sich erst Jahrzehnte hocharbeiten“, sagt Esser. Und wenn es um den Klimaschutz gehe, dann sei der Bundestag der richtige Platz. „Wir müssen endlich eine Politik machen, die eine lebenswerte Zukunft ermöglicht“, sagt sie. Junge Menschen seien dabei häufig engagierter, weil es um ihre eigene Zukunft gehe.

Annka Esser gehört zu einer neuen Generation von Grünen-Politikerinnen, die aus der Szene der Klima- und Umweltbewegung stammen. Gleich mehrere Fridays-for-Future-Aktivisten kandidieren für den Bundestag. Nach einem Jahr intensiven Demonstrationen und Forderungen habe sich gezeigt, dass davon nur wenig umgesetzt werde. Deswegen streben die jungen Menschen nun in die Parlamente, um dort den Wandel zu beschleunigen.

Nicht alle bei den Grünen sind über diese Entwicklung froh. Es bestehen auch Befürchtungen, dass sich dadurch die Schwerpunkte der Arbeit in Abgeordnetenhaus und Bundestag verschieben könnten. Ziele und Forderungen aus den Bewegungen in die Partei zu tragen sei das Eine, die konkrete politisch Umsetzung das Andere. Gerade beim Kernthema der Grünen, Klima- und Umweltschutz, drohe so, Sachverstand verloren zu gehen.

Esser lässt das nur zum Teil gelten. „Dass die Grüne Jugend so viele Kandidatinnen und Kandidaten auf aussichtsreiche Plätze bekommen hat, ist das Ergebnis von Organisation und Strategie“, sagt sie selbstbewusst. „Es war unser Ziel, auf allen Ebenen Leute in die Parlamente zu bekommen.“ Das sei das Ergebnis jahrelanger strategischer Arbeit der Nachwuchsorganisation. „Wir sind stolz auf uns.“ Wenn die Grünen bei der Bundestagswahl knapp 20 Prozent der Stimmen erhalten, ziehen aus jedem Bundesland Politiker aus der Nachwuchsorganisation in den Bundestag. Das zeigt aus Sicht der Nachwuchspolitikerin, dass junge Leute auch ohne jahrelange Berufserfahrung erfolgreich Politik betreiben können.

Lehrgeld musste Esser für ihr Engagement auch schon zahlen. Nachdem Aktivisten der Anti-Kohle-Bewegung im Bericht des Verfassungsschutzes auftauchten, fragte sie, ob dann nicht auch Mitglieder der Grünen Jugend und des BUND dort auftauchen müssten – und erntete öffentlich Kritik. „Ich habe daraus gelernt, keine Bilder mehr zu posten, die missverstanden werden können.“

Björn Wohlert (33), CDU, Reinickendorf

Björn Wohlert brachten die Anschläge vom 11. September zur Politik und schließlich in die CDU.
Björn Wohlert brachten die Anschläge vom 11. September zur Politik und schließlich in die CDU. © Reto Klar

Mit 33 Jahren steht Björn Wohlert an der Schwelle zur professionellen Politik. Er will als Direktkandidat der CDU in Reinickendorf ins Abgeordnetenhaus von Berlin. In seinem Wahlkreis Wittenau, Tegel, Waidmannslust und Borsigwalde wohnt er von Geburt an. Wie wird man ein junger Konservativer in einer seit vielen Jahren sozialdemokratisch regierten Stadt – und was möchte er erreichen? Der Weg des Reinickendorfers in die Politik begann mit einem Verbrechen im Jahr 2001, das weniger mit Berlin zu tun hatte, sondern die ganze Welt erschütterte: die Terroranschläge der Al-Quaida am 11. September.

„Ein unfassbares Ereignis“, erinnert sich Wohlert, der damals 13 Jahre alt war. Mit einem Schlag war sein Interesse für sicherheits- und innenpolitische Fragen geweckt. Bis heute sind ihm diese Themen wichtig. Ein Anliegen ist es ihm, zu verhindern, dass Menschen sich unsicher fühlen. In der Anfangszeit schwankte er noch, ob er wirklich bei den Christdemokraten seine politische Heimat verorten sollte – oder doch eher bei der FDP. „Den Ausschlag hat dann aber die Innenpolitik der CDU gegeben“, sagt Wohlert. „Es war eine Abwägung zwischen Sicherheit und Freiheit.“ Ihn störte etwa die ablehnende Haltung der FDP bei der Frage nach mehr Videoüberwachung im öffentlichen Raum. Mit 17 trat er in die Union ein. Zurzeit studiert der 33-Jährige an der Fernuni Hagen Politik- und Verwaltungswissenschaft im Abschlusssemester.

Einige Stationen hat er schon durchlaufen und sitzt seit 2016 in der Bezirksverordnetenversammlung (BVV). Er ist seit 2015 Ortsvorsitzender der CDU Wittenau, Kreisschatzmeister der CDU Reinickendorf, Mitglied des Landesvorstandes der CDU Berlin, arbeitet aktuell als Referent für Online-Kommunikation der CDU Berlin und ist in der BVV Sprecher der Ausschüsse Integration und Sozialraumorientierung. Die Arbeit im Bezirksparlament mache ihm jede Menge Spaß, „aber ich will noch mehr machen.“ Soll heißen, er möchte auf höherer Ebene tätig sein. „Im Abgeordnetenhaus“, begründet er, „hat man einfach noch mal andere Instrumente und mehr Einfluss, um etwas für die Menschen zu erreichen.“ Im Wahlkampf möchte er nun mit möglichst vielen Menschen in vertrauensvolle Gespräche kommen und über ihre Probleme reden. Die gibt es vor Ort genug, das weiß Wohlert aus seiner Erfahrung als Bezirksverordneter. Zum Beispiel die zunehmende Vermüllung auf Straßen, Plätzen, in Grünflächen. Das würde er gerne anders regeln und hat dazu einige Ideen – wie zum Beispiel ein ganz neues Amt, das sich ausschließlich um den Müll in der Stadt kümmert. Wer jungen Politiker live erleben will, kann mit ihm übrigens ziemlich unkompliziert ein Date ausmachen – das geht über seine Homepage (www.fragwohlert.berlin). Dort kann man ein Zeitfenster auswählen und sich mit dem 33-Jährigen verabreden, sei es zum Spaziergang, zum Essengehen im Lieblingsrestaurant oder zum Online-Meeting.

Und ja, räumt er abschließend ein: Das Berliner Abgeordnetenhaus mit seinem ehrwürdigen Saal und der hohen Öffentlichkeit wäre für ihn „ein krasser, großer, neuer Schritt“, vor dem er Respekt habe. Trotzdem brennt er darauf, sich dort einarbeiten zu können. Kurz gesagt: „Ich habe richtig Bock!“

Ana-Maria Trasnea (27), SPD, Treptow-Köpenick

Ana-Maria Trasnea von der SPD mühte sich mit der deutschen Sprache und wurde Klassenbeste.
Ana-Maria Trasnea von der SPD mühte sich mit der deutschen Sprache und wurde Klassenbeste. © Reto Klar

Von der Migrantin zur Bezirksverordneten zur Bundestagskandidatin: Ana-Maria Trasnea wurde 1994 in Rumänien geboren, 2007 zog sie als Dreizehnjährige mit ihrer Mutter nach Treptow-Köpenick, sprach kaum Deutsch und war in der siebten Klasse „die einzige Ausländerin“, wie sie erinnert. Doch die junge Rumänin lernte unglaublich schnell. „Während die anderen ihre Hausaufgaben gemacht oder Tests geschrieben haben, stand ich immer noch mit meinem kleinen Wörterbuch da und habe einzelne Sachen nachgeschaut“, sagt sie. „Bei mir war ein starker Ehrgeiz geweckt. Später wurde ich Klassenbeste. Meine Lehrkräfte waren total baff“, sagt sie heute.

2013 bestand sie mit einem Einser-Schnitt ihr Abitur und trat dann auch in die SPD ein. Ihr gesellschaftspolitisches Engagement begann aber schon in der Schulzeit – sie stellte etwa als stellvertretende Schulsprecherin Aktionen gegen Rassismus auf die Beine und organisierte Jugendaustauschprogramme. „Ich wollte meine Schule besser machen. Eine Kultur der Offenheit war mir wichtig, gegen Diskriminierung, gegen Ausgrenzung.“ Dafür bekam sie 2012 den Mädchenpreis des Bezirks Treptow-Köpenick. Mittlerweile macht sie ihren Master im Fach European Studies an der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt/Oder – und brennt für Politik.

Trasnea wurde im April 2021 auf dem sechsten Listenplatz nominiert und ist damit die erste Kandidatin auf der SPD Liste, die aus Ost-Berlin kommt. In der Abstimmung war es knapp, ein Listenplatz weiter vorne war in greifbarer Nähe. Schade für sie, aber sie sagt grundsätzlich: „Ich trete an, weil es eine Chance gibt, zu gewinnen.“ Und sie hat noch viel vor. „Ich möchte mich immer weiterentwickeln.“ Auf ihrer Homepage formuliert sie, an interessierte Leserinnen und Leser gerichtet: „Schau dich auf meiner Seite um, schauen wir gemeinsam nach vorne.“ Sie selber sagt über sich: „Eine meiner Stärken ist, dass ich gerne eine Macherin bin! Und das zeige ich den Menschen. Ich halte ungern lange Vorträge.“

Mit Menschen ins Gespräch kommt sie aber schnell und liebe es, Kontakte zu knüpfen, sagt sie. „Ich habe total Spaß daran, zu wissen, was die Menschen bewegt. Das ist eine Bereicherung für mich“, so die Jung-Politikerin. Gerne möchte sie „die Potenziale im Südosten ausbauen und meinen Bezirk bestmöglich vertreten“, also ihre Heimat Treptow-Köpenick.

Und besonders setzt sie sich für Frauen ein. „Als Frau muss man immer 120 Prozent geben und wird oft strategisch niedergemacht und als hysterisch oder zu emotional abgekanzelt“, ist ihre Meinung. „Ich möchte Frauen fördern und bestärken.“ Denn auch sie musste sich als junge Migrantin durchkämpfen. „Und jetzt erfülle ich mir meinen Traum.“