Pfingstwochenende

Gericht bestätigt Verbot der "Querdenker"-Demos in Berlin

| Lesedauer: 7 Minuten
Bei einer Demonstration von Corona-Leugnern am 18. November 2020 setzte die Berliner Polizei erstmals seit sieben Jahren wieder Wasserwerfer ein.

Bei einer Demonstration von Corona-Leugnern am 18. November 2020 setzte die Berliner Polizei erstmals seit sieben Jahren wieder Wasserwerfer ein.

Foto: Paul Zinken / dpa

In Berlin sind insgesamt elf Demonstrationen am Wochenende verboten worden. Das Oberverwaltungsgericht sprach nun das letzte Wort.

Berlin. Zwei geplante große Demonstrationen von Gegnern der Corona-Politik am Pfingstwochenende in Berlin bleiben verboten. Nach dem Verwaltungsgericht hat auch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg am Freitagabend das Verbot bestätigt. Die negativen Erfahrungen aus der jüngsten Vergangenheit mit dem zu erwartenden Teilnehmerkreis aus der „Querdenker-Szene“, rechtfertige die Annahme, dass gerade an den prominenten Orten der Stadt die notwendigen Hygienemaßnahmen nicht eingehalten würden, so das Oberverwaltungsgericht. Die Beschlüsse sind unanfechtbar.

Bei einem für den Sonnabendnachmittag angemeldeten pro-palästinensischen Protestmarsch sei das jedoch nicht der einzige Grund. "Hier traten zu den prognostizierten Verstößen gegen die Infektionsschutzverordnung auch die Störung des öffentlichen Friedens, zum Beispiel durch das Rufen volksverhetzender und antisemitischer Parolen, als Verbotsbegründung hinzu", heißt es von der Polizei.

3000 Polizisten stadtweit an Pfingsten im Einsatz

Die wird über das Pfingstwochenende laut eines Sprechers mit täglich 3000 Kräften stadtweit im Einsatz sein. "Wir werden die Lage im Auge behalten, insbesondere was die Mobilisierung betrifft. Sollten die Verbote Bestand haben, werden wir dafür sorgen, dass sich auch nicht versammelt wird."

Für insgesamt vier Verbote trifft das erst einmal zu. Zwei Eilanträge gegen die Verbote von "Querdenker"-Protesten wies das Berliner Verwaltungsgericht am Freitag ab. "Die Anträge der Anmelder gegen die Verbotsverfügung der Berliner Polizei wurden abgelehnt", bestätigte ein Sprecher der Berliner Morgenpost.

Ein Antrag bezog sich auf die beiden Demos mit 16.000 angemeldeten Teilnehmern. Die Organisatoren kündigten nach dem Urteil auf Twitter an, sich an die nächsthöhere Instanz, das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg, zu wenden. Ein anderer Antrag bezog sich auf zwei kleinere Proteste am Montag am Potsdamer Platz und am Alexanderplatz. Das Gericht sei der Gefahrenprognose der Polizei gefolgt, dass bei den Demonstrationen mit Verstößen gegen die Corona-Abstandsregeln zu rechnen sei.

Kein Antrag gegen Verbot pro-palästinensischer Demonstration

Gegen das Verbot der pro-palästinensischen Demonstration lag laut dem Gerichtssprecher bis Freitagmittag kein Antrag vor.

Die 1. Kammer habe bestätigt, „dass die Versammlungen wegen einer unmittelbaren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit verboten werden durften“. Mit der beabsichtigten Durchführung der Versammlungen würden unmittelbare Gefahren für die Grundrechte Dritter auf Leben und körperliche Unversehrtheit einhergehen. Diese Rechtsgüter seien gefährdet, weil die Teilnehmer „nach der plausiblen Gefahrenprognose des Antragsgegners die zur Vermeidung von Infektionen auch im Freien einzuhaltenden Mindestabstände voraussichtlich nicht beachten werden“. Ausschlaggebend für diese Annahme seien die negativen Erfahrungen mit zahlreichen Versammlungen der Vergangenheit, die jeweils einen vergleichbaren Teilnehmerkreis aus der Querdenker-Szene angesprochen hätten.

Auf ihrer Internetseite betonten die Anmelder, die sich „Pfingsten in Berlin“ nennen, nicht Teil der Querdenker-Szene zu sein. Vor Gericht seien sie dieser Zuordnung „nicht entgegengetreten“, wie es weiter heißt. Daher werde erwartet, dass die Einhaltung des Infektionsschutzes nicht zuverlässig gewährt werden könne. Zur Abwehr von Gefahr sei es daher verhältnismäßig, dass die Versammlungsbehörde ein Verbot der Demonstrationen ausspricht. Auch bei sinkenden Infektionszahlen sei die Gefährdung für die Gesundheit der Bevölkerung weiter als „sehr hoch“ einzuschätzen.

Zwei Proteste der Corona-Verharmloser mit jeweils 16.000 Teilnehmern verboten

Insgesamt wurden am Mittwoch fünf Demonstrationen der Corona-Verharmloser verboten. Bei der einen wollten am Sonnabend 16.000 Menschen über vier Routen zum Großen Stern im Tiergarten ziehen. Die gleiche Anzahl Menschen wollte sich am Sonntag zwischen Brandenburger Tor und Siegessäule bewegen. Am Montag sollen drei weitere kleinere Kundgebungen, zu denen 500 bis 1000 Teilnehmer angemeldet wurden, am Brandenburger Tor, am Potsdamer- und am Alexanderplatz nicht stattfinden dürfen.

Der Bewegungsforscher Simon Teune von der Technischen Universität Berlin glaubt nicht, dass am Wochenende viele Corona-Leugner auf Berlins Straßen zu erwarten sind. „Für den harten Kern macht es zwar keinen Unterschied, ob eine Demonstration verboten ist oder nicht.“ Der sei jedoch zahlenmäßig relativ überschaubar. Wie die Mobilisierung darüber hinaus wirken wird, sei zwar schwer einzuschätzen. Das Verbot werde aber wahrscheinlich viele abschrecken.


Corona in Berlin, Deutschland und der Welt - mehr zum Thema

Staatsrechtler Pestalozza sieht Begründung für Verbot gegeben

Das Versammlungsverbot sei „ein scharfes Schwert“, sagt der Staatsrechtler Christian Pestalozza von der Freien Universität Berlin. Es komme erst dann in Betracht, „wenn mildere Beschränkungen nicht mehr ausreichen“. Dabei könne schon ausreichen, wenn Verstöße gegen die Rechtsordnung im Sinne von massiven Straftaten zu erwarten sind. Im Falle des Verbots der "Querdenker"-Demonstrationen sei die Sachlage jedoch eindeutiger und die Begründung des Verbots eindeutig nachvollziehbar.

„Wer die Pandemieauflagen nicht einhält, gefährdet die körperliche Unversehrtheit und vielleicht sogar das Leben anderer Demonstrationsteilnehmer oder Umstehender“, so der Jurist weiter. Man sei hier im Bereich der Grundrechte, wobei das der Versammlungsfreiheit gegenüber dem auf Leben und körperliche Unversehrtheit sekundär ist. „Es wäre anders, wenn es einzelne Teilnehmer gebe, die sich nicht an Auflagen halten“, so Pestalozza weiter. Dies könne man etwa mit zusätzlichen Ordnern unter Kontrolle halten. „Bei diesen Demonstrationen ist diese Kontrolle aber typischerweise nicht gegeben.“

Pro-palästinensische Demonstration wurde ebenfalls verboten

Auch eine pro-palästinensische Demonstration, die am Sonnabendnachmittag mit 2000 angemeldeten Teilnehmern durch Kreuzberg und Neukölln ziehen will, ist am Donnerstag von der Polizei untersagt worden. „Es gibt zumindest eine Verbotsverfügung der Versammlungsbehörde, auch hier steht dem Anmelder der Rechtsweg offen“, so der Polizeisprecher. „Grund ist auch hier, dass man sich in der Vergangenheit nicht an die Hygienebestimmungen gehalten hat.“

Gemeint ist eine Demonstration am vergangenen Sonnabend durch Neukölln, an der laut Polizei 3500 Menschen teilnahmen. Dort wurden nicht nur antisemitische Parolen gerufen, sondern von vielen Teilnehmern keine Abstände eingehalten und das Tragen einer Maske verweigert. Nachdem die Demonstration nach nur wenigen Minuten auf der Sonnenallee aufgelöst wurde, kam es zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.

Berliner Polizei bekommt Unterstützung auch aus anderen Ländern

Unklar ist, ob sich sowohl die Unterstützer Palästinas, insbesondere aber die Querdenker, die seit Tagen bundesweit dazu aufrufen, nach Berlin zu kommen, von dem Verbot beeindrucken lassen. Im April gingen trotz des Verbots mehrere tausend Menschen auf die Straße.

Die Polizei wird in jedem Fall mit Stand von Donnerstag am Sonnabend und Montag mit 3000 Kräften auch aus anderen Ländern und vom Bund im Einsatz sein. Wie viele es am Sonntag werden, stand bis Donnerstag noch nicht fest. An diesem Tag findet ab zwölf Uhr unter dem Motto „Gegen den Mietenwahnsinn! Jetzt erst recht!“ eine Demonstration mit 10.000 Teilnehmern durch Mitte und Schöneberg statt. „Da gehen wir von einem störungsfreien Verlauf aus“, so der Polizeisprecher weiter.