Berlin. Der Staat darf Straftätern ihr zu Unrecht erlangtes Vermögen auch dann abnehmen, wenn ihre Taten längst verjährt sind. Dies sei „wegen überragender Belange des Gemeinwohls“ ausnahmsweise zulässig, wie das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) in Karlsruhe am Freitag bekannt gab. Damit steht fest, dass ein wichtiger Baustein der 2017 reformierten Vermögensabschöpfung in Kraft bleiben kann. Demnach läuft die Frist für die Einziehung unabhängig von der Verjährungsfrist einer Straftat erst nach 30 Jahren ab.
Das Instrument soll dafür sorgen, dass Straftäter nach Absitzen einer Gefängnisstrafe nicht von den Erträgen ihrer Verbrechen profitieren können. Die Politik erhofft sich davon vor allem Erfolge im Kampf gegen die Organisierte Kriminalität. So wurden 2018 in Berlin und Brandenburg 77 Immobilien vorläufig beschlagnahmt, die einem arabischstämmigen Clan gehören und über kriminell erwirtschaftete Gelder gekauft worden sein sollen. Nach gerichtlichen Entscheidungen steht das Land Berlin bereits bei zwei dieser Immobilien im Grundbuch.
„Kriminelle müssen belegen, wo sie ihr Geld herhaben. Gut so!“
„Das Bundesverfassungsgericht bestätigt uns in unserer Linie der konsequenten Anwendung der Regelungen zur Vermögensabschöpfungen“, sagte Berlins Justizsenator Dirk Behrendt (Grüne). Auch sein Vorgänger, der CDU-Bundestagsabgeordnete Thomas Heilmann, begrüßte die Entscheidung und erklärte, dass dies „ein guter Tag für die Sicherheit und ein schlechter Tag für die Organisierte Kriminalität“ sei. „Kriminelle müssen belegen, wo sie ihr Geld herhaben. Gut so!“
Nach der Reform ist die Abschöpfung auch bei Vermögen aus Straftaten zulässig, die bei Inkrafttreten der Rechtsänderung bereits verjährt waren. Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte diesen Punkt zuvor in einem Fall aus Niedersachsen für verfassungswidrig gehalten und das BVerfG um Klärung gebeten. Konkret ging es um Schwarzarbeit in einen Schlachtbetrieb, bei dem zehn Millionen Euro eingezogen wurden.
Einzug keine Strafe, sondern Beseitigung eines Vorteils
Normalerweise gilt im Strafrecht der Grundsatz, dass niemand rückwirkend für etwas bestraft werden kann, das zum Zeitpunkt der Tat noch nicht verboten war. „Durch die Vermögensabschöpfung soll sowohl dem Straftäter als auch der Rechtsgemeinschaft vor Augen geführt werden, dass eine strafrechtswidrige Vermögensmehrung von der Rechtsordnung nicht anerkannt wird“, heißt es aber in der Entscheidung der Verfassungsrichter.
Dieses Ziel sei „überragend wichtig“. Vermögen würde auch nach Verjähren der Straftat mit dem Makel seiner Herkunft behaftet bleiben. Außerdem sei die Abschöpfung rechtlich keine Strafe, sondern die Beseitigung eines Vorteils, der zu weiteren Taten verlocken könne.
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