Berlin. Das Start-up Enpal vermietet Solaranlagen an Hausbesitzer. Für Kunden ist das vorerst günstiger - doch Verbraucherschützer warnen.
Wenn Jochen Ziervogel an freien Tagen rausfährt aus der Stadt, guckt er sich in den verschiedenen Gegenden gerne die Hausdächer an. Vor allem die darauf verbauten Solaranlagen schaut sich Ziervogel genauer an. Für ihn sei das so eine Art Spiel, sagt er. Andere würden es wohl auch Berufskrankheit nennen. Ziervogel jedenfalls rät dann immer, ob die Anlagen auf den Dächern wohl von seinen Unternehmen Enpal sind oder die Technik doch von einem Konkurrenten stammt.
Die Chancen, dass Ziervogel Solarpanels seines Start-ups entdeckt, sind in den zurückliegenden Monaten rasant gestiegen: Etwa 6000 sogenannter Photovoltaik (PV)-Anlagen hat das junge Berliner Unternehmen mittlerweile schon deutschlandweit auf Hausdächern verbauen lassen. Im neuen Jahr sollen 12.000 weitere dazu kommen, kündigt Ziervogel im Gespräch mit der Berliner Morgenpost an. Ein Ziel, das für das Start-up durchaus in greifbarer Nähe zu sein scheint. Bis zu 40.000 Anfragen würde Enpal derzeit pro Monat erhalten. Die Corona-Pandemie ist zum Beschleuniger für die Firma geworden. „Viele Menschen sind vermehrt zu Hause und haben sich mit ihrem Stromverbrauch auseinandergesetzt“, mutmaßt der Mitgründer.
Enpal-Kunden können die Solaranlage ab 49 Euro im Monat mieten
Der gebürtige Berliner hat Enpal 2017 gemeinsam mit Viktor Wingert und Mario Kohle gegründet. Kohle hatte zuvor das Unternehmen Käuferportal (heute: Aroundhome) aufgebaut und an den Medienkonzern ProSiebenSat1 verkauft.
Enpal vermietet Solaranlagen nach eigenen Angaben ab einem Preis von 49 Euro pro Monat. Je größer und damit leistungsstärker die Anlage sein soll, desto teurer wird es für den Kunden. Enpal bleibt bei dem Modell über 20 Jahre lang Eigentümer der Technik, danach können Nutzer die Zellen und andere Komponenten zu einem symbolischen Preis von einem Euro erwerben. Das Berliner Start-up übernimmt in dem Zeitraum auch die Wartung, Versicherung und die Kosten für etwaige Reparaturen.
Als „Rundum-sorglos-Paket für den Kunden“, bezeichnet Jochen Ziervogel das Angebot. Der Verbraucher würde gleich doppelt profitieren. Er spare sich die Anschaffungskosten für die Solaranlagen, die laut Experten zwischen 8000 und 15.000 Euro liegen könnten. Zudem rechne sich die PV-Technik auch mit Blick auf den Strompreis. Der Preis für extern bezogenen Strom liege mittlerweile bei 30 Cent je Kilowattstunde. Kunden, die ihre vom Dach erzeugte Energie selbst verbrauchen, sparten diesen Betrag ein. Das Modell mit einer eigenen Anlage rechne sich darüber hinaus unabhängig von Subventionen wie einer staatlichen Einspeisevergütung, so Ziervogel.
Die Verbraucherzentrale sieht das Angebot skeptisch
Verbraucherschützer betrachten das Angebot von Enpal hingegen mit einer gewissen Zurückhaltung. Grundsätzlich sei das Mieten einer Photovoltaikanlage für diejenigen interessant, die eine solche Anlage nutzen möchten, sich mit der Technik aber nicht näher beschäftigen und stattdessen die Verantwortung und Risiken beim Kauf und Betrieb an einen Vermieter abgeben wollen, so Thomas Seltmann, Referent für Photovoltaik der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Diese Vorteile werden in der Regel aber teuer erkauft. Man bindet sich langfristig an ein Unternehmen, das auf dem eigenen Dach eine Photovoltaikanlage in fremdem Eigentum betreibt. Über die Jahre zahlt man in der Regel deutlich mehr, bei einigen Anbietern sogar ein Mehrfaches dessen was die Anschaffung einer Photovoltaikanlage kostet“, sagt der Experte.
Das Mieten einer Photovoltaikanlage sei in den meisten Fällen nicht rentabel. Darüber hinaus träfen die versprochenen Kosteneinsparungen in der Regel nicht zu. „Meist wird mit unrealistisch hohen Strompreissteigerungen kalkuliert“, erklärt Thomas Veltmann. Gerade bei überregionalen Anbietern höre die Verbraucherzentrale zudem immer wieder, dass die Kunden zu einem schnellen Vertragsabschluss gedrängt würden. „Wer dann die Widerrufsfrist verstreichen lässt, kommt aus dem 20-Jahres-Vertrag nicht mehr heraus“, warnt Veltmann. Verträge sollten daher vor der Unterschrift in jedem Fall sachkundig geprüft werden, rät er.
Die Solar-Komponenten bezieht Enpal aus China
Bei dem Berliner Start-up Enpal steht nach eigenen Angaben zunächst allerdings auch die Beratung im Vordergrund. Kunden müssten auf der Internetseite des Unternehmens einige Fragen zur Ausrichtung des Dachs und der vorhandenen Haustechnik beantworten. Danach melde sich ein Enpal-Mitarbeiter telefonisch. Einige Tage später könnten potenzielle Kunden anhand von visualisierten Bildern auch schon sehen, wie die Anlage auf dem eigenen Hausdach wohl aussehen würde. Danach vergehen dann einige Wochen bis die Technik tatsächlich an Ort und Stelle verbaut wird. Enpal erledigt das mit Montage-Partnern, hat aber mittlerweile auch eigene, regionale Teams, die die Anlagen installieren. Insgesamt beschäftigt das junge Unternehmen 500 Mitarbeiter, 400 davon am Standort Berlin.
Enpal habe angesichts der Kostenübernahme für die Wartung der Technik auch ein hohes Interesse daran, hochwertige Komponenten zu verbauen, sagt Jochen Ziervogel. Das Unternehmen arbeitet dabei mit einem der größten Solarmodule-Produzenten der Welt zusammen, dem chinesischen Konzern Longi. In der Nähe einer der Fabriken, in der Großstadt Shenzhen, hat Enpal sogar ein eigenes Büro. „Die dortigen Mitarbeiter kümmern sich um die Partnerschaft und stellen sicher, dass alles so ist, wie wir es wollen“, erklärt Ziervogel. Als Großabnehmer kann Enpal die Bauteile zudem deutlich günstiger einkaufen.
Enpal zieht Investoren um Schauspiel-Star Leonardo di Caprio an
Das Geschäftsmodell des jungen Unternehmens ist derweil noch weiter ausbaufähig. Das hat zuletzt auch der Einstieg namhafter Investoren untermauert. Zu den Geldgebern, die insgesamt eine höhere einstellige Millionensumme in Enpal gesteckt haben, zählen unter anderem die drei Zalando Chefs Rubin Ritter, David Schneider und Robert Gentz, Rocket-Internet-Gründer Alexander Samwer sowie die renommierte US-Investmentfirma Princeville Climate Technology, die auch Hollywood-Filmstar Leonardo di Caprio zu ihren Beratern zählt.
Enpal selbst hat sich für die nächsten Jahre durchaus hohe Ziele gesteckt. Bis 2027 will das Unternehmen fünf Millionen Kunden mit Strom aus erneuerbaren Energiequellen versorgen. Allein in Deutschland gebe es rund 14 Millionen Hausdächer, die grundsätzlich für PV-Anlagen infrage kommen. Technische Fortschritte hätten zudem dafür gesorgt, dass die Ausrichtung des Hauses kaum noch eine Rolle spiele. „Früher war nur ein Süd-Dach interessant. Heute ist es so, dass auch ein Ost-West-Dach einen sehr hohen Ertrag haben kann“, erklärt Ziervogel.
Künftig will Enpal auch Batteriespeicher anbieten
Perspektivisch will Enpal deswegen auch Stromverträge mit anbieten. So sollen Kunden auch nachts grüne Energie beziehen, wenn die eigene Solaranlage auf dem Dach mal nichts produzieren kann. Zudem denkt das Unternehmen darüber nach, Stromspeicher zu installieren. „Wir wollen unseren Kunden ermöglichen, den größten Teil des vor Ort erzeugten Stroms auch selbst zu nutzen“, so Ziervogel.
Von Anfang an sei die Idee mit Enpal gewesen, Gutes zu tun, sagt Jochen Ziervogel. Dieses Gebot habe mittlerweile für ihn weiter an Bedeutung gewonnen, sagt er. Vor zwei Jahren ist er Vater einer Tochter geworden. Mit Blick auf eine bessere Umwelt spüre er nun auch eine Verantwortung der nachfolgenden Generation gegenüber, so Ziervogel.