Corona in Berlin

Hausärzte wollen entscheiden, wer geimpft werden soll

| Lesedauer: 6 Minuten
Jens Anker
Wenn der Impfstoff kommt: Wer wird zuerst geimpft?

Wenn der Impfstoff kommt: Wer wird zuerst geimpft?

Dank Biontech werden die ersten Menschen in Deutschland schon 2021 gegen eine Infektion mit dem neuartigen Coronavirus geimpft werden. Über die Frage, welche Personengruppen zuerst geimpft werden, diskutieren Experten und Politiker.

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Busfahrer und Kassierinnen sollen laut Auffassung der Hausärzte eher gegen Corona geimpft werden als selten besuchte Ältere.

Berlins Hausärzte fordern, bei der Verteilung des Corona-Impfstoffs besser beteiligt zu werden. „Natürlich können wir Hausärzte am besten entscheiden, wer geimpft werden soll“, sagte der Vorsitzende der Berliner Hausärzte, Wolfgang Kreischer, der Morgenpost. Schon jetzt übernähmen die Hausärzte im Kampf gegen das Virus einen großen Teil der Aufgaben des öffentlichen Gesundheitsdienstes, wie Abstriche vornehmen, Infektionsketten nachverfolgen und Quarantäne verhängen.

Die Berliner Hausärzte sehen ihren Anteil an der Bekämpfung des Coronavirus nicht ausreichend gewürdigt. „Wir tragen die größte Last“, sagte Kreischer. 90 Prozent der Abstriche für Corona-Tests würden von Hausärzten übernommen, die auch bei der Nachverfolgung von Infektionsketten aktiv seien und Quarantäne für Erst-Kontakte verhängten.

Auch bei der Versorgung der Bevölkerung mit einem Impfstoff, der möglicherweise noch dieses Jahr zur Verfügung steht, würden die Hausärzte gebraucht. „Das werden wir leisten müssen“, sagte Kreischer, der als Facharzt für Allgemeinmedizin in Zehlendorf tätig ist. Aber schon jetzt arbeiteten die Hausärzte an der Leistungsgrenze. Zwar habe es finanzielle Hilfen in Höhe von 1500 Euro gegeben, um das Personal in den Praxen aufzustocken – sollte es aber zu umfangreichen Impfungen kommen, müssten die Ärzte ein zusätzliches Honorar erhalten, fordert der Hausärzteverband.

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Corona-Impfungen in Berlin: 400.000 Risikopatienten sollen zuerst geimpft werden

Nach den derzeitigen Planungen will Berlin in einem ersten Schritt 400.000 besonders gefährdete Berliner gegen das Virus impfen, wenn das Serum verfügbar ist. Nach welchen Kriterien die Impfkandidaten ausgewählt werden sollen, ist unklar. Der deutsche Ethikrat hat dazu in dieser Woche Empfehlungen abgegeben, die jedoch vage blieben. Der Senat wartet nun auf einen Beschluss des Bundestages, der konkrete Vorgaben dazu machen muss, bevor die Länder sich konkret auf die Impfungen vorbereiten können.

Nach Auffassung der Hausärzte sollten zunächst diejenigen Berufsgruppen versorgt werden, die berufsbedingt mit vielen Menschen in Kontakt kommen – also Ärzte und medizinisches Personal, Polizisten und Feuerwehrleute. Aber auch Kassierinnen und Busfahrer. „Ältere Patienten gehören nicht der Hochrisikogruppe an“, sagte Kreischer. Heime und Krankenhäuser seien durch Besuchsregeln und die jetzt verfügbaren Schnelltests für Personal und Besucher gut geschützt, sodass dort kaum Infektionsfälle aufträten. Ältere Patienten und Heimbewohner könnten daher in einer zweiten Phase mit dem Impfstoff versorgt werden.

Berliner Hausärzte fordern schärfere Regeln für Schulen und Kitas

Einen Sonderfall stellen aus Sicht der Hausärzte Schulen und Kitas dar. Durch das Schließen der Bildungseinrichtungen im Frühjahr und die anschließenden Sommerferien habe es in Schulen und Kitas keine Infektionen gegeben. Das ändere sich jetzt. „Ich selbst beobachte in meiner Praxis seit zwei Wochen, dass vermehrt Infektionen aus Schulen und Kitas auftreten“, sagte Kreischer.

Hier müssten jetzt schärfere Abstandsregeln gelten, wie eine Ausweitung des Mund-Nasen-Schutzes, striktere Abstandsregeln und häufiges Lüften. Ansonsten müssten die Bildungseinrichtungen wieder geschlossen werden. „Das will aber niemand“, sagte Kreischer.

Auch Berlins Gesundheitsämter halten weiterhin am Konzept offener Schulen fest. „Gott sei Dank sind die Schulen wieder auf“, sagte Patrick Larscheid, Amtsarzt aus Reinickendorf, vertretend für alle seine Bezirkskollegen im Hauptausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Dort wird über den Corona-Stufenplan für Berlins Schulen diskutiert – besonders unter dem Aspekt, ob dieser Stufenplan rechtssicher ist. Die Schulen verfügen laut Larscheid meist über gute Hygienekonzepte. Problematisch sei dagegen das Verhalten vor allem pubertierender Schüler außerhalb der Schule.

"Wundersame Entscheidungen aus der Gesundheitsverwaltung"

Insgesamt wünscht sich der Hausärzteverband, mehr in die Entscheidungen des Senates eingebunden zu sein. „Aus der Gesundheitsverwaltung kommen manchmal wundersame Entscheidungen, die an der medizinischen Realität vorbei getroffen werden“, sagte Kreischer. Dazu gehörten die Pläne, zunächst ältere Heimbewohner gegen das Virus impfen lassen zu wollen, statt besonders gefährdeter Berufsgruppen.

Die Gesundheitsverwaltung wies die Kritik am Mittwoch zurück. Ansprechpartner für den Senat sei die Kassenärztliche Vereinigung, die den medizinischen Versorgungsauftrag habe. Natürlich sei die Gesundheitsverwaltung auch in Gesprächen mit den Hausärzten. Auch die Kassenärztliche Vereinigung verwies darauf, dass sie sich mit allen Beteiligten in intensiven Gesprächen befinde – auch über die Bereitstellung zusätzlichen Personals für die vom Senat geplanten sechs Impfzentren. Alle Fragen rund um das Thema sollen so schnell wie möglich geklärt werden, damit Berlin bereit sei, wenn der Impfstoff zugelassen und verteilt ist.

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