Potsdam/Cottbus. Brandenburg hat mit der Stadt Cottbus das erste Corona-Risikogebiet. Weil Cottbus die Grenze von 50 neuen Infektionen je 100 000 Einwohner in einer Woche überschritten hat, gelten dort, aber auch bundesweit für Cottbuser Beschränkungen. Alle Brandenburger müssen sich auf strengere Corona-Regeln für private Feiern und Gaststättenbesuche im Fall steigender Infektionszahlen einstellen. Das Kabinett will am Dienstag darüber entscheiden. Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) sprach von einer dramatischen Situation und forderte alle Bürger auf, sich "am Riemen" zu reißen. Das umstrittene Beherbergungsverbot für Gäste aus anderen Corona-Hotspots bleibt vorerst bestehen.
RISIKOGEBIET: In Cottbus lag die Zahl der Neuinfektionen am Donnerstag bei 57,2 pro 100 000 Einwohner in einer Woche, teilte das Gesundheitsministerium mit. Die Stadt gab als Wert 66 an. Die Ansteckungen beträfen unter anderem eine Zahnarzt-Praxis, zwei Pflegedienste und eine Kita. In großen Einkaufszentren gilt daher eine Maskenpflicht. Neu hinzu kam: Auf Märkten und Fußgängerzonen muss ein Mund-Nasen-Schutz getragen werden, wenn der Mindestabstand von 1,50 Metern nicht eingehalten werden kann.
Für das Heimspiel des FC Energie Cottbus am 24. Oktober gegen den Berliner Athletik Klub 07 sind Zuschauer tabu. Nach einem Corona-Ausbruch mit 25 betroffenen Mitarbeitern will das Carl-Thiem-Klinikum ab Montag wieder geplante Operationen anbieten.
PRIVATE FEIERN: Ab 35 neuen Infektionen je 100 000 Einwohner in einer Woche sollen künftig nur noch bis zu 25 statt derzeit 50 Menschen in öffentlichen Räumen privat feiern dürfen, kündigte der Regierungschef an. Für zuhause soll eine Obergrenze von 15 statt 25 Menschen gelten. Der Kreis Oder-Spree und auch die Prignitz liegen über den 35 Neuinfektionen. Ab einem Wert von 50 ist geplant, die Obergrenzen für Feiern von 25 auf 10 Menschen in öffentlichen Räumen zu senken, für private Räume sollen zehn Menschen aus zwei Haushalten kommen. In der Öffentlichkeit dürfen dann nur noch bis zehn Menschen zusammen sein.
SPERRSTUNDE: Bei mehr als 35 Neuinfektionen je 100 000 Einwohner in einer Woche wird die Einführung einer Sperrstunde in Gaststätten geprüft. Über einem Wert von 50 soll ab 23.00 Uhr eine Sperrstunde in der Gastronomie gelten. Dann sollen auch Veranstaltungen auf 100 Menschen begrenzt werden, derzeit liegt die generelle Obergrenze für große Veranstaltungen bei 1000.
BEHERBERGUNGSVERBOT: Wer aus einer Region mit mehr als 50 neuen Ansteckungen je 100 000 Einwohner in einer Woche kommt - etwa aus Berlin -, darf nicht in Hotels, Pensionen oder Ferienwohnungen übernachten. Ausnahme ist ein höchstens 48 Stunden alter negativer Corona-Test oder eine zwingende berufliche Reise. Nicht unter das Verbot fallen Ausflüge, Einkäufe und Besuche. Der Landestourismusverband kritisierte, bei mehr als sieben Millionen Übernachtungen seit Jahresbeginn gebe es keine Hinweise, dass das Schlafen in Ferienunterkünften zu erhöhtem Infektionsrisiko führte.
Woidke verteidigte die Regelung. "Ich bedaure sehr im Sinne vieler Familien und auch Gastronomen und Hoteliers, dass das zeitgleich mit den Herbstferien in Brandenburg und Berlin zusammenfällt", sagte er. "Aber wir müssen so viele physische Kontakte wie möglich vermeiden." Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) sagte: "Wenn wir uns darüber einig sind, dass Schulen und Kitas unbedingt offen bleiben sollen und schwere Eingriffe in die Wirtschaft gravierende Folgen haben werden, dann müssen wir jetzt an zwei Stellschrauben ansetzen: private Feiern und Partys und verzichtbare Reisen."
SPD-Landtagsfraktionschef Erik Stohn, der das Beherbergungsverbot infrage gestellt hatte, schlug einen Kompromiss vor. Wie wäre es, wenn alle sich frei bewegen könnten, deren Corona-Warnapp keine Risikobegegnungen innerhalb der letzten 14 Tage zeige?, sagte er.
Der Verwaltungsgerichtshof in Baden-Württemberg gab einem Eilantrag gegen das dortige Beherbergungsverbot statt. In Niedersachsen erklärte das Oberverwaltungsgericht Lüneburg das Verbot für rechtswidrig. Beide Entscheidungen sind nicht anfechtbar. Auch in Brandenburg haben Gastwirte Eilanträge gegen die Verordnung beim Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eingereicht.
Der Linke-Landtagsabgeordnete Andreas Büttner erklärte am Donnerstag erneut, das Beherbergungsverbot mache keinen Sinn. "Noch absurder wird es, nachdem Cottbus heute zum Hotspot erklärt wurde", meinte Büttner. "Also dürfen die Cottbusser nun nicht mehr raus aus ihrer Stadt und in anderen Brandenburger Landkreisen übernachten?" Auch der tourismuspolitische Sprecher der CDU-Fraktion, Frank Bommert, forderte von der rot-schwarz-grünen Landesregierung ein Umdenken. Brandenburg müsse angesichts der Urteile zu einem rechtssicheren Umgang mit dem Beherbergungsverbot zurückfinden, forderte er.
Auch die AfD-Fraktion im Brandenburger Landtag forderte, das Beherbergungsverbot umgehend aufzuheben. Die Landesregierung müsse die Gerichtsentscheide als klares Zeichen werte, meinte der AfD-Landtagsabgeordnete Daniel Münschke. Die FDP-Landesvorsitzende Lina Teuteberg mahnte, pauschale Beherbergungsverbote seien ein massiver und unverhältnismäßiger Grundrechtseingriff. "Die Landesregierung sollte selbst die Grundrechte der Bürger wahren und nicht erst auf Gerichtsentscheidungen warten", forderte sie.