Berlin. Unchaotisch lief der erste große Klimastreik nach monatelanger Corona-Pause ab, zu dem die Bewegung „Fridays for Future“ (FFF) und weitere Organisationen am Freitag in Berlin und anderen Städten aufgerufen hatten. Zehntausend Teilnehmer waren angemeldet, doch diese Marke wurde wohl unterschritten, zumindest nach Einschätzung der Berliner Polizei. Sie ging von „einer Zahl im unteren vierstelligen Bereich“ aus. Die Veranstalter sprachen von 21.000 Streikenden. Von der Polizei waren insgesamt 380 Einsatzkräfte im Dienst – die Beamten konnten sich im Vergleich zu den aufreibenden Corona-Protesten im August aber relativ entspannt zurücklehnen. Sie brauchten kaum einzugreifen.
„Bitte haltet Abstand, das wäre echt nice!“
„So wünscht man sich die Protestkultur. Für uns ist das ein schöner Kontrast zu den anderen Demos“, lobte ein Polizeisprecher die Einhaltung der Hygienevorgaben. Von der Hauptbühne vor dem Brandenburger Tor am Platz des 18. März richteten die Veranstalter regelmäßig und konsequent Ansagen an die Demonstranten: „Bitte haltet Abstand, setzt euch auf die markierten Kreuze auf dem Boden und zieht eure Maske über Mund und Nase, das wäre echt nice!“
Ansonsten hatte an diesem Freitag aber mal wieder die Umweltkrise Vorrang. Die Coronakrise sei zwar sehr groß, sagte der Potsdamer Klimaforscher Stefan Rahmstorf bei der Kundgebung. Doch die Klimakrise sei um ein Vielfaches dramatischer – und sie werde die Erde noch Jahrhunderte lang belasten.
Bei Nieselregen bewegten sich die verschiedenen angemeldeten Demonstrationszüge unter dem Motto „#Kein Grad weiter!“ ab dem Vormittag durch das Regierungsviertel. Am Mittag mussten Autofahrer etwa am Potsdamer Platz mehrere Stauminuten in Kauf nehmen, besonders als die Radfahrer vom Hauptbahnhof und anderen Stadtteilen ankamen. Die Straße des 17. Juni war zwischen Großer Stern und Brandenburger Tor gesperrt, auch die Ebertstraße zwischen Behrenstraße und Scheidemannstraße. Gegen 16 Uhr wurden die Sperrungen abgebaut. Die Organisation vor der Hauptbühne mit auffallend vielen Ordnern klappte über den gesamten Zeitraum gut – kein Selbstläufer in Corona-Zeiten. Auch dank engagierter Helfer wie der 15-jährigen Lara Hopf. „Ich bin seit 5.30 Uhr heute morgen hier“, erzählte die Gymnasiastin. Sie hatte Abstands-Markierungen auf die Straßen gestreut – mit Mehl. „Das hat Stunden gedauert.“
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Lara Hopf ist seit einem Jahr als Aktivistin bei „FFF“ – wie viele Demos sie seitdem mitgemacht hat, kann sie gar nicht mehr aufzählen. Hat die Klimaschutz-Bewegung noch die gleiche Kraft wie vor Corona? Darauf antwortete sie: „Wir haben nach wie vor eine große Reichweite, ich bin optimistisch und bleibe natürlich dabei.“ Sie räumte aber ein: Den meisten ihrer Mitschülern „ist die Schule wichtiger“. Ab und zu wurde vor dem Brandenburger Tor auch der bekannte Slogan skandiert: „Wir sind hier, wir sind laut, weil man uns die Zukunft klaut!“ Laut wummerte aber vor allem die Musik von der Bühne, etwa von der Band AnnenMayKantereit– ansonsten bliebt der Protest im überschaubaren Dezibelbereich. In der bunt zusammengewürfelten Menge standen Grundschüler neben „Omas gegen Rechts“, Studierenden, Auszubildenden oder Lehrern. „Ich bin so sauer, ich hab sogar ein Schild gebastelt“ hatte der 30-jährige Ethik-Lehre Max auf sein Plakat geschrieben. Er glaube an die Kraft von „FFF“, sagte er. „Es wäre fatal, wenn der Druck auf die Politik jetzt nachlassen würde.“
Die Demonstrationen in Berlin waren Teil eines globalen Klimaprotesttags. Laut „FFF“ waren weltweit mehr als 3000 Klimastreiks geplant.
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