Berlin . 17.000 Menschen protestierten gegen die Corona-Beschränkungen. Es gab Verstöße gegen die Hygieneregeln und einige verletzte Polizisten.
Trotz steigender Infektionszahlen haben am Sonnabend Tausende Menschen mit einem Demonstrationszug durch Mitte gegen die Corona-Maßnahmen protestiert. Die Polizei ging von bis zu 17.000 Teilnehmern bei der Demo und 20.000 bei der anschließenden Kundgebung aus. Die Veranstalter sprach gar von zwischenzeitlich 800.000 Teilnehmern. Die Demonstranten forderten ein Ende aller Auflagen.
Anti-Corona-Demo: Strafanzeige gegen Leiter der Veranstaltung
Die anschließende Kundgebung beendete die Polizei dann wegen zu wenig Abstands und fehlender Masken. Die Veranstalter seien nicht in der Lage, die Hygienemaßnahmen einzuhalten, sagte ein Polizeisprecher. Gegen die Leitung der Kundgebung wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Wer Mundschutz trug, wurde von Demonstranten aufgefordert, den „Lappen vom Maul“ zu nehmen.

Bei der Auflösung der Kundgebung besetzte die Polizei die Veranstaltungsbühne. Mehrere Vertreter der Veranstalter wurden unter Protestrufen von Teilnehmern von der Bühne geholt. Als sich eine Person dagegen wehrte, gingen die Beamten mit Körpereinsatz vor. Auch andere Teilnehmer weigerten sich, den Ort zu verlassen. Polizisten mussten sie zum Teil von der Straße tragen. Es wurde von mehreren Dutzend Personen die Identitäten festgestellt und Ermittlungsverfahren eingeleitet.

Im Zuge des Abstroms von der Kundgebung sammelten sich knapp 3000 Menschen auf dem Platz der Republik an. Außerdem bildeten rund 2000 Demonstranten eine Menschenkette vor dem Bundeskanzleramt. Auch dieses Mal wurden die Corona-Regeln missachtet, sodass auch hier polizeiliche Maßnahmen erforderlich wurden. Gegen 20 Uhr waren in beiden Bereichen nur noch wenige Hundert Personen zu verzeichnen.
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Anti-Corona-Demo ohne Mund-Nasen-Schutz und Abstand
Zum Beginn der Demonstration um 10 Uhr vor dem Brandenburger Tor hatten sich nach ersten Angaben rund 7000 Menschen eingefunden. Die Veranstaltung war zuerst nur für 1000 Teilnehmer angemeldet. Sie zogen über die Friedrichstraße in Richtung Torstraße über die Leipziger Straße zur Straße des 17. Juni.
Auf der Straße Unter den Linden stand ein Mann um die 50 aus Nordbayern ohne Mund- und Nasenschutz. „Wissen Sie, dass das Coronavirus aus dem Labor stammt“, sagte er. Es sei aber gar nicht so gefährlich, wie die Politiker vorgeben, so der Demonstrant. Es gehe eher darum, die Menschen „gefügig“ zu machen. Seit März fühle er sich in seinen Grundrechten eingeschränkt und wolle dagegen eintreten.
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Die Demonstranten hatten sich derweil in Stimmung gebracht. Vor dem ZDF-Hauptstadtbüro schrien sie „Lügenpresse, Lügenpresse“. An der Ecke Friedrichstraße riefen sie: „Wir sind hier, wir sind laut, weil Ihr uns die Freiheit klaut.“ Auf Schildern war zu lesen „Weg mit Merkel“ und „Mut zur Wahrheit“. Auf T-Shirts stand der Spruch „Gib Gates keine Chance“. Manche Teilnehmer schwenkten auch die verbotene Reichsflagge. Kommentieren wollte das keiner, weder der Fahnenschwenker, noch andere Teilnehmer.
Die Teilnehmer wurden von der Polizei immer wieder über Lautsprecherdurchsagen und im persönlichen Gespräch dazu aufgefordert, sich an das Hygienekonzept zu halten. Doch die Demonstranten ignorierten die Corona-Regeln. Die Versammlungsleitung wurde deshalb auf ihre Verantwortung zur Einhaltung der Auflagen und des Hygienekonzeptes hingewiesen. Auch die Versammlungsleitung kam der Aufforderung nicht nach. Es wurde ein Strafermittlungsverfahren gegen sie angefertigt. Gegen 14 Uhr und noch vor Erreichen des Endplatzes auf der Straße des 17. Juni wurde der Aufzug schließlich durch die Versammlungsleitung selbst für beendet erklärt.
Protest-Wochenende in Berlin - die Bilder
Organisiert wurde die Veranstaltung von der Stuttgarter Initiative „Querdenken 711“. Deren Gründer Michael Ballweg sagte zum Auftakt der Kundgebung unter dem Jubel der Teilnehmer: „Das Freiheitsvirus hat Berlin erreicht.“
„Ihr marschiert mit Nazis und Faschisten“
Es formierten sich aber auch Gegendemonstrationen. „Ihr marschiert mit Nazis und Faschisten“, rief die 72-jährige Karin den Demonstranten entgegen. Die entgegneten prompt „Nazis raus.“ Die Seniorin wartete an der Leipziger Straße auf den Demonstrationszug. Sie engagiert sich bei den „Omas gegen Rechts" , die zu einer Gegendemonstration aufgerufen hatten. Im Vergleich zu den 17.000 Marschierenden sind sie nur wenige hundert. „Sie gefährden nicht nur sich selbst, sondern alle“, sagte sie. Auch sie störe sich an der Maskenpflicht, da ihre Brille immer beschlage. Aber es gehe schließlich um die ihre Sicherheit und die ihrer Mitmenschen. Daher sei es ihr auch wichtig, der Menschenmenge gegenüber zu stehen.
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Polizisten bei Demos in Berlin verletzt
In der Nacht teilte die Polizei auf Twitter mit, dass bei den Demonstrationen in Berlin 18 Beamte verletzt wurden. Am Sonntag korrigierte die Behörde die Zahl auf 43 Verletzte. Die Beamten wurden nicht ausschließlich bei dem Anti-Corona-Protest verletzt, wie es zuvor in einer Meldung bei der Deutsche Presse-Agentur hieß. Eine Zuordnung zu den einzelnen Demonstrationen sei aktuell nicht möglich, sagte ein Polizeisprecher am Sonntag.
Auf den Demonstrationen in Berlin wurden insgesamt 133 Personen festgenommen. Die Einsatzkräfte mussten 89 Strafermittlungsverfahren und 36 Ordnungswidrigkeitenverfahren einleiten.
Jens Spahn: Demos müssen möglich sein. Aber nicht so
Unverständnis für die Demo gegen die Corona-Regeln gab es von politischer Seite. Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat das Demonstrationsrecht unterstrichen, zugleich aber harsche Kritik am Berliner Protestzug gegen staatliche Corona-Beschränkungen geäußert. „Ja, Demonstrationen müssen auch in Corona-Zeiten möglich sein. Aber nicht so“, schrieb der CDU-Politiker am späten Sonnabendnachmittag auf Twitter.
Abstand, Hygieneregeln und Alltagsmasken dienten dem Schutz aller. Die Pandemie sei nur „mit Vernunft, Ausdauer und Teamgeist“ zu meistern. „Je verantwortlicher wir alle im Alltag miteinander umgehen, desto mehr Normalität ist trotz Corona möglich“, betonte Spahn.
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Michael Müller: Teilnehmer nehmen Fakten nicht zur Kenntnis
Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) kritisierte die Teilnehmer scharf. Die Demonstranten würden die Fakten nicht zur Kenntnis nehmen und riskierten damit die Gesundheit anderer Menschen, sagte Müller in der rbb-Abendschau. Es gebe noch keinen Impfstoff und kein Medikament, man sei noch nicht über den Berg.
Dilek Kalayci bezeichnet Demonstranten als unverantwortlich
Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) bezeichnete die Demonstranten als unverantwortlich. Es sei "irre" angesichts weltweit steigender Infektionszahlen gegen Hygieneregeln zu demonstrieren.
Peter Altmaier plädiert für härtere Strafen bei Verstößen
Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier plädiert für härtere Strafen bei Verstößen gegen die Corona-Regeln. „Wer andere absichtlich gefährdet, muss damit rechnen, dass dies für ihn gravierende Folgen hat“, sagte der CDU-Politiker. „Wir dürfen den gerade beginnenden Aufschwung nicht dadurch gefährden, dass wir einen erneuten Anstieg der Infektionen hinnehmen.“