Prozessbeginn

Prozess gegen Neonazi: Entwarnung nach Bombendrohung

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Der Neonazi André M. steht ab Dienstag wegen einer Bedrohungsserie vor dem Berliner Landgericht in Moabit.

Der Neonazi André M. steht ab Dienstag wegen einer Bedrohungsserie vor dem Berliner Landgericht in Moabit.

Foto: imago stock&people / imago/STPP

Neonazi André M. muss sich wegen mehr als 100 rechtsextremer Drohmails verantworten. Am Dienstag gab es eine Bombendrohung.

Berlin/Halstenbek. Nach einer Bombendrohung gegen das Berliner Landgericht ist nach kurzer Ungewissheit Entwarnung gegeben worden. Es sei alles wieder frei, sagte ein Justizmitarbeiter am Dienstagnachmittag. Die sofort informierte Polizei hatte die Drohung überprüft. „Es gab keine Gefahren und keine verdächtigen Gegenstände“, sagte ein Polizeisprecher.

Ein Teil des großen Komplexes war zuvor geräumt worden. Um 12.41 war nach Angaben einer Gerichtssprecherin ein Fax beim Gericht eingegangen, in dem gestanden habe, dass Sprengsätze vor dem Saal 220 deponiert worden seien. Das Fax habe mit „Heil Hitler“ geendet, die Rede sei auch vom NSU 2.0, so die Sprecherin. Nach eineinhalbstündiger Unterbrechung konnte es mit der Verlesung der Anklageschrift weiter gehen.

Die Drohung stand laut Gericht im direkten Zusammenhang mit dem Prozess gegen einen 32-Jährigen, der wegen bundesweit verschickter Drohmails gegen Politiker und Behörden angeklagt ist. Der Prozess wurde wenige Minuten nach dem Auftakt noch vor Verlesen der Anklage wegen der Drohung unterbrochen. Die Verhandlung sollte voraussichtlich am Nachmittag fortgesetzt werden.

Neonazi verschickte Drohmails

Neonazi André M. soll, unter anderem über Monate Politiker bedroht haben. Dem 32-Jährigen wird unter anderen „Störung des öffentlichen Friedens durch Androhung von Straftaten“ sowie Nötigung und versuchte räuberische Erpressung vorgeworfen. Die Berliner Staatsanwaltschaft hat ihn wegen insgesamt 107 Straftaten angeklagt, die er zwischen Dezember 2018 und April 2019 bundesweit begangen haben soll.

Laut Anklage verschickte M. überwiegend mit dem Absender „NationalSozialistischeOffensive“ E-Mails an Gerichte, Behörden, Polizeidienstellen, Einkaufszentren, die Presse und Mitglieder des Bundestags. Darin soll er mit Mord oder Sprengstoffanschlägen gedroht haben. „Der Angeklagte habe damit laut Anklageschrift beabsichtigt, öffentlichkeitswirksame Reaktionen hervorzurufen, um die Bevölkerung zu beunruhigen“, heißt es vom Gericht. Die meisten seiner Schreiben seien jedoch von den Empfängern ignoriert worden. Am 10. Januar 2019 wurden allerdings in der Folge seiner Drohungen unter anderen Justizgebäude in Potsdam, Köln und Erfurt, das Flensburger Rathaus und der Lübecker Hauptbahnhof evakuiert.

Die Polizei nahm M. im April 2019 in seinem Elternhaus in Halstenbek (Schleswig-Holstein) bei Hamburg fest. Da die Berliner Ermittler das Verfahren seit Anfang 2019 federführend leiteten, wurde er in der Hauptstadt angeklagt. Bei ihm wurde auch eine detaillierte Anleitung zum Bombenbau gefunden, die er laut Staatsanwaltschaft um eigene Angaben ergänzt haben soll. Ferner sei der heute 32-Jährige einschlägig etwa wegen Körperverletzung, Brandstiftung und Sprengstoffdelikten vorbestraft. Er soll erst kurz vor Beginn der Drohserie aus dem Gefängnis entlassen worden sein.

Drohbriefserie war nach Festnahme nicht vorbei

Nach seiner Festnahme war die Serie an Drohmails, die unter anderem mit „NSU 2.0“, „Wehrmacht“ oder „Heil Hitler“ unterschrieben waren, aber nicht zu Ende. Eines richtete sich danach an die Berliner Staatsanwaltschaft selbst, die von einem weiteren Täter ausgeht.

Laut Anklage waren die Schreiben zum Teil mit irrationalen Forderungen verbunden. Ferner sei es M. dabei auch um die Anprangerung „des von ihm verhassten ,kapitalistischen Systems’ und die Befriedigung seines Bedürfnisses nach Aufmerksamkeit gegangen“, wie das Gericht schreibt. In den mehr als 20 Prozessterminen bis September solle es daher auch um die Frage gehen, ob er schuldfähig ist. (mit dpa)