Bode-Museum

Goldmünzen-Prozess: Jugendhaft für drei Clan-Mitglieder

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Die "Big Maple Leaf" wurde 2017 aus dem Bode-Museum entwendet. Das Gericht will von zwei der Verurteilten 3,3 Millionen Euro einziehen.

  • Nach dem Diebstahl der Goldmünze "Big Maple Leaf" aus dem Berliner Bode-Museum sind drei junge Männer zu mehrjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden. Der vierte Angeklagte wurde freigesprochen.
  • Zwei Männer im Alter von 23 und 21 Jahren, die zu einem bekannten arabischstämmigen Clan gehören, wurden zu einer Jugendstrafe von viereinhalb Jahren Gefängnis verurteilt.
  • Das Landgericht will 3,3 Millionen Euro von zwei der Tätern einziehen. Der dritte Verurteilte soll 100.000 Euro zahlen.
  • Der Fall landet am Freitag erneut vor Gericht - geklagt hat der Eigentümer.

Berlin. Knapp drei Jahre nach dem spektakulären Diebstahl einer 100 Kilogramm schweren Goldmünze aus dem Berliner Bode-Museum sind drei Männer zu mehrjährigen Haftstrafen verurteilt worden. Zwei müssen viereinhalb Jahre in Jugendhaft, der dritte drei Jahre und vier Monate. Einen vierten Angeklagten sprach das Berliner Landgericht am Donnerstag frei. Er gehört wie zwei der Verurteilten zu einem bekannten arabischstämmigen Clan.

Goldmünzen-Prozess: Angeklagte nehmen Urteil reglos auf

Reglos nahmen Wissam R. und sein Cousin Ahmed R. ihre Urteile entgegen. Das Berliner Landgericht sprach den 23- und den 21-Jährigen am Donnerstagvormittag wegen gemeinschaftlichen Diebstahls in besonders schwerem Fall schuldig. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass sie zwei der drei Männer sind, die vor knapp drei Jahren am 27. März 2017 zwischen 3.20 und 3.50 Uhr in das Bode-Museum einbrachen und die 100 Kilogramm schwere kanadischen Goldmünze „Big Maple Leaf“ stahlen. Sie hievten die Platte zunächst ins Freie, transportierten sie mit einer Schubkarre über die Bahngleise bis zum Monbijoupark und ließen sie dort mit einem Seil in einen bereitgestellten Fluchtwagen herunter.

"Spektakulärste Strafttat seit dem Zweiten Weltkrieg"

Dafür wurden sie nach 13 Monaten Prozess nun zu jeweils viereinhalb Jahren Jugendhaft verurteilt. Wer der dritte Mann war, bleibt unklar. Ahmeds mitangeklagter 25-jähriger Bruder Weyci R. wurde als einziger freigesprochen. Seine Täterschaft sei „nicht nachweisbar“, sagte die Vorsitzende Richterin Dorothee Prüfer in ihrer Urteilsbegründung. Dafür muss der heute 21 Jahre alte ehemalige Wachmann Dennis W. für drei Jahre und vier Monate ins Jugendhaft. Auch er verzog beim Urteilsspruch keine Miene.

Das Urteil fiel nach 41 Verhandlungstagen. Die Staatsanwaltschaft nannte das Verbrechen in ihrem Plädoyer zuletzt „die spektakulärste Straftat in Berlin seit dem Zweiten Weltkrieg". Wie schon die Tat selbst sorgte auch die Verhandlung weltweit für Aufsehen.

Richterin: "Wir wissen, dass die Münze in die Familie R. gelangt ist“

Wissam und Ahmed R. gehören zu einem polizeibekannten libanesisch-stämmigen Familienclan aus Neukölln. „Wir wissen, dass die Münze in die Familie R. gelangt ist“, sagte Richterin Prüfer. Denn Goldspuren wurden in einem Auto, an der Kleidung und in der Wohnung der Beschuldigten gefunden. „Sie stammen aus der Münze“, so die Richterin weiter. Das habe das Gutachten eines Sachverständigen ergeben. Demnach wiesen die denselben sehr hohen Reinheitsgehalt von mehr als 99 Prozent auf. Die Partikel konnten ferner nur bei der Zerteilung der Münze entstanden sein. Damit scheint klar: Die Münze, von der es nur vier weitere auf der Welt gibt, ist für immer verloren.

Außerdem wurden DNA-Spuren gefunden – etwa an einem Seil, mit dem die Münze abgelassen wurde und das am Tatort verblieb. In Wissam R.’s Wohnung wurde außerdem ein Handschuh sichergestellt, auf dem sich Glassplitter der Vitrine befanden, in der die Münze stand und die zerschlagen wurde. Auf einem Überwachungsvideo, das ein paar Tage vor der Tat aufgenommen wurde und laut Prüfer eine „Generalprobe“ zeigt, ist ein Mann zu sehen. Der war zwar maskiert, trägt aber eine seltene Jacke, die später bei Wissam R. sichergestellt werden konnte.

Die Auswertung von Handydaten habe außerdem ergeben, dass die Verdächtigen zum Goldankauf und zu Goldpreisen recherchierten. Außerdem habe man Fotos vom Museum bei den Angeklagten gefunden. Ahmed R. soll vor der Verhandlung auch von seiner Ex-Freundin belastet worden sein, die ihre Aussage später widerrief.

Wachmann Dennis W. war „das Bindeglied zur Familie R.“

Die Täter kamen im März 2017 über die Bahngleise. Mit einer Leiter gelangten sie zum einzigen Fenster des Museums, das nicht an das Alarmsystem angeschlossen war. Von dort bewegten sie sich zunächst durch den Personaltrakt des Gebäudes, öffneten Türen und waren nach nur wenigen Minuten wieder draußen. Laut Gericht setzt das Insiderwissen voraus.

Die Richter waren überzeugt, dass das nur von Dennis W. stammen konnte. Ahmed R.’s langjähriger Schulfreund arbeitete zum Tatzeitpunkt seit drei Wochen als Wachmann im Museum. Er sei „das Bindeglied zur Familie“, sagte Prüfer. Und auch wenn er nicht unmittelbar am Diebstahl beteiligt war, attestierte ihm die Vorsitzende Richterin „erheblicher Tatherrschaft“. Denn ohne ihn sei der Diebstahl nicht möglich gewesen. Ferner fanden sich seine DNA-Spuren an der Innenseite des Fensters, dass er mehrere Tage vor der Tat geöffnet haben soll.

Richterin ordnet Einziehung von 3,3 Millionen Euro an

Neben den Haftstrafen ordnete die Vorsitzende Richterin an, bei Wissam und Ahmed R. ein Vermögen von 3,3 Millionen Euro einzuziehen. Das entspricht nach Auffassung der Kammer dem Materialwert der Münze vor drei Jahren.

„Ich bin nicht unglücklich, dass heute so entschieden wurde“, sagte Staatsanwalt Thomas Schulz-Spirohn nach der Verhandlung. Dass man das Geld bei den Verurteilten finde, sei nicht unrealistisch. „Die Angeklagten haben es immerhin geschafft, über ein Jahr hochkarätige Verteidiger zu beschäftigen und mit Sicherheit auch zu bezahlen.“ Auch Richterin Prüfer sagte, dass vom erlangten Profit „ja noch was übrig sein“ dürfte.

Mitglieder der arabischen Großfamilie R. aus Neukölln waren schon wiederholt im Visier der Polizei. Im Sommer 2018 wurden 77 Immobilien beschlagnahmt, die dem Clan zugerechnet werden.

Bei Dennis W. sollen 100.000 Euro eingezogen werden, was laut Gericht seinem Anteil an der Beute entsprach. W. hatte sich laut Urteilsbegründung nach der Tat über Investitionsmöglichkeiten für einen solchen Geldbetrag informiert.

Dass ausschließlich Jugendstrafen verhängt wurden, begründete das Gericht mit den „Entwicklungsschwierigkeiten“ der Angeklagten. Dennis W. und Ahmed R. waren zum Tatzeitpunkt gerade volljährig. Der damals 20-jährige Wissam R. stamme aus „problematischen Familienverhältnissen“. So habe er seit seinem elften Lebensjahr auf seinen Vater verzichten müssen, weil dieser im Gefängnis saß. Beide Cousins waren schon in der Schule auffällig und sind unter anderem wegen Diebstahlsdelikten bereits mit dem Gesetz in Konflikt geraten. Nach dem Münzdiebstahl beging Dennis W. zudem einen Tankstellenbetrug.

Tathergang zeugt von einer "Dreistigkeit, von Mut und Risikobereitschaft ganz besonderer Güte“

Gleichzeitig sah das Gericht die besondere Schwere der Schuld. Es handele sich zwar nur um einen Einbruchsdiebstahl, sagte die Vorsitzende Richterin, „aber welcher Einbruchsdiebstahl kann noch gravierender sein als dieser.“ Allein der Wert der Beute und der Umstand, dass die Tat in der Öffentlichkeit begangen wurde, zeuge „von einer Dreistigkeit, von Mut und Risikobereitschaft ganz besonderer Güte“. Sie sehe auch einen Zusammenhang mit der Organisierten Kriminalität, da ohne deren Strukturen die Beute nicht verwertbar gewesen sei.

Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Weil das Gericht bei den Verurteilten keine Fluchtgefahr sah, kamen sie nach dem Prozess auf freien Fuß und kam dem Antrag der Staatsanwaltschaft auf Haftbefehle nicht nach. Sie und ihre Anwälte äußerten sich nicht gegenüber der Presse. Staatsanwalt Schulz-Spirohn ließ offen, ob er in Revision gehen will. Er hatte im Vorfeld deutlich höhere Haftstrafen gegen alle vier Angeklagten gefordert. Die Verteidigung plädierte zuletzt auf Freispruch aus Mangel an Beweisen.