Berlin. Trotz intensiver Suche hat die Verwaltung keinen Weg gefunden, für Caterer die Zahlung des neuen Mindestlohns in Höhe von 12,50 Euro beim Schulessen verbindlich durchzusetzen. Nach Informationen der Berliner Morgenpost gilt als wahrscheinlichste Lösung, die künftigen Lieferanten des Schulessens davon zu überzeugen, den beschlossenen, aber noch nicht wirksamen Mindestlohn freiwillig zu zahlen. Das ergab ein Treffen aller beteiligten Behörden am Freitag in der Senatskanzlei. Endgültig soll die Frage nun auf einer Staatssekretärsrunde am Montag entschieden werden.
Um das kostenlose Schulessen für Grundschüler ab dem kommenden Schuljahr nicht zu gefährden, soll die aktuelle Ausschreibung nicht gestoppt werden, hieß es am Freitag aus dem Teilnehmerkreis. Sie sieht den aktuell gültigen Mindestlohn von neun Euro für die Caterer vor. Der Senat hatte allerdings beschlossen, den Mindestlohn für Unternehmen, die Landesaufträge annehmen wollen, auf 12,50 Euro zu erhöhen. Dieses Vergabegesetz ist aber noch nicht in Kraft - und kann deshalb in der Ausschreibung auch nicht gefordert werden.
Nun soll den künftigen Caterern deutlich gemacht werden, dass Berlin einen Stundenlohn von 12,50 Euro für die Mitarbeiter erwartet. Die Wirtschaftsverwaltung soll das nach der Vergabe überprüfen. Wenn Caterer dagegen verstoßen, sollen die Verträge gekündigt werden und neue Ausschreibungen erfolgen.
Elf Bezirke haben das Schulessen bereits ausgeschrieben
Die Lage ist kompliziert. Da die Verwaltung die Versorgung der Grundschüler mit dem Mittagessen nach den Sommerferien sicherstellen muss, hat sie die Ausschreibung jetzt auf den Weg bringen müssen. Da das neue Vergabegesetz noch nicht gilt, musste in der Ausschreibung der aktuell gültige Mindestlohn gefordert werden – der allerdings im Sommer veraltet sein wird.
Elf der zwölf Bezirke haben inzwischen die Ausschreibungen auf den Weg gebracht und können sie nicht ohne Zeitverzug stoppen. Im Senat wurden nun verschiedene Lösungsmöglichkeiten diskutiert, um dieses Versehen zu korrigieren. Doch alle diskutierten Möglichkeiten lassen sich nach Überzeugung der Verwaltungsjuristen und einer herbeigezogenen Vergabe-Kanzlei nicht rechtssicher umsetzen.
So stand im Raum, die bestehenden Verträge um ein halbes Jahr zu verlängern, um Zeit für eine neue Ausschreibung zu erhalten, oder eine schrittweise Anhebung der Bezahlung festzuschreiben. Als einziger gangbarer Weg gilt die nun gefundene Regelung, wonach auf Freiwilligkeit der Essenslieferanten gesetzt wird – mit der Option der Kündigung der Verträge, sollten Caterer gegen die Vorgaben verstoßen.
In der Koalition war ein Streit darüber ausgebrochen, wer den Fehler zu verantworten hat. Formal ist die Bildungsverwaltung zuständig. Doch Bildungssenatorin Sandra Scheeres (SPD) will nur für die qualitativen und quantitativen Vorgaben des Schulessens verantwortlich sein und verweist auf die Vergabekammer, die bei der Wirtschaftsverwaltung angesiedelt ist. Doch die sieht weiter die Bildungsverwaltung als federführend an. „Wir haben alles dafür getan, dass das Vergabegesetz mit dem neuen Vergabemindestlohn von 12,50€ schnellstmöglich in Kraft treten kann. Jetzt sind der Rat der Bürgermeister und das Abgeordnetenhaus am Zuge“, heißt es dazu aus der Wirtschaftsverwaltung.
Bis zu 10.000 Mitarbeiter müssen mit weniger Geld auskommen
Gewerkschaften, Unternehmen und Opposition sind gleichermaßen in Aufruhr. Womöglich sorgen dieser und andere Formfehler dafür, dass die Ausschreibung scheitert und das inzwischen vollständig vom Senat bezahlte Essen für 300.000 Grundschüler ab dem Sommer nicht wie geplant geliefert werden kann, heißt es. Die Aufträge sollen bis 2024 vergeben werden. Insgesamt geht es um eine halbe Milliarde Euro für die Leistung der Caterer.
Die Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG) geht von bis zu 10.000 Mitarbeitern aus, die nun womöglich mit weniger Geld auskommen müssen, als die rot-rot-grüne Regierungskoalition ihnen eigentlich zugestehen will. Die Caterer seien nicht tarifgebunden, sodass eine Lohnuntergrenze sehr hilfreich wäre, vermutet die Gewerkschaft. Gerade das Personal, das in den Schulen die Portionen austeilt, verdiene selten mehr als neun Euro.
Nun auf Freiwilligkeit der Unternehmer zu setzen, ist nach Angaben der Gewerkschaft blauäugig. Die Bildungsverwaltung rechnet mit deutlich geringeren Auswirkungen. Sie spricht von 2000 und 4000 Mitarbeitern, die betroffen wären.
Auch der Deutsche Gewerkschaftsbund zeigt sich entsetzt. Der Senat müsse die Ausschreibung stoppen oder mit entsprechenden Klauseln für eine Korrektur sorgen, forderte Berlins DGB-Chef Christian Hoßbach.
Die neue Ausschreibung war nötig geworden, weil ab August 2020 neue Bedingungen für die Schulcaterer gelten sollen. So erhöht sich der Bio-Anteil der Essen auf 30 Prozent, und die „Stärkbeilagen“ – also Nudeln, Kartoffeln und Reis – dürfen nur noch in Bioqualität angeboten werden. Dafür erhalten die Caterer mehr Geld. Pro Portion sind es nun nicht mehr wie derzeit 3,25 Euro, sondern 4,09 Euro – eine Steigerung um 25 Prozent.
Ab August 2021 geht es weiter hoch, auf 4,36 Euro. Dafür soll dann aber der Bio-Anteil auch schon bei 50 Prozent liegen. In allen Preisberechnungen ist bereits eine Entlohnung der Mitarbeiter von 12,50 je Stunde enthalten. Das Geld wurde auch in dieser Höhe vom Hauptausschuss freigegeben und wird bei der Vergabe an die Unternehmen geleistet. Erste Caterer haben bereits zugesagt, ihre Mitarbeiter entsprechend der Vorgaben zu entlohnen.
Die Beitragsfreiheit kostet Berlin ab 2021 jährlich 145 Millionen Euro. Das kostenlose Mittagessen für Grundschüler wurde für das aktuelle Schuljahr im Sommer 2019 eingeführt.