Berlin. Berliner bekommen deutlich weniger Rente. Vor allem Männer sind betroffen - sie müssen mit monatlich 200 Euro weniger auskommen.

Wer in Berlin gegenwärtig in den Ruhestand geht, erhält eine spürbar niedrigere Rente als in den Jahren zuvor. Von dieser Verschlechterung betroffen sind vor allem Männer. Die Neurenten liegen bei ihnen etwa 200 Euro unter den Bestandsrenten. Besonders stark gilt dies für Ost-Berliner.

Zu diesem Ergebnis kommt der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) Berlin-Brandenburg, der am Donnerstag seinen Rentenreport vorgestellt hat. Dafür wertet der Dachverband Daten der Deutschen Rentenversicherung aus. Die Ergebnisse beziehen sich auf das Jahr 2018.

Vor allem die Entwicklung der Neurenten bei Männern sei beunruhigend: Männer erhalten laut DGB im Westteil Berlins 143 Euro weniger Rente bei Eintritt. In Ost-Berlin sind es sogar 208 Euro weniger. In Brandenburg liegt das Minus bei 149 Euro.

Entwicklung der Rentenhöhe und Altersarmut in Berlin
Entwicklung der Rentenhöhe und Altersarmut in Berlin © bm infografik | C. Schlippes

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Folglich erhalten 51 Prozent der Männer in der Region Berlin-Brandenburg eine monatliche Rente in Höhe von nur 1035 Euro (Einzelpersonenhaushalt). Das entspricht der statistischen Armutsgrenze. Aber auch 60 Prozent der Frauen würden bei jetzigen Renteneintritt unter oder nur knapp darüber liegen.

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Rente in Berlin: Bei Frauen ist die Lage nicht ganz so prekär

Bei den Berliner Frauen ist die Lage aber insgesamt nicht ganz so prekär. Ost-Berliner Frauen erhalten durchschnittlich sogar geringfügig (15 Euro) mehr Rente. In West-Berlin ist diese allerdings um 22 Euro gesunken.

Dass die Zahlen im Osten Berlins besser ausfallen, begründet der DGB-Bezirksvorsitzende Christian Hoßbach damit, dass sich dort auch 30 Jahre nach der Wende mehr Frauen über lange Zeit in einem Arbeitsverhältnis befänden. Sie hätten in der Regel länger in die Rentenkasse eingezahlt und erhielten mehr Rente.

Knapp 50 Prozent der West-Berliner Frauen im Rentenalter erhalten eine Rente unter 750 Euro und liegen damit weit unter der Armutsgefährdungsgrenze. Bei den Männern sind es 43,3 Prozent. Im Ostteil Berlins liegt dieser Wert bei den Frauen bei 23,7 Prozent und bei den Männern bei 25,8 Prozent.

Die Zahl der Menschen, die im Alter von Armut betroffen sind, sei also weiter gestiegen, berichtet Christian Hoßbach. Insgesamt seien im Jahr 2018 mehr als 100.000 Menschen in der Region auf Grundsicherung im Alter oder bei Erwerbsminderung angewiesen. Darunter sind 82.294 Berliner. Damit hat sich die Zahl der von Armut bedrohten Rentner in der Hauptstadt seit 2003 mehr als verdreifacht.

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Grundsicherung wird häufig nicht in Anspruch genommen

Zwei Drittel derer, die Anspruch auf Grundsicherung im Alter hätten, nehmen diese aber gar nicht wahr. Ein häufiger Grund sei Scham, berichtet Marianne Kellner, Versichertenälteste in Berlin. In ihrem Ehrenamt berät sie jeden, der Interesse oder Bedarf hat, zum Thema Rente. Auf der Internetseite der Deutschen Rentenversicherung findet sich eine Auflistung der Auskunft- und Beratungsstellen durch Versichertenälteste nach Bezirken sortiert. Aus ihrer Erfahrung weiß sie: „Es sieht nicht rosig aus.“

Die Zahl der von Armut bedrohten Rentner liegt also höher, weil viele die Grundsicherung nicht in Anspruch nehmen. Dabei steht diese nach SGB XII jedem zu, der im Rentenalter keine ausreichenden Rentenansprüche hat. Wer zum Beispiel eine Versichertenrente in Höhe von 600 Euro im Monat bekommt, ist in der Regel auf Grundsicherung angewiesen. Sinkt das Rentenniveau bis 2030 auf 43 Prozent, könnten in Berlin 750.000 Rentner von Altersarmut bedroht sein.

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Geringe Renten: „Spiegel der Beschäftigung“

Folglich steigt die Zahl derer, die nach Renteneintritt weiter arbeiten gehen. „Dass so viele auf Fürsorgeleistungen der öffentlichen Hand angewiesen sind, muss als Weckruf verstanden werden“, so Hoßbach. Damit die Rente auch wieder das tut, wozu sie dient, nämlich den eigenen Lebensstandard sichern, müsse die zwischen SPD und Union verabredete Grundrente zügig verabschiedet werden.

Die Einführung ist für Januar 2021 geplant. Seit Mitte Januar liegt ein Gesetzesentwurf zur Grundrente vor. Gerade für die Berliner und Brandenburger sei die Grundrente besonders wichtig, sagt Hoßbach. Seien doch Betriebsrenten und andere Alterseinkünfte hier deutlich seltener.

Geringe Renten seien ein Spiegel der Beschäftigung, so der DGB-Bezirksvorsitzende. Das gesunkene Rentenniveau, häufige Arbeitslosigkeit und verbreitete Niedriglöhne hätten den Rentenanspruch schwer beschädigt, sagt Christian Hoßbach.

Er fordert, den Niedriglohnsektor weiter zurückzudrängen und allgemeinverbindliche Tarifverträge einzuführen. Niedrige Löhne und demnach geringe Rentenbeiträge seien ein Grund für Armut im Alter, sagt Hoßbach. „Jeder muss für sich das beste Einkommen durchsetzen“, appelliert Hoßbach an jeden Einzelnen.

Die Lage sei ganz ähnlich bei den Soloselbstständigen (Selbstständige ohne Mitarbeiter), von denen es in Berlin deutschlandweit betrachtet die meisten gibt. Im Durchschnitt haben diese 500 Euro im Monat weniger zur Verfügung als abhängig Beschäftigte. Die bislang freiwillige Absicherung für das Alter können sich viele schlichtweg gar nicht leisten. Der DGB fordert deshalb, dass auch die Kleinstselbstständigen in den Schutz der gesetzlichen Rentenversicherung einbezogen werden.