Berlin. Auch andere Metropolen versuchen, mit einem Mietendeckel den Wohnungsmarkt zu regulieren: Erfahrungsberichte aus Stockholm und Genf.
Am kommenden Donnerstag stimmen die Berliner Abgeordneten darüber ab, ob die Mieten in der Hauptstadt per Gesetz für 1,5 Millionen vor 2014 gebaute Wohnungen fünf Jahre lang auf dem Stand von Mitte 2019 eingefroren werden und für Neuvermietungen Obergrenzen je nach Alter und Ausstattung der Quartiere gelten sollen.
Dass das Gesetz kommen wird, gilt angesichts der rot-rot-grünen Stimmenmehrheit im Parlament als sicher. In zahlreichen Gesprächsforen versuchen Gegner wie Befürworter des Mietendeckel-Gesetzes noch, für ihre Sicht der Dinge zu werben. Darunter auch die FDP, die sich am Montag interessante Diskutanten aufs Podium geholt hat. Neben einem Mietervertreter und einer Juristin berichteten ein Schweizer und ein Schwede vom Leben mit dem Mietendeckel.
Beispiel Stockholm: 673.000 Bürger auf der „Wohnwarteschlange“

„Auf eine Wohnung in Stockholm müssen Sie länger warten als damals die DDR-Bürger auf einen Trabant“, sagt Robert Hannah. Der Jurist sitzt als Abgeordneter für die Liberalen im Schwedischen Reichstag und berichtet über die Auswirkungen des 1969 eingeführten Mietendeckels in der Hauptstadt Stockholm. Aktuell betrage die Wartezeit auf eine Mietwohnung dort elf Jahre. „In den begehrten Innenstadtlagen sind auch 30 Jahre keine Ausnahme“, so der Politiker.
In der mit 2,1 Millionen Einwohnern größten Stadt Schwedens stünden aktuell 673.000 Bürger auf der „Wohnwarteschlange“. Da aber kaum jemand jahrzehntelang auf eine Wohnung warten könne, blühe der Schwarzmarkt. 50.000 Euro „Abstandszahlungen“ für einen Mietvertrag seien keine Seltenheit. „Studien besagen, dass rund 50 Prozent der Mietverträge unter der Hand vergeben werden“, sagt der Politiker, der auf Einladung der Berliner FDP am Abend im Stilwerk an der Kantstraße von den schwedischen Erfahrungen mit dem Mietendeckel berichten sollte. Anders als in anderen Städten wie etwa Lissabon habe die schwedische Variante des Mietendeckels jedoch nicht zu einem Verfall der Häuser geführt.
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„Die Miete richtet sich in erster Lage nach der Ausstattung, nicht nach der Lage der Wohnung“, so Hannah. Über den Einbau von Handtuchwärmern und ähnlichem versuchten einige Vermieter deshalb, die Miete dennoch anzuheben. Insgesamt könne er vor einem Mietendeckel nur warnen. „In Schweden jedenfalls begünstigt er die Reichen und diejenigen, die schon lange eine Wohnung haben, denn nur diese Menschen können so lange auf eine Wohnung warten oder haben das Geld, um eine Wohnung zu kaufen oder die geforderten Abstandszahlungen für eine Mietwohnung aufzubringen“, sagt Hannah. In Schweden schaue man jetzt auf der Suche nach Lösungen in Richtung Deutschland – allerdings nicht nach Berlin. „Ein Mietspiegelsystem, an dem sich Mieter und Vermieter orientieren, können wir uns in Schweden gut vorstellen.“
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Beispiel Genf: Sanierungen und der erforderliche Neubau unterbleiben
Anders als in Schweden, wo der Mietendeckel in allen Städten gilt, gibt es in der Schweiz nur die Stadt Genf, die per Volksabstimmung seit 1996 eine entsprechende Regelung erlassen hat. „Bei uns allerdings werden Sanierungen, Umbauten und Modernisierungen sehr restriktiv behandelt“, berichtet Hugues Hiltpold, der bis 2019 für die Liberalen Mitglied im Nationalrat war.
Der Architekt warnt deshalb vor allem vor allzu starren Regeln, die in Genf dazu geführt hätten, dass sowohl die notwendige Sanierungen in die bröckelnden Altbauten als auch der erforderliche Neubau unterbleiben – was die Wohnungsnot wiederum verstärkt. Auch in Genf seien davon – wie auch in Schweden – vor allem Zuzügler, Studenten oder junge Familien, die besonders auf bezahlbaren Wohnraum angewiesen seien, besonders betroffen. In der Folge gebe es extreme Verkehrsprobleme, denn die Menschen seien dazu gezwungen, weit entfernt zu wohnen. Dass sich die Genfer trotz der negativen Auswirkungen bislang nicht dazu durchringen konnten, das umstrittene Gesetz wieder zu kippen, erklärt Hiltpold mit dem Beharrungsvermögen. „In der Schweiz gilt: Was kommt, das bleibt.“
Damit gibt Hiltpold das Stichwort für den Berliner FDP-Fraktionschef Sebastian Czaja: „Auf solche Auswirkungen wollen wir in Berlin nicht warten, deshalb werden wir – wie angekündigt – den Mietendeckel vom Verfassungsgericht überprüfen lassen.“