Landesunternehmen

BVG soll Tochterfirma auflösen

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Joachim Fahrun
In einer Reihe stehen diese Busse der BVG auf einem Omnibushof in Berlin.

In einer Reihe stehen diese Busse der BVG auf einem Omnibushof in Berlin.

Foto: dpa Picture-Alliance / Rainer Jensen / picture-alliance/ dpa

Die SPD will die Mitarbeiter der Berlin Transport in die Verkehrsbetriebe integrieren und so für mehr Gerechtigkeit sorgen.

Die SPD-Fraktion startet eine neue politische Initiative, um ihr Ziel von „guter Arbeit“ auch in den Berliner Landesunternehmen durchzusetzen. Nachdem die rot-rot-grüne Koalition bereits die mit schlechteren Konditionen für die Beschäftigten arbeitenden Tochterfirmen der Krankenhauskonzerne Charité und Vivantes in die Stammhäuser wieder eingliedern ließ, sind nun die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) an der Reihe.

Die Fahrdiensttochter Berlin Transport GmbH (BT) soll nach dem Willen der SPD wieder in die BVG-Anstalt öffentlichen Rechts integriert werden. „In einem Unternehmen sollte es keine Arbeitnehmer zweiter Klasse geben“, sagte Fraktionschef Raed Saleh am Freitag. „Das ist nicht fair.“ Das Land Berlin solle „mit gutem Beispiel vorangehen“, ehe es mit dem Finger auf andere in der Privatwirtschaft zeige. Die Auslagerung öffentlicher Kernaufgaben in private oder privatwirtschaftlich organisierte Einheiten sei „ein Irrweg“, so Saleh.

Die BT war im Jahr 1999 gegründet worden, um die Berliner Verkehrsbetriebe sanieren zu können. Die dort eingestellten neuen Mitarbeiter verdienten erheblich weniger als die Stammbelegschaft. Sie wurden nach dem niedrigeren Tarif für das private Omnibusgewerbe entlohnt. Zwar seien diese Gehaltsunterschiede zwischen den 1960 Bus- und U-Bahnfahrern der BT und den BVG-Kollegen inzwischen eingeebnet, wie der SPD-Verkehrsexperte Tilo Schopf sagte. Seit 2005 gilt für beide Unternehmen demnach der Tarifvertrag Nahverkehr. So konnten auch die BT-Mitarbeiter von dem Gehaltssprung dieses Jahres profitieren, der den Beschäftigten erhebliche Zuwächse brachte.

Ungerechtigkeit liegt vor allem in den Arbeitsbedingungen

Die Ungerechtigkeit liegt nach Auffassung der Sozialdemokraten und der BT-Betriebsräte vor allem in den Arbeitsbedingungen. So müssten nur die BT-Fahrer kurzfristig einspringen, wenn irgendwo ein Kollege ausfalle. Dabei sei es durchaus üblich, dass ein in Pankow wohnender Mitarbeiter eine Linie in Spandau oder Steglitz fahren müsse. Die langen Wege seien gerade am frühen Morgen oder am späten Abend ein Problem.

In einer gemeinsamen Belegschaft lasse sich mehr Rücksicht auf „besondere Dienste im Sinne von Beruf und Familie nehmen“, heißt es im Entwurf der SPD-Fraktion für einen Antrag im Abgeordnetenhaus. Dieser muss aber erst noch in der Fraktion und dann zwischen den Koalitionspartnern abgestimmt werden. Auch die Pausen der BT-Fahrer sind an den Wendestellen der Linien kürzer als die der BVG-Kollegen. Zudem gebe es Differenzen in der Altersversorgung.

Nicht ausschließen wollten die Sozialdemokraten, dass beim Wegfall der flexiblen Einsatzreserve in der BT auch die anderen Kollegen häufiger einspringen müssten. Das müsse verhandelt werden, sagte die SPD-Abgeordnete Bettina König, die die BVG als früherer Trainee von innen kennt. Die Beschäftigten in der Tochterfirma seien unzufrieden, der Krankenstand sei sehr hoch. Deswegen könne die BT oft ihre vertraglichen Verpflichtungen gegenüber der Mutterfirma nicht erfüllen.

Raed Saleh: „Soziale Gerechtigkeit darf Geld kosten“

Dass der BVG durch die Eingliederung der Tochterfirma höhere Kosten entstünden, wollen die SPD-Politiker in Kauf nehmen. „Soziale Gerechtigkeit darf auch Geld kosten“, sagte Fraktionschef Raed Saleh. Für die Berliner Verkehrsbetriebe ist das Thema jedoch nicht so einfach. Denn sitzt das Landesunternehmen bisher allein auf den Mehrkosten von 100 Millionen Euro pro Jahr, die der Tarifvertrag aus dem vergangenen Frühjahr mit sich bringt. Das laufende Jahr wird die BVG deshalb, wie berichtet, mit einem Minus von 73 Millionen Euro abschließen.

Aus Sicht der Sozialdemokraten ist es aber nicht ausgemacht, dass eine Integration tatsächlich mehr kostet als der Status quo. Die Verwaltung der BT sei in Relation zu allen Beschäftigten mit 100 Personen stärker besetzt als im Mutterunternehmen, heißt es im Antrag.

Als Vorbild für die Wiedereingliederung gilt der SPD das Vorgehen bei den Straßenbahnfahrern. Diese Berufsgruppe wurde bereits im Jahr 2014 aus der BT wieder ins Stammhaus übernommen, ohne dass es Probleme gegeben habe, heißt es. Eine zukunftsgerichtete Entwicklung der Berlin Transport mit der wachsenden Stadt sei kaum möglich, weil die Beschäftigtenzahl auf 2000 begrenzt sei.

Verkehrsbetriebe reagieren überrascht auf Vorstoß

Die Koalitionspartner Grüne und Linke wissen noch nichts von dem Vorstoß der SPD. In einer ersten Reaktion zeigte sich Grünen-Verkehrsexperte Harald Moritz aber offen für die Idee. „Das ist eine richtige Überlegung“, sagte der Abgeordnete. Die Mitarbeiter hätten den gleichen Arbeitsplatz, da sollten sie auch die gleichen Arbeitsbedingungen haben. Gleichwohl gibt es in der Koalition aber Kräfte, die die BT als Option einer Tochter mit günstigeren Lohnkosten für eventuell kommende schlechtere Zeiten behalten wollen.

Saleh rechnet mit bis zu zwei Jahren, um die Integration politisch durchzusetzen und zu vollziehen. Denn die Zahl der Mitarbeiter ist größer als die in den Tochterunternehmen der Krankenhaus-Unternehmen. An der Charité wird die Service-Tochter CFM eingegliedert, bei Vivantes zwei kleine Gesellschaften, in denen verschiedene Therapeuten beschäftigt sind. Unter anderem diese politischen Vorgaben hatten dazu geführt, dass Vivantes-Chefin Andrea Grebe nicht weitermachen wollte. Saleh hängt die Frage der Tochterunternehmen mit schlechteren Konditionen aber sehr hoch: Hier gehe es um die „Fortsetzung der Vision von der fairen und bezahlbaren Stadt“. Um glaubwürdig zu sein, müsse die SPD dort handeln, wo sie selber Verantwortung trage.

Die BVG reagierte überrascht auf den SPD-Vorstoß: „Die BT ist ein erfolgreiches und modernes Unternehmen mit flexiblen und schlanken Strukturen“, sagte Sprecherin Petra Nelken. Die Beschäftigten hätten die gleichen Tarifverträge wie die BVG-Mitarbeiter. Es gebe daher keinen Vorteil, die BT zu integrieren. Vielmehr entstünden dadurch Verwaltungsmehrkosten. „Geld, das wir lieber in ein noch besseres ÖPNV-Angebot investieren würden“, so Nelken.