Berlin. Die Sparkasse hat Kritiker und Befürworter zum Mietendeckel befragt – mit überraschenden Einsichten.

Kein Thema beschäftigt die Berliner Öffentlichkeit derzeit so stark wie die geplante Einführung des Mietendeckels. Kommt er, kommt er nicht, ist er verfassungsgemäß oder wird er vom Bundesverfassungsgericht gekippt – und welche Folgen hat er? „Deckel drauf und gut?“, fragte die Berliner Sparkasse daher und lud zu einer Diskussion in das Alexanderhaus am Alexanderplatz ein. „Wo liegt der Weg für Berlin?“, fragte Sparkassenvorstand Hans Jürgen Kulartz zum Auftakt und verband die Frage mit dem Wunsch, „ohne Übertreibung in die eine oder andere Richtung Lösungen zu finden“.

„Senatspläne gefährden den Neubau“

Aus Sicht von Marcus Buder, dem Leiter der gewerblichen Immobilienfinanzierung der Sparkasse liegt die Lösung klar auf dem Tisch: „Neubau, Neubau, Neubau.“ Nur so lasse sich das Mietenproblem in der Stadt lösen. Dafür benötige die Immobilienwirtschaft Rechtssicherheit statt eines Mietendeckels. Die Senatspläne würden die Finanzierung von Neubau stattdessen gefährden, wenn für Investoren nicht klar sei, ob sie künftig die erforderlichen Mieten erheben dürfen, um die Kosten für den Neubau zu decken. Buder stellte zudem die Wirksamkeit des Mietendeckels infrage. „Wer glaubt, der Mietendeckel deckelt Mieten, der glaubt auch, dass Zitronenfalter Zitronen falten“, sagte Buder.

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Alternative: Förderprogramm zum Eigentumserwerb

Stattdessen empfahl der Banker dem Senat, ein Förderprogramm zum Erwerb von Eigentum auf den Weg zu bringen. In Berlin liegt die Eigentumsquote mit 15 Prozent deutlich unter dem Bundesdurchschnitt (45 Prozent) oder anderen Städten, wie München (28 Prozent). Das könnte sich ändern, wenn das Land den Berlinern ein zinsloses Darlehen zur Verfügung stelle, um ein Eigenheim zur Altersvorsorge anschaffen zu können.

TU-Professor kritisiert „handwerklich schlecht gemachtes Gesetz“

Auch Jan Kehrberg, Jurist und Honorarprofessor an der TU Berlin, warf dem Senat schlechte Arbeit vor. „Das Mietendeckelgesetz ist ein durch und durch handwerklich schlecht gemachtes Gesetz“, sagte Kehrberg. „So etwas habe ich noch nicht erlebt – dass ein Parlament so wenig Sachverstand einbezieht.“ Dabei bezog sich Kehrberg auf die weitreichenden Pläne des Senats, nicht nur die Mieten für fünf Jahre zu deckeln, sondern auch die Möglichkeit der Mietabsenkung einzuführen.

71 Prozent der Berliner sind für einen Mietendeckel

Kehrberg verwies aber auch auf die allgemeine Stimmungslage in der Stadt. Trotz der erheblichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Mietendeckels, befürwortet eine breite Mehrheit der Berliner die geplante Deckelung. Nach der jüngsten Umfrage des Meinungsforschungsinstituts infratest dimap im Auftrag der Berliner Morgenpost und des RBB finden 71 Prozent der Berliner den Mietendeckel gut, auch jeder zweite Wohnungseigentümer begrüßt demnach das Einfrieren der Mieten.

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Das dürfe die bei der Diskussion über den Mietendeckel laut Kehrberg nicht ignoriert werden. Der Jurist sieht im Gegenteil erhebliche Gefahren für den Zusammenhalt in der Stadt. Angesichts der immer größeren Ballung von Reichtum bei immer weniger Menschen, gerate die Gesellschaft ins Wanken, warnte Kehrberg – um abschließend ein verblüffendes Fazit zu ziehen. „Ich glaube, die Urbanisierung ist vorbei“, sagte der Jurist. „Wohnen in Berlin ist zu teuer.“ Stattdessen sollte die Stadt auf Gewerbe in der Stadt und Wohnen in den Außenbezirken und dem Umland setzen.

Mieterverein verteidigt die Senatspläne

Es war dem Geschäftsführer des Berliner Mietervereins, Reiner Wild, vorbehalten, die Senatspläne zu verteidigen. „Eine öffentlich-rechtliche Regelung der Mietenpolitik mach Sinn“, sagte Wild und unterlegte seine Auffassung mit Zahlen. Zwischen den Jahren 2002 und 2018 seien die Nettokaltmieten in der Stadt um 66 Prozent gestiegen, die Mietnebenkosten um 39 Prozent. Trotz der bundesweit eingeführten Mietpreisbremse seien die Durchschnittsmieten allein in den vergangenen Jahren von 8,75 Euro auf 10,34 Euro je Quadratmeter gestiegen. Die Hälfte der Mieter müsse inzwischen 25 Prozent des Haushaltseinkommens oder mehr allein für die Miete aufwenden. Angesichts weiter steigender Miet- und Bodenpreise schlug Wild vor, das Gemeinwohl orientierte Wohnen – also Genossenschaften und Baugruppen – stärker zu fördern, um die Mieten künftig nicht weiter ansteigen zu lassen.

In der folgenden Diskussion im Alexanderhaus stand vor allem SPD-Fraktionschef Raed Saleh in der Kritik, der die Einladung der Sparkasse in die Runde der Deckel-Gegner angenommen hatte. „Wenn das soziale Gefüge schief ist, hat der Staat die Pflicht, zu handeln“, sagte Saleh. „Ich bin überzeugt davon, dass der Mietendeckel für fünf Jahre, mit oder ohne Inflationsausgleich, Vorbild für zahlreiche andere Städte sein wird.“ Kopfschütteln von den meisten Gästen der Sparkasse erntete Saleh mit der These, der Mietendeckel sei ein regelrechtes Konjunkturprogramm für die Stadt, weil das Geld, das die Mieter dadurch sparten, in den Konsum investieren würden.

Immobilienwirtschaft sieht sich als „Verbrecher“ diffamiert

Diese These blieb nicht unwidersprochen. „Der Mietendeckel ist kein Mietendeckel sondern eine Mietenpresse“, sagte Susanne Klabe, Geschäftsführerin des Spitzenverbandes der privaten Immobilienwirtschaft (BfW), weil er neben der Deckelung auch die Absenkung von mieten vorsieht. Klabe kritisierte auch den Stimmungswandel in der Stadt. „In die Debatte ist eine Tonalität eingezogen, wonach Investoren alle Verbrecher sind“, kritisierte die Geschäftsführerin.

In die gleiche Richtung stießen der Vizepräsident der Bauindustrie, Marcus Becker, der Generalbevollmächtigte der Investitionsbank, Matthias von Bismarck-Osten und der ehemalige Finanzsenator und Mitbegründer der Initiative Neue Wege für Berlin für mehr Wohnungsbau, Peter Kurth (CDU). „Wir stellen fest, dass unsere Investoren einen weiten Bogen um die Stadt machen“, sagte Becker. „Die SPD fährt mit dem Mietendeckel einen Frontalangriff auf die soziale Marktwirtschaft.“ Der Neubau von 3500 Wohnungen durch die Privatindustrie, davon 1000 Sozialwohnungen sei durch die Senatspläne in Gefahr.

Matthias von Bismarck-Osten kritisierte, dass mit dem Mietendeckel die Lasten vor allem auf die Eigentümer abgewälzt würden. Stattdessen müssten sich alle bewegen und sich von „heiligen Kühen“ zu verabschieden. Dazu gehört nach Überzeugung des IBB-Managers die Randbebauung des Tempelhofer Feldes oder der Elisabeth-Aue in Pankow. Für Peter Kurth versagt das Land auf mehreren Ebenen beim Wohnungsneubau. „Es gibt bezirkliches und behördliches Fehlverhalten in Hülle und Fülle“, sagte Kurth. Wer so, wie der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD), mit unbebauten Flächen in der Stadt umgehe, könne nicht behaupten, dass soziale Mieten das drängendste Problem der Stadt seien. „Wenn die Diskussion dazu führt, dass am Ende Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) ihren Job verliert, wäre immerhin etwas gewonnen“, sagte Kurth unter dem Beifall der Sparkassengäste.

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