Berlin. Die Rechnerteile tragen die Namen berühmter Forscherinnen. Einen stellte der Sohn von Computerpionier Konrad Zuse.
Knapp 80 Jahre ist es her, dass Konrad Zuse seine legendäre Z3 in Berlin zum Laufen brachte. Die Bauweise des ersten funktionsfähigen Digitalrechners war recht rustikal: Ein Elektromotor drehte ein Walze 5,3 Mal pro Sekunde. Während einer Drehung konnte die als Universalrechner bezeichnete Z3 damit genau eine Rechenoperation vornehmen.
Im Jahr 2019, genauer am Freitag, wurde im Zuse Institut Berlin (ZIB) nun der neueste Supercomputer eingeweiht. Auch er hört auf eine Abkürzung, deutlich komplizierter allerdings: HLRN-IV.
Die Präsentation am Freitag ist ein anschauliches Beispiel dafür, welchen technischen Sprung die Menschheit innerhalb von nur zwei Generationen gemacht hat. Dafür steht eine Zahl: 16 Billiarden. So viele Rechenoperationen macht das HLRN-IV-System pro Sekunde. Und dafür steht ein Name: Zuse. Mit bei der Präsentation ist der Informatik-Professor Horst Zuse, der Sohn von Computerpionier Konrad Zuse.

Neuer Supercomputer ist sechsmal schneller als der Vorgänger
In seinem endgültigen Zustand werde das HLRN-IV sein Vorgängersystem um mehr als das Sechsfache übertreffen, erklärt Alexander Reinefeld, Wissenschaftlicher Leiter des ZIB. Künftig soll das System in den norddeutschen Bundesländern für Forschungszwecke genutzt werden.
„Exzellente Forschung braucht exzellente Rahmenbedingungen“, sagt Wolf-Dieter Lukas, Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung. „Deutschland nimmt im Hochleistungsrechnen eine führende Rolle ein. Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus allen Disziplinen haben in Deutschland Zugang zu einigen der weltweit besten Rechnern“.
30 Millionen Euro ließen Bund und Länder sich das moderne HLRN-IV-System kosten. Die Finanzierung des Supercomputers erfolgt zu jeweils 50 Prozent durch das Bundesministerium für Bildung und Forschung und die Bundesländer Berlin, Brandenburg, Bremen, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen und Schleswig-Holstein.
Physikerin Lise Meitner und Mathematikerin Emmy Noether sind Namenspatroninnen
HLRN-IV besteht aus zwei Computern mit deutlich eingängigeren Namen: Lise und Emmy. Namenspatroninnen sind die Physikerin Lise Meitner und die Mathematikerin Emmy Noether.
Aber Lise und Emmy trennen mehr als 250 Kilometer Luftlinie. Lise ist Berlinerin, Emmy steht in Göttingen. Verbunden sind sie durch eine 10-Gigabit-Datenleitung, wodurch sie als ein einziges großes Supercomputersystem betrieben werden können und komplexe Berechnungen für den Forschungsbedarf an mehr als 120 Hochschulen und über 170 Forschungseinrichtungen in den sieben beteiligten Bundesländern durchführen.
Das hochleistungsfähige Rechensystem soll dazu dienen, Antworten auf wichtige Fragen der heutigen Zeit zu finden. Unter anderem sollen so Wetter, Klima- und Umweltschutz sowie die Entwicklung wirksamer Medikamente und neuer Materialien präziser und schneller erforscht werden können. Außerdem soll die moderne Technologie neue Erkenntnisse in der Grundlagenforschung, wie zum Beispiel die Entstehung der Erde, liefern.
Rechner kann komplizierte wissenschaftliche Prozesse präzise simulieren
„Der HLRN-IV Computer besitzt über 200.000 Rechenkerne. Im Vergleich dazu verfügt ein typisches Notebook hingegen nur über vier bis acht davon“, erklärt Alexander Reinefeld vom ZIB. Berechnungen wie beispielsweise in der Arzneimittelforschung oder Klimasimulation sollen mit Lise und Emmy deutlich schneller und präziser durchgeführt werden können als mit ihren Vorgängern.
Mittels solch großen Rechenleistungen können wissenschaftliche Prozesse simuliert werden, die als Experiment zu gefährlich, schnell, teuer oder gar nicht möglich sind. Die Simulationen werden durch den präzisen Rechner dreidimensional und mit hoher Auflösung durchgeführt, um der Wirklichkeit möglichst nahe zu kommen. Diese Simulationen können alle Bereiche der Wissenschaft und des täglichen Lebens betreffen.
„Die Ergebnisse dieses technischen Fortschritts tragen unter anderem zu einer effizienteren Ausnutzung vorhandener Energien und Erschließung neuer Energiequellen bei“, sagt Reinefeld. Außerdem können auf diese Weise eine Verringerung des Schadstoffausstoßes bei Verbrennungsvorgängen ermöglicht und somit zum Umwelt- und Klimaschutz beigetragen werden.
Das Superschmerzmittel aus dem Supercomputer
Bei der Präsentation des Supercomputers wurde auch auf erste Erfolge von Lise und Emmy verwiesen. Durch das HLRN-IV-System ist es einem Berliner Team aus Mathematikern, Chemikern und Medizinern des Zuse-Instituts, der Freien Universität und der Charité gelungen, ein neues, hochwirksames Schmerzmittel vollständig im Computer zu entwickeln.
Mit dem HLRN-Supercomputer konnte auf der Grundlage mathematischer Modelle und aufwendiger Simulationen vorhergesagt werden, wie die Schmerzmittelmoleküle in den Opiaten auf den Körper wirken. Bei den Simulationen wurde erkannt, wie das betroffene Molekül geändert werden muss, um seine Nebenwirkungen zu vermeiden. Mittlerweile ist der neue Wirkstoff im klinischen Test.