Berliner Museen

Das Tieranatomische Theater ist Berlins ältestes Lehrgebäude

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Max Müller
Blick in den frühklassizistischen Hörsaal, der von Carl Gotthard Langhans entworfen wurde. Der Kreis in der Bildmitte deutet den ehemaligen Hubtisch an, der heute allerdings nicht mehr existiert.

Blick in den frühklassizistischen Hörsaal, der von Carl Gotthard Langhans entworfen wurde. Der Kreis in der Bildmitte deutet den ehemaligen Hubtisch an, der heute allerdings nicht mehr existiert.

Foto: Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik

Früher wurden auf dem Humboldt-Campus in Mitte Pferde seziert. Heute versteht sich das Museum als Labor, Bühne – und Kunstort.

Berlin. Ein Modell im Erdgeschoss des Tieranatomischen Theaters zeigt anschaulich, wie der beeindruckende Seminarsaal – einer der schönsten hierzulande – einst genutzt wurde: Ein totes Pferd liegt rücklings auf einem runden Tisch, die Beine von sich gestreckt. Der Tisch wurde zuvor mittels einer mechanischen Hebevorrichtung in den Lehrraum gehoben. „Von hinten kamen die Dozenten, die Studierenden betraten den Raum über die Zugänge im Obergeschoss. Anschließend wurden die Tiere seziert“, sagt Jessica Korp.

Eine wissenschaftliche Funktion wie dereinst hat das auf dem Humboldt-Campus in Mitte befindliche Gebäude heute nicht mehr. Das vom Hermann von Helmholtz-Zentrum für Kulturtechnik getragene Museum ist Labor, Bühne – und Kunstort. Korp arbeitet im Bereich der Ausstellungen, ist Ko-Kuratorin der neuen Schau „Flechtwerk der Dinge“, die es seit Ende Oktober in der ehemaligen Bibliothek des Hauses zu entdecken gibt.

Auf dem Weg dorthin lernen Besucher mittels Schautafeln das Tieranatomische Theater als solches kennen – von den Anfängen bis zur Gegenwart. Friedrich der Große (1712–1786) initiierte dereinst die Einrichtung einer Tierarzneischule. „Umgesetzt hat das Konzept dann allerdings erst sein Nachfolger, sein Neffe Friedrich Wilhelm II., der von 1744 bis 1797 lebte“, sagt Jessica Korp. Die Institution wurde dringend gebraucht. Das zunehmend auf seine militärische Stärke setzende Preußen hatte besonders bei seinen berittenen Regimentern mit Krankheiten und Seuchen zu kämpfen. „Der Schaden, der aus Mangel an guten Ross- und Viehärzten entstand“, so der preußische Monarch, sei "für das Land und die Cavallerie von allertraurigsten Folgen“.

Tieranatomischen Theater in Berlin: Bis in die 90er-Jahre fanden im Hörsaal Lehrveranstaltungen statt

Mit dem Bau des Tieranatomischen Theaters wurde Baumeister Carl Gotthard Langhans (1732–1808) beauftragt, der schon das Brandenburger Tor entwarf und den medizinischen Bau schließlich ab 1789 realisierte. Markant: die von David Gilly entwickelte Bohlenbinderkonstruktion, mit deren Hilfe die Kuppel errichtet wurde. „Ebenso wie die einzigartige Akustik. Wir haben hier einen Nachhall von bis zu vier Sekunden“, erklärt Korp.

Der Lehrbetrieb begann schließlich am 1. Juli 1790. In den kommenden Jahrhunderten wurden das Gebäude und seine Anbauten von unterschiedlichen universitären Einrichtungen genutzt. Bis in die 90er-Jahre hinein fanden im Hörsaal Lehrveranstaltungen statt. Zwischen 2005 und 2012 wurde das Tieranatomische Theater saniert und schließlich seiner heutigen Nutzung zugeführt.

Neben Performances, Konzerten und wechselnden Schauen gibt es mit „Flechtwerk der Dinge. Das Sammlungsschaufenster der Humboldt-Universität zu Berlin“ (HU Berlin) seit Oktober eine neue Dauerausstellung, die an fünf Tagen in der Woche geöffnet ist. Die ist in der ehemaligen Bibliothek des Tieranatomischen Theaters zu finden. „Das Zentrum bilden die von Langhans geschaffenen Bücherregale, von denen – bis auf eine Ausnahme – alle Originale sind“, so Korp. Die Regale sind in Fächer unterteilt. In jedem findet sich ein anderes Exponat. Eine Beschriftung fehlt. „Stattdessen setzen wir auf eine App“, erklärt Korp.

App führt durch die Ausstellung

Die Besucher können sich die App auf ihr Handy runterladen oder am Empfang ein Tablet ausleihen. "Mit Hilfe der an die Exponate vergebenen Nummern erfahren sie mehr zu den einzelnen Ausstellungsstücken, die nach der Anwahl aufleuchten“, so Korp.

Es gibt vier Themenfelder: „Sammeln vor der Haustür“, „Vielfalt der Objekte“, „Provenienz“ und „Gebrauch der Dinge“. Insgesamt werden 80 Objekte aus 24 Sammlungen der HU Berlin und verbundenen Partnerinstitutionen gezeigt. Sie stammen unter anderem aus dem Historischen Kabinett des Instituts für Psychologie, der Sammlung am Centrum für Anatomie, der Sudanarchäologischen Sammlung, der Kunstsammlung oder dem Lautarchiv.

Die Objekte stehen für sich, es existieren aber auch Querverbindungen. Besucher können sich spielerisch durchklicken oder den miteinander verwobenen Pfaden folgen. „Es geht einerseits um die Objekte, andererseits aber auch um das, was hinter ihnen steht. Was erzählen uns Aufnahmen eines kriegsgefangenen Nepalesen über das Thema ‚Migration‘“, sagt Jessica Korp und fügt hinzu: „Um Migration geht es auch in einem Schaukasten zur Seidenraupe. Die wurde damals aus Asien importiert. Das Wissen um die Seidenproduktion wiederum verdankten die Preußen den Hugenotten, nach Berlin migrierten Glaubensflüchtlingen aus Frankreich“. Einige Fächer sind derzeit noch leer. In den kommenden Monaten werden sie sich nach und nach füllen. „Wir verstehen das ‚Flechtwerk der Dinge‘ als dynamische Ausstellung“, so Korp. Die nächste Geschichte ist sicher bald gefunden.

Museums-Infos: Tieranatomisches Institut auf dem Charité-Campus Nord, Philippstr. 13, Haus 3, Mitte, Di.–Sbd. 14–18 Uhr, Tel. 934 66 25, Eintritt frei, kulturtechnik.hu-berlin.de, Führungen können unter Tel. 209 34 66 25 gebucht werden.