Berlin. Drei von vier Unternehmen in der Hauptstadtregion sind mit dem aktuellem Langstreckenangebot ab Berlin unzufrieden.

Die Berliner Wirtschaft hat erneut mehr Engagement von Politik und Flugunternehmen gefordert, die deutsche Hauptstadt direkter an das internationale Flugverkehrsnetz anzubinden. Derzeit werden lediglich sieben Langstreckenverbindungen ab den Flughäfen Tegel und Schönefeld angeboten. Die Wirtschaft hält das für unzureichend.

Laut einer am Mittwoch präsentierten IHK-Umfrage unter 150 Unternehmen mit rund 14.000 Mitarbeitern sind drei von vier Firmen in der Hauptstadtregion unzufrieden mit dem Langstreckenangebot in Berlin. Demnach hätten Mitarbeiter von Firmen aus Berlin und Brandenburg im vergangenen Jahr hochgerechnet rund 1,55 Millionen Langstreckenflüge als Dienstreisen absolviert.

Fast immer hätten die Mitarbeiter dafür an den Drehkreuzen Frankfurt am Main, München oder auch Istanbul, London und Paris umsteigen müssen, sagte IHK-Präsidentin Beatrice Kramm. „Das kostet unsere Unternehmen Zeit und Geld und ist für die Umwelt noch schädlicher“, so Kramm.

Analyse sieht Potenzial für 15 weitere Langstrecken ab Berlin

Die IHK und weitere Partner, darunter der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) Berlin, die Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg (UVB) und die Standortmarketingagentur Berlin Partner, hatten sich bereits im vergangenen Jahr zur sogenannten Langstreckeninitiative zusammengeschlossen.

Laut einer ebenfalls am Mittwoch präsentierten Analyse des Deutschen Wissenschaftlichen Instituts für Tourismusforschung gebe es auf Basis des von der Wirtschaft gemeldeten Bedarfs Potenzial für 15 weitere Langstrecken-Destinationen ab Berlin. Elf der 15 Zielmärkte liegen im asiatischen Raum. Daneben sei die arabische Halbinsel und Nordamerika für die Firmen aus Berlin und Brandenburg besonders interessant, so die IHK. Konkret nannte die Analyse unter anderem Shanghai, Seoul, Tokio, Hongkong, Bangkok, Mumbai, Atlanta, Dallas und Washington als künftige Langstreckenziele ab Berlin.

IHK: Berlin habe riesiges Passagierpotenzial

Berlin sei Wachstumstreiber für Deutschland, sagte Beatrice Kramm, angesichts des überdurchschnittlichen Wirtschaftswachstums der Hauptstadt und zudem ein Zentrum für Start-ups sowie für Wissenschaft und Forschung. Die gewachsene Bedeutung der Stadt finde sich aber in der Langstreckenplanung der Airlines bislang nicht wieder, kritisierte Kramm. Im vergangenen Jahr waren gut 35 Millionen Passagiere an den Berliner Airports gelandet und gestartet. An Deutschlands größtem Luftdrehkreuz Frankfurt am Main waren es gut 79 Millionen. In der hessischen Metropole würden aber 55 Prozent der Fluggäste lediglich umsteigen. Berlin habe deswegen ein riesiges Passagierpotenzial, erklärte Kramm.

Burkhard Kieker, Chef der Tourismusagentur „Visit Berlin“, verwies auf die ungleiche Verteilung der Langstreckenverbindungen in Ost- und Westdeutschland. Von den neuen Bundesländern inklusive Berlin aus würden nur neun Interkontinentalflüge angeboten, aus den westdeutschen Zentren seien es 159. „Die Ungleichheit, die zur Zeit der Teilung bestand, ist erfolgreich zementiert worden“, sagte Kieker.

Emirates will offenbar ein Deutschland-Ziel streichen, um Berlin anfliegen zu können

Der Tourismus-Manager sieht dafür zwei Gründe: Einerseits habe Deutschlands größter Luftfahrtkonzern Lufthansa mit Frankfurt am Main und München zwei bereits etablierte Drehkreuze und kein Interesse daran, einen weiteren Hub mit Zubringerflügen bedienen zu müssen. Andererseits würde auch die Luftverkehrspolitik der Bundesregierung den Konzern schützen und verhindern, dass interessierte Airlines etwa aus den Golf-Staaten weitere Landerechte in der Bundesrepublik erhalten.

Kieker berichtete allerdings, dass die staatliche Fluggesellschaft Emirates aus den Vereinigten Arabischen Emiraten in der Sache umgedacht habe: Dessen Führungsebene soll auf der Dubai Air Show in der vergangenen Woche geäußert haben, ein Deutschland-Ziel aufgeben zu wollen, um stattdessen Berlin anfliegen zu können.

Initiative will bis spätestens 2025 genannte Langstreckenverbindungen akquiriert haben

Generell brauche der Aufbau einer Langstreckenverbindung zwei Jahre Vorlaufzeit, so Kieker. „Visit Berlin“ und auch die Landespolitik sei mit diversen Airlines in Gesprächen, sagte er. Vor allem setzt man in der deutschen Hauptstadt auf die BER-Eröffnung, die für Oktober nächsten Jahres geplant ist. „Ich glaube, dass wir spätestens ein Jahr nach der Eröffnung des BER eine deutliche Ausweitung des Flugplans sehen werden“, so Kieker.

Berlin spielen dabei auch zwei Entwicklungen in die Karten: Mit der Digitalisierung sei es für die Kunden möglich, Flugrouten selbst zu planen. So könne man etwa mit Easyjet von Genua nach Berlin fliegen und dann weiter mit United nach New York. Zudem würden Airlines verstärkt kleinere Flugzeuge auch auf der Langstrecke einsetzen. Flugunternehmen bräuchten also weniger Passagiere, um die Maschinen voll auszulasten. Bei der Akquise von neuen Langstreckenverbindungen liegt der Fokus der Berliner Initiative vor allem auf asiatischen und nordamerikanischen Airlines. „Es hat aus Berliner Sicht keinen Sinn, auf Lufthansa zu setzen“, betonte Kieker. Bis 2025 sollen die in der Potenzialanalyse genannten Städte tatsächlich von Berlin aus angeflogen werden.

Auch die Wirtschaft macht Druck

Die Notwendigkeit hatten am Mittwoch auch Manager Berliner Unternehmen betont. „Mehr Langstreckenverbindungen wären für die Erschließung neuer Märkte sehr wünschenswert,“ sagte etwa der Geschäftsführer des Schiffselektronik-Spezialisten Veinland, Gerald Rynkowski. Claus Biernoth, Vice President von First Sensor sagte, sein Unternehmen gebe jedes Jahr etwa eine halbe Million Euro für Reisekosten aus. Interkontinentale Direktanbindung ab Berlin müsste selbstverständlich sein, sagte er.