Berlin. Seit Jahren geht am Brennpunkt des Kalten Krieges nichts voran. Jetzt wirft die SPD der Bausenatorin eine Blockade vor.
Mit ihrem Bebauungsplan wollte Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) die Gestaltung des Checkpoint Charlie voranbringen. Man brauche dort „keinen Plan B, sondern einen B-Plan“, sagte die Senatorin im vergangenen Dezember.
Kurz zuvor hatte der Senat seinen Kurs im Umgang mit dem symbolträchtigen Filet-Grundstück geändert. Die Überlegungen des Investors Trockland, dort unter anderem ein Hotel und im Untergeschoss eines Gebäudes ein Museum für den Kalten Krieg zu bauen, wurden gekippt. Stattdessen versuchte der Senat, die Kontrolle über diesen wichtigen Schauplatz des Kalten Krieges in Berlins Mitte zurückzugewinnen. Unter anderem ist dort nun ein alleinstehendes Museumsgebäude vorgesehen. Die Grundstücke westlich und östlich der Friedrichstraße waren Jahrzehnte zuvor verkauft worden.
Elf Monate nach dem Senatsbeschluss sieht es jedoch so aus, als sei die Koalition am Checkpoint Charlie wieder ganz am Anfang angekommen. Nicht nur will die Finanzverwaltung von Senator Matthias Kollatz (SPD) Lompschers Vorlage nicht mitzeichnen, der Plan käme also nicht durch den Senat. Zudem meldet aber auch die SPD-Fraktion im Abgeordnetenhaus massive Bedenken an. „Wenn es planungsrechtlich so bleibt, sagen wir Nein“, so die baupolitische Sprecherin der Fraktion, Iris Spranger, die auch stellvertretende SPD-Landesvorsitzende ist: „Ich kann nicht offenen Auges einem fehlerhaften B-Plan zustimmen.“
Lompscher plant auf dem Areal einen Stadtplatz quer über die Friedrichstraße. Das östliche Grundstück ist für das Museum vorgesehen, das die Kulturverwaltung des linken Senators Klaus Lederer in Eigenregie bauen will. Zur Schützenstraße hin ist Wohnen geplant, auch auf dem westlichen Grundstück soll Raum für Wohnungen und Gewerbe entstehen. Lompscher pocht auch darauf, dass 30 Prozent Sozialwohnungen gebaut werden sollen.
Die Kritik der Sozialdemokraten richtet sich sowohl gegen die Inhalte des Planes als auch gegen das Verfahren. Das Haus Lompscher hatte zwar auf 258 Seiten zahlreiche Einwände gegen den Plan diskutiert und mit einer Abwägung versehen. Am Ende bleib jedoch alles so, wie es aus der Verwaltung herauskam. Die Beteiligung der Öffentlichkeit habe „zu keiner Änderung des Bebauungsplans geführt“, heißt es in dem zweizeiligen Fazit, das Lompschers Beamte unter die Auswertung geschrieben haben. Einen solchen „Top-down-Prozess“ wollen die SPD-Fachleute nicht hinnehmen, zumal die Linke sonst immer auf breite Beteiligung der Bürger poche.
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Höhenbegrenzungen per Hand auf den Plänen eingezeichnet
Auch für die Parlamentarier sei das Verfahren eine „Black Box“, sagte Spranger. Man sei über wichtige Änderungen im Plan von Lompscher nur mündlich informiert worden. Dass plötzlich, anders als in Workshops im vergangenen Jahr vereinbart, keine bis zu 60 Meter hohen Gebäude auf dem Gelände mehr erlaubt sein sollen, habe man durch per Hand in Pläne eingezeichnete Linien erfahren, so die Sozialdemokraten.
Inhaltlich seien vor allem die Interessen des Eigentümers nicht berücksichtigt worden. Das sei aber üblich, sagte auch Christian Otto. Der Professor für Planungsrecht an der Technischen Universität Berlin gehört zu den Fachleuten, die Einwendungen gegen Lompschers B-Plan vorgebracht hatten und damit bei der Stadtentwicklungsverwaltung abgeblitzt waren. Das Verfahren sei „Politik-gesteuert“, so der Fachmann, die Planung erfolge „in den blauen Dunst hinein“. Solange Trockland nicht mitmache, habe „das Land gar nichts“, warnte der Professor. Die Kritiker argumentieren, wenn der Investor schon Flächen für den Stadtplatz und das Museum abgeben müsse, ihm dann noch ein hoher Anteil preiswert zu vermietender Wohnungen vorgegeben und nicht erlaubt werde, in die Höhe zu bauen, sei das Vorhaben nicht zu finanzieren.
Der Investor hatte eine auf den Flächen liegende Grundschuld über 90 Millionen Euro erworben und sich so die Verfügung über die Grundstücke gesichert. Mit Lompschers Plan sei es aber unmöglich, diese Kosten wieder zu erwirtschaften. Diese Warnung kommt auch von einer Gruppe von mehr als 40 renommierten Experten, die sich hinter der Architektin Anna Maske versammelt haben. Auch ihre Einwände wurden im Verfahren nicht aufgenommen. Der B-Plan schaffe „unzumutbare Nutzungsbedingungen“, schreiben Maske und ihre Mitstreiter. „Er verhindert zudem eine wirtschaftliche Realisierung der ausgewiesenen Bebauung und kann daher in der vorliegenden Form nicht realisiert werden.“
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Zudem sei es nicht sinnvoll, auf einem der teuersten Grundstücke Berlins Sozialwohnungen zu bauen. Es mangele an Platz, um für die knapp 600 zusätzlichen Bewohner etwa die vorgeschriebenen Kinderspielflächen zu schaffen. Auch die Belichtung der Wohnungen sei wegen der kleinen Grundfläche problematisch. Nutzungskonflikte mit den 4,5 Millionen Besuchern, die jedes Jahr den Checkpoint besuchen, seien absehbar. Der Touristenzustrom werde zwangsläufig eine „Störung der Wohnnutzung herbeiführen“, heißt es im Widerspruch der Architekten.
Insgesamt halten die Fachleute in ihren Einwendungen Lompschers Grundidee für falsch. Denn statt wie bisher als Kerngebiet, soll der Checkpoint nun als Urbanes Gebiet ausgewiesen werden, damit dort Wohnen in größerem Umfang möglich werde. Das aber widerspreche der eigentlichen Absicht, dort einen Gedenkort oder ein Museum des Kalten Krieges zu schaffen. Dabei müsse dieser Aspekt eigentlich Ausgangspunkt aller Überlegungen sein. Lompschers Beamte betonen in ihren Abwägungen gegen die Einwände hingegen, der Ort solle auch den „Anwohnern und der einheimischen Bevölkerung von Berlin zur Verfügung stehen“. Dafür sei die Wohnnutzung ein „wesentlicher Baustein“.
SPD: Jede Entwicklung am Checkpoint Charlie für weitere Jahre verhindert
Die SPD sieht das anders. Das „B in B-Plan“ stehe in Lompschers Vorlage nicht für bauen, sondern für Blockade, heißt es in der SPD-Fraktion. Denn es sei klar, dass gegen den Plan geklagt würde. So werde jede Entwicklung am Checkpoint für weitere Jahre verhindert. Und selbst wenn der B-Plan juristisch durchkomme, könne man den Investor immer noch nicht dazu verdonnern, zu bauen. Trockland könne seine Grundstücke auch einzäunen und abwarten.
Lompscher und die Linke argumentieren, die Zeit dränge, weil im Februar 2020 eine Veränderungssperre für das Areal auslaufe. Wenn diese nicht mehr gelte, könne jeder Investor nach dem Paragrafen 34 des Baugesetzbuches auch ohne B-Plan alles bauen, was in die Gegend passe. Auch an diesem Punkt fühlen sich die Sozialdemokraten von den Linken über den Tisch gezogen. Erst in der letzten Abgeordnetenhaus-Sitzung am 31. Oktober hatte Lompscher nach vorangegangenen Formfehlern die Verordnung über die Veränderungssperre nahezu unbemerkt durchs Parlament gebracht. Die Sperre bezieht sich aber nur auf das östliche Grundstück. Für das stets im Zusammenhang behandelte westliche Areal besteht eine solche Sperre nicht. Die Stadt könnte eine solche verhängen und gewänne so drei Jahre Zeit, um eine Lösung zu suchen. Der behauptete Zeitdruck bestehe also nicht, so die SPD.
Auch Trockland weist den Argwohn zurück, nach Auslaufen der Sperre sofort nach Paragraf 34 bauen zu wollen. Man habe immer alle Pläne mit den zuständigen Senatsverwaltungen abgestimmt. „Das werden wir auch zukünftig tun und haben daher dem Senat bereits bestätigt, dass wir nur einen Bauantrag einreichen werden, der mit diesem abgestimmt ist“, sagte eine Sprecherin.
In der SPD vermuten sie nun, die Linke wolle die Lage so weit treiben, dass am Ende nur noch ein Kauf der Grundstücke durch das Land den Knoten zerschlagen könne. Aber da will die Fraktion nicht mitmachen. „Für die 100 Millionen Euro bauen wir lieber 1000 Sozialwohnungen“, sagte der stadtentwicklungspolitische Sprecher der Fraktion, Daniel Buchholz.