Berliner Museen

So fühlt man sich in einem Berliner Luftschutzbunker

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Katrin Starke
Museumschef Dietmar Arnold zeigt auf das Emailleschild „Reichshauptstadt Berlin“ aus den 30er-Jahren, zu sehen in der „Mythos Germania“- Dauerausstellung.

Museumschef Dietmar Arnold zeigt auf das Emailleschild „Reichshauptstadt Berlin“ aus den 30er-Jahren, zu sehen in der „Mythos Germania“- Dauerausstellung.

Foto: Philipp Dase

Das „Berliner Unterwelten Museum“ zeigt Luftschutzräume und Bunkeranlagen aus der NS-Zeit. Eines der ungewöhnlichsten Museen der Stadt.

Berlin. „Ist das hier echt oder ein Fake?“, will ein jugendlicher Teilnehmer der „Tour 1“ wissen. Gerade haben die beiden Museumsführer Richard und Antony die grüne Tür im U-Bahnhof Gesundbrunnen aufgeschlossen, nun steht die Gruppe in einem Raum mit grauen Betonwänden. „Rauchen verboten“ ist an einer Wand zu lesen. Weitere Aufschriften weisen den Weg zum Frauen-Abort, zum Männer-Abort, zur Gasschleuse. Es geht steile Stufen hinab, kahle Glühbirnen spenden trübes Licht, die Luft ist stickig. Nein, Fake ist das nicht, kein künstlich geschaffenes Gruselkabinett, sondern ein authentischer Ort.

Der entstand zwischen 1927 und 1930 während des U-Bahn-Baus am Bahnhof Gesundbrunnen und wurde im Zweiten Weltkrieg zu einer riesigen Luftschutzanlage umgebaut. Auf 1400 Quadratmetern auf mehreren Etagen sollten bis zu 1000 Menschen in den unterirdischen Räumen vor Bombenangriffen auf Berlin Schutz finden. Zum Ende des Krieges harrten dort bis zu 4000 Menschen aus – und nicht nur für ein paar Stunden, sondern zwei Wochen lang, während draußen der Häuserkampf tobte. Eine bedrückende Vorstellung.

Stahlschrank enthielt Listen mit Namen von 3000 Zwangsarbeitern

Die ehemalige Luftschutzanlage ist heute zentraler Ausstellungsbereich vom „Berliner Unterwelten Museum“ – eines der ungewöhnlichsten Museen der Stadt. Der Verein „Berliner Unterwelten“, der es vor gut 20 Jahren aus der Taufe hob, hat sich der Erforschung der „dunklen Welten“ im Untergrund der Hauptstadt verschrieben.

Obwohl der Verein in der Luftschutzanlage unter anderem Funde aus Bunkern des ehemaligen Regierungsviertels ausstellt – Besteck, Teller, Tassen, Klappspaten oder ein Telefon aus dem Fahrerbunker, in dem sich Hitlers Begleitschutz aufhielt –, ist schon der Ort selbst ein museales Erlebnis. Die einstige Sanitätsstelle und der frühere Feuerwehrraum waren mit nachleuchtender Farbe gestrichen, bestehend aus Zink und Kupfersulfiden. „Fiel der Strom aus, blieb es noch eine Viertelstunde lang zumindest so hell, dass man sich orientieren konnte“, erklärt Museumsführer Richard.

Ein Exponat der unterirdischen Ausstellung, das ihn besonders beeindruckt, ist ein rostiger Stahlschrank. Vereinsmitglieder haben ihn im Jahr 2000 in einer vergessenen Bunkeranlage der einstigen Elektronikfirma Lorenz in Tempelhof gefunden. Darin befanden sich neben 100 Personalakten auch Unterlagen mit den Namen von mehr als 3000 Zwangsarbeitern aus der NS-Zeit. „Aufgrund dieses Fundes konnten zahlreiche Zwangsarbeiter ihren Anspruch auf finanzielle Entschädigung geltend machen“, erklärt Dietmar Arnold, Gründer und Chef des Unterwelten-Museums, das längst weitere unterirdische Orte als Außenstellen unterhält – wie den „Geschichtsspeicher Fichtebunker“ in Kreuzberg oder den „Operationsbunker Teichstraße“ in Reinickendorf.

Führerbunker wurde als Filmkulisse nachgebaut

Allein rund um den Bahnhof Gesundbrunnen gibt es sechs Orte, die vom Verein genutzt werden. So auch die erst 2010 wiederentdeckte Zwischenetage unter dem Bahnhof. „Dort saßen früher Beamte der Bahnpolizei und überwachten die Betriebsanlagen des oberirdischen Schienenverkehrs“, berichtet Arnold. „Beim Ausbau des Bahnhofs wurden die Räume wiederentdeckt. Selbst die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) wussten nichts von deren Existenz.“ Heute kann man dort keine Züge mehr beobachten, blickt stattdessen auf Beton – auf das Stützbauwerk des direkt darüber befindlichen Bahnhofsvorplatzes.

Der Unterwelten-Verein zeigt dort seine Dauerausstellung „Mythos Germania“, die anhand historischer Fotos, Filme und Objekte Architektur und den Städtebau im Berlin der NS-Zeit beleuchtet – und als einziger Museumsstandort auch ohne Führung zu besichtigen ist. Auf zwölf Metern Länge erstreckt sich ein Modell der von Hitlers Generalbauinspektor Albrecht Speer geplanten „Welthauptstadt Germania“. Geschaffen wurde das Modell für den Film „Der Untergang“ (2004) mit Bruno Ganz in der Rolle des Adolf Hitler.

Dietmar Arnold beriet seinerzeit die Filmleute, nach seinen Plänen wurde der Führerbunker als Kulisse nachgebaut. Logisch, dass Arnold auch bei den Dreharbeiten dabei war. Genau kann er sich an einen Moment erinnern, als er sich plötzlich umschaute und Bruno Ganz in Uniform hinter ihm stand. „Täuschend echt sah der aus“, sagt Arnold, „in der ersten Schrecksekunde habe ich wirklich Gänsehaut bekommen.“

Mehr Infos zur Ausstellung, zu Führungen und Veranstaltungen gibt es im Internet unter www.berliner-unterwelten.de

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