Berlin. Trotz der hitzigen Debatte um steigende Preise für Mietwohnungen bewerten 80 Prozent ihre Wohnsituation laut Umfrage als gut.

Die Mieter in Berlin sind mit ihrer Wohnsituation offenbar zufriedener, als man es angesichts steigender Mieten und der Diskussion über die Einführung eines Mietendeckels erwarten könnte. In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Firma des Unternehmers Harald Christ sagten 55 Prozent der Befragten, sie seien mit ihrer derzeitigen Wohnsituation „zufrieden“. Weitere 25 Prozent bezeichneten sich sogar als „sehr zufrieden“. Als „weniger zufrieden“ ordneten sich 14 Prozent ein, nur sechs Prozent nannten sich „unzufrieden“.

Die Umfrage lässt aber vermuten, dass die Unzufriedenheit unter den Mietern wachsen könnte. Denn jüngere Berliner und solche, die erst 2010 oder später in die Stadt zogen – jene also, die besonders häufig von dem Mietenanstieg betroffen sein dürften – äußerten sich unzufriedener als alteingesessene Bewohner, die noch von den niedrigeren Mieten früherer Jahre profitieren. So sagten 32 Prozent der Befragten über 60 Jahre, sie seien „sehr zufrieden“. Bei den 18- bis 29-Jährigen waren es nur 22 Prozent. Von den Mietern, die seit ihrer Geburt in Berlin wohnen, bezeichneten sich 27 Prozent als „sehr zufrieden“. Von den seit 2010 Zugezogenen stimmten nur zu 19 Prozent dieser Einordnung zu.

Kaum Unterschiede zwischen westlichen und östlichen Bezirken

Ihre Miete halten laut Umfrage zwei Drittel der Berliner Mieter für „angemessen“. 31 Prozent halten diese für zu hoch. Die jüngeren Berliner zwischen 18 und 29 Jahre halten ihre Miete deutlich häufiger für zu hoch als die Mieter, die älter als 60 Jahre alt sind.

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Angesichts der gestiegenen Mieten für freie Wohnungen, die zur Wiedervermietung angeboten werden, überrascht auch, dass viele Berliner dennoch erwägen, sich auf dem Wohnungsmarkt eine andere Bleibe zu suchen. Der Umfrage zufolge planen 28 Prozent aller Berliner, „in absehbarer Zeit“ umzuziehen. Besonders hoch ist dieser Anteil bei den 18 bis 29 Jahre alten Berlinern. Von den älteren Mietern über 60 Jahre planen dagegen nur elf Prozent einen Umzug.

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Nennenswerte Unterschiede zwischen den östlichen und den westlichen Bezirken zeigten sich bei der Umfrage nicht. Auffallend ist aber, dass Berliner mit einem eher geringen Einkommen deutlich unzufriedener mit ihrer Wohnsituation sind als Menschen mit höheren Bezügen. Für die Untersuchung wurden vom 13. bis 16. September insgesamt 1001 Berliner Mieter ab 18 Jahren befragt.

In der Politik wurden die Umfrage-Ergebnisse unterschiedlich interpretiert. Die CDU betonte, dass demnach rund 80 Prozent der Berliner Mieter mit ihrer Wohnsituation zufrieden seien. Dies sei eine „gute Aussage“, so der wohnungspolitische Sprecher der CDU, Christian Gräff. Die Linke wertete die Ergebnisse dagegen als Bestätigung für die geplante Einführung des Mietendeckels. Rackham Schröder, Geschäftsführer des Maklerunternehmens Engel und Völkers Commercial wertete die Umfrage als Beleg dafür, „dass das Wohnungsthema in Berlin von interessierter Seite künstlich politisch aufgeladen wird“.

Die meisten Mieter sind mit ihrer Wohnsituation zufrieden. Doch die Zufriedenheit hängt vom Geldbeutel ab. Berliner, in deren Haushalten pro Monat weniger als 1500 Euro netto bleiben, zeigten sich bei einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Forsa im Auftrag der Gesellschaft Christ and Company Consulting unzufriedener als die Befragten in den höheren Gehaltskategorien.

Befragte der unteren Einkommenskategorie hegen auch deutlich seltener Umzugspläne, offenbar weil sie eher als wohlhabendere Berliner befürchten, beim Umzug in eine neue Wohnung nicht die dafür fällige Miete zahlen zu können. Auffällig ist auch: 39 Prozent der Geringverdiener halten ihre Miete für „zu hoch“. In Haushalten, in denen mehr als 3500 Euro netto pro Monat verbleiben, sind es nur 25 Prozent.

Einige zahlen für die Miete die Hälfte ihres Einkommens

Aufschlussreich sind auch die Angaben der Befragten, wie viel Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens sie für die Miete aufwenden müssen. In Haushalten mit mehr als 3500 Euro pro Monat sagten 20 Prozent, dass sie weniger als ein ein Fünftel für die Wohnkosten aufwenden. Bei den Haushalten mit weniger als 1500 Euro sagte das nur ein Prozent der Befragten. Dagegen geben 19 Prozent der Geringverdiener an, mehr als 50 Prozent des monatlichen Haushaltsnettoeinkommens für die Miete auszugeben. Bei den Haushalten mit mehr als 3500 Euro liegt dieser Wert bei nur zwei Prozent. Weitgehend einig sind sich eher Arme und eher Reiche, Junge und Alte, Ur-Berliner und Zugezogene darin, zu ihren Vermietern ein „eher gutes“ oder sogar „sehr gutes“ Verhältnis zu haben.

Berliner Mieten steigen auf Rekordhöhe

Im politischen Raum wurden die Ergebnisse der Umfrage erwartungsgemäß unterschiedlich interpretiert. Dass 80 Prozent der Berliner mit ihren Vermietern zufrieden seien, sei „erstmal eine gute Aussage“, sagte der wohnungspolitische Sprecher der CDU, Christian Gräff. „Das spricht für den sozialen Zusammenhalt.“ Anschauen müsse man sich die Angaben zur Frage, wie viel Prozent ihres Haushaltsnettoeinkommens die Befragten für die Wohnkosten ausgeben. „Klar wird dabei, dass der Mietendeckel für dieses Thema keine passende Lösung bietet“, sagte Gräff.

Die Wohnungsexpertin der Linken, Gaby Gottwald, wertete die Ergebnisse der Umfrage anders. „Wie hoch die Mietenbelastung ist, ist erschreckend“, sagte Gottwald. Vor allem die unteren Einkommen seien überproportional belastet. Besonders deutlich zeige sich das Problem der hohen Mieten auch bei den zugezogenen Berlinern. In der Studie sei zudem nur abgefragt worden, wie zufrieden die Berliner mit ihrer derzeitigen Wohnsituation sind – nicht aber welche Erwartungen und Befürchtungen sie angesichts der Mietentwicklung für die Zukunft hätten. Die Ergebnisse zeigten, dass man dringend handeln müsse. Die Linke sei entschlossen, den von Rot-Rot-Grün geplanten Mietendeckel durchzusetzen, sagte Gottwald.

Politik und Maklerunternehmen bewerten Umfrage unterschiedlich

Aus Sicht der wohnungspolitischen Sprecherin der SPD, Iris Spranger, zeigt die Umfrage vor allem, dass „neuer und vor allem bezahlbarer Wohnraum“ gebaut werden müsse. Die Antworten zur Frage, ob der Mietendeckel ihre persönliche Situation verbessern würde, zeigten, dass die Menschen noch nicht recht wüssten, wie das Gesetz ausgestaltet sein wird.

Aus Sicht des Maklerunternehmens Engel und Völkers zeigt die Umfrage, „dass das Wohnungsthema in Berlin von interessierter Seite künstlich politisch aufgeladen wird“. Statt „Alarmismus und ideologischem Aktionismus“ müsse eine solide Politik eintreten. „In Berlin muss mehr und schneller gebaut werden. Dafür muss die Stadt vor allem bei der Bereitstellung von Flächen deutlich mehr und schneller liefern“, forderte der Geschäftsführer der Gesellschaft Engel und Völkers Commercial, Rackham Schröder. Man könne nicht über angeblich katastrophale Zustände auf dem Wohnungsmarkt lamentieren und zugleich Bebauungen wie am Rand des Tempelhofer Feldes blockieren.

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Der Senat will mit dem Mietendeckel für einen Zeitraum von zunächst fünf Jahren Mieterhöhungen bis auf eng definierte Ausnahmen verbieten. In dieser Zeit sollen neue Wohnungen entstehen. Die Pläne von Stadtentwicklungssenatorin Katrin Lompscher (Linke) sehen zudem vor, dass Mieter, die mehr als 30 Prozent des Haushaltsnettoeinkommens für die Wohnkosten zahlen, ein Recht auf Absenkung der Miete erhalten sollen. Der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) hatte sich erst vor wenigen Tagen allerdings gegen die Möglichkeit zur Absenkung ausgesprochen.

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