Berlin. Einen Sommer lang sind die Elektroroller nun auf Berlins Straßen unterwegs. Das Fazit der Polizei: Viele Unfälle, viel Arbeit.
Sie sind seit wenigen Wochen auf Berliner Straßen erlaubt und erhitzen wie kaum ein anderes Fahrzeug die Gemüter: E-Scooter. Die Roller rasen über Fußwege, werden an den Straßenrand geschmissen, versperren Radwege. Waghalsige Fahrer steigen gleich zu mehreren auf die Roller – und sind gerade in den Abend- und Nachtstunden oft mit einigen Promille Alkohol im Blut unterwegs. Jetzt hat die Berliner Polizei Bilanz gezogen: 38 Verkehrsunfälle mit sieben Schwer- und 27 Leichtverletzten.
In fast allen Fällen waren die Scooterfahrer selbst die Unfallverursacher. Laut der Beamten waren sie unachtsam, nutzten unzulässig die Gehwege oder waren betrunken. Mit bis zu 1,8 Promille waren die erfassten Flitzer-Fahrer bisher unterwegs. Zusätzlich wurden 30 Ermittlungsverfahren gegen Rollerfahrer eingeleitet - auch hier vor allem wegen ihres Alkoholpegels. Wie rowdyhaft sich Rollerfahrer tatsächlich verhalten, soll ein Freitagnachmittag mit der Polizeistreife auf der Warschauer Brücke zeigen.
„Ein Spielzeug“ seien die E-Scooter für die meisten, erklärt Polizist Marcus Brauner gleich zu Beginn der Kontrollen. „Aber es ist ein Verkehrsmittel“, sagt er mit Nachdruck. Eines, das auch richtig schnell werden könne. Dann der erste Verkehrssünder: Ein junger Mann, der auf der Straße fährt, obwohl ein auch für Scooterfahrer vorgesehener Radweg vorhanden ist. Die Beamten stoppen ihn, er zeigt sich einsichtig, entschuldigt sich. Die Polizisten bleiben bei einer Verwarnung, drücken ihm eine Aufklärungsbroschüre in die Hand.

„Fahren im Doppelpack ist nicht erlaubt – macht 15 Euro“
Kurz darauf ein zweiter Rollerfahrer, der sich statt für den Radweg für den Bürgersteig entschieden hat. Diesmal sind die Kontrolleure weniger nachsichtig. Sie erkennen beim Fahrer kein Bewusstsein für sein Fehlverhalten. Zehn Euro Strafe muss er zahlen.
Wenig später erspäht Brauner schon von weitem ein Pärchen, das sich zu zweit auf das Gefährt quetscht. Er stoppt sie, versucht zu erklären. Auch hier keine Einsicht, dass Fahren im Doppelpack nicht erlaubt ist. „Macht 15 Euro“, erklärt er den Touristen aus Frankreich auf Englisch. „Per Karte geht auch“, sagt er, während er das Kartenlesegerät zückt. Die beiden protestieren, zahlen dann aber doch – und lassen kurzerhand ihr Gefährt stehen - mitten auf dem Gehweg. „Das gibt jetzt noch ‘nen Strafzettel“, sagt Brauner und beginnt den grünen Schein auszufüllen. Erst vor zwei Wochen war das erste Knöllchen für Scooter-Falschparker erteilt worden.
Für mehr Sicherheit soll ein Video sorgen, das die Polizeibehörde eigens erstellt. Hier erklärt sie, was man mit dem kleinen Flitzer darf – und was nicht. Soll heißen: Nicht auf dem Gehweg, zu zweit oder im betrunkenen Zustand fahren. Bereits ab einem Pegel von 0,3 Promille riskiert man sonst, bei einem Unfall seinen Führerschein zu verlieren. Wer mit dem Smartphone auf dem Roller erwischt wird, muss Punkte in Flensburg befürchten. Ganz wichtig sei, so die Polizei im Clip, die Roller nur dort abzustellen, wo sie niemandem im Weg stehen.
„Wo die schon überall standen“, raunt Polizist Brauner und zückt ein Foto aus Kreuzberg, das ihn besonders wütend gemacht. „Fünf Scooter auf dem schmalen Radweg. Und dann müssen die Radfahrer wieder ausweichen.“

Die Beamten hoffen, dass der Boom bald vorbei ist
Auf dem Gehsteig seien sie vor allem eine Gefahr für Menschen mit Sehbehinderung. Zwar seien Autos noch immer die gefährlichsten Verkehrsteilnehmer, sagt Brauner. Die Scooter bereiteten ihnen aber in den vergangenen zwei Monaten „viel Arbeit“, die an anderer Stelle nicht geleistet werden könne. Manchmal wünsche er sich, die Roller wären nie zugelassen worden.
Die Betreiber selbst schicken gegen das Park-Chaos Mitarbeiter los, die die Scooter so abstellen sollen, dass sie kein Hindernis für Fußgänger, Autos, Radfahrer sind. Künftig würden dafür die Falschparker selbst zur Kasse gebeten, erklärt ein Mitarbeiter des Leihanbieters Circ in der Nähe der Scooter-Kontroller, während er eines der Gefährte an seinem vorgesehenen Platz abstellt. Was er von den Rollern hält? „Die sind auf jeden Fall umweltfreundlicher als jedes Auto.“ Seiner Ansicht nach seien sie „ein Teil der Lösung“.
„Sie glauben doch nicht wirklich, dass das die Verkehrswende auslöst“, entgegnet der Polizeibeamte Ronny Theil. Seiner Einschätzung nach sind fast alle Nutzer Touristen, die ansonsten mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder zu Fuß unterwegs wären. Kaum ein Berliner, der bisher Auto fahre, steige auf die Roller um. Er geht daher davon aus, dass die Roller diesen Sommer „gehypt“ werden, die Nachfrage im Winter abflaut, und die Scooter im nächsten Jahr ganz verschwunden sind.
Bisher wurden die E-Scooter nur in der Innenstadt innerhalb des S-Bahn-Rings angeboten. Nun soll es sie auch außerhalb geben. Rund 50 will der Anbieter Circ außerhalb des Rings aufstellen, Weißensee ist seit Montag erster Standort. Wenn der Test gelingt, könnte „die letzte Meile“, die Circ-Chef Max Hüsch genau wie seine Mitbewerber von Tier, Lime, Bird und Voi gerne erobern möchte, auch ganz weit draußen liegen.
Theils Fazit des Einsatzes: ein eher ruhiger Nachmittag. „Wenn Sie an einem Sonnabendabend wiederkommen, sieht das schon ganz anders aus.“