Berlin. Sprayer legen mit ihren Schmierereien den Verkehr lahm. Die Vandalismusraten steigen wieder.
Graffiti-Vandalismus bringt Berlins Nahverkehr immer öfter aus dem Takt. "Jede beschmierte Zugeinheit fällt früher oder später mindestens 24 Stunden lang aus", sagt Jannes Schwentu, Sprecher der Berliner Verkehrsbetriebe (BVG). "Am Ende leidet immer der Fahrgast darunter." Neben der Berliner U-Bahn ist vor allem die S-Bahn in Berlin von Sachbeschädigung durch Schmierereien betroffen.
Jeden Tag müssten Züge in die Reinigung, sagte ein Bahnsprecher. Sprayer beschmierten S-Bahn-Wagen inzwischen nicht nur nachts, sondern auch im laufenden Betrieb. Besonders dreiste Täter zögen dafür sogar die Notbremse. "Auffällig ist die zunehmende Vernetzung der Sprayer-Szene über das Internet", ergänzte Schwentu. So sei während des 24-stündigen BVG-Streiks Anfang April ein Zehntel der U-Bahn-Flotte beschmiert worden - 140 Wagen mit 2000 Quadratmeter Graffiti.
Graffiti in Berlin - Beseitigung kostet BVG und S-Bahn 6 Millionen Euro
Allein die Beseitigung der Schmierereien kostet die Verkehrsunternehmen in Berlin und Brandenburg mehr als 6 Millionen Euro im Jahr - Tendenz steigend. Bei der BVG fielen nach den jüngsten Zahlen für 2017 rund 1,3 Millionen Euro wegen Graffiti-Vandalismus an - eine halbe Million mehr als noch 2014. Bei der S-Bahn schlugen 2018 rund fünf Millionen Euro zu Buche.
Die registrierten Fälle bei der Bahn nahmen von 1491 im Jahr 2015 auf 1610 im vergangenen Jahr zu. Auch die Regionalzüge sind nicht sicher vor Sprayern. Für die Reinigung eines Nahverkehr-Triebwagens benötigten drei Fachkräfte einen ganzen Arbeitstag, heißt es bei der Bahn. Denn ewig hielten auch die Schutzfolien nicht, die schon länger zum Schutz vor Schmierereien angebracht werden. "Die Neulackierung eines Triebwagens kostet dann bis zu 30 000 Euro und dauert sieben Tage", sagte ein Sprecher.
Für manches Graffito riskieren die Sprayer ihr Leben
Die Kosten für die Bewachung der Fahrzeuge nachts und die Ausfallzeiten wegen Reinigung sind in diesen Summen noch gar nicht enthalten - der Ärger von Fahrgästen über überfüllte "Kurzzüge" auch nicht. "Auch wenn nur ein Wagen beschmiert ist, fällt immer eine ganze Zugeineinheit aus", sagte BVG-Sprecher Schwentu. Je nach Baureihe müssten zwei, vier oder gleich sechs Wagen aus dem Verkehr gezogen werden.
Denn die Unternehmen versuchen, möglichst sofort nach der Entdeckung einer Schmiererei zu handeln. Denn je länger ein besprühter Wagen durch Berlin rollt, desto mehr "Ruhm" ernten Sprayer in ihrer Szene. Gelingt das Rausziehen von Einheiten wegen fehlender Ersatzzüge nicht, sitzen Fahrgäste mitunter in Wagen, in denen alle Glasscheiben mit Lackfarbe zugekleistert sind. Dieses "bomben" oder ein "wholecar" ist in der Szene besonders angesehen.
Nach den Erfahrungen der Bahn ist der typische Sprayer männlich und zwischen 14 und 21 Jahre alt. Vertreten seien heute alle sozialen Schichten. Die Risikobereitschaft ist mitunter hoch: Für so manches Graffito nahe Stromschienen riskieren Sprayer sogar ihr Leben.
Graffiti in Berlin - jeden Tag im Schnitt acht Strafanzeigen
Die Reinigung der Wagen bedeutet nicht allein Wasser und Seife. Aufwand und Umweltbelastung seien enorm, heißt es bei der Bahn. "Um die aufgesprühte Farbe vom Lack der Züge zu entfernen, werden stark reizende Chemikalien eingesetzt. Speziell geschulte Mitarbeiter müssten die Farbe häufig in mühsamer Handarbeit Schicht um Schicht abtragen. Die Bahn zeigt grundsätzliche jeden Vandalismus-Akt an.
Allein in Berlin und Brandenburg registriert die Bundespolizei im Bereich Nahverkehr durchschnittlich acht Strafanzeigen pro Tag wegen Graffiti - macht rund 3000 im Jahr. Mehr als die Hälfte der Schmierereien entfalle auf Züge, ein weiteres Drittel auf Bahnhöfe, heißt es bei der Behörde. Es werde gesprüht, gemalt, gekratzt oder geätzt.
Graffiti-Sprayer riskieren bis zu zwei Jahren Haft und Geldbußen
Eine Straftat liege vor, sobald es zu einer Sachbeschädigung komme. In Extremfällen können Tätern dann neben Geldbußen bis zu zwei Jahren Haft drohen. Was viele nicht wissen: Verkehrsunternehmen können ihren Schaden 30 Jahre lang geltend machen - auch wenn erwischte Sprayer unter 18 sind und kein Einkommen haben.
Doch dass Sprayer gefasst werden, ist vergleichsweise selten. Die Bundespolizei ermittelte im vergangenen Jahr 278 Tatverdächtige, 2017 waren es 369 und im Jahr davor 286.
dpa