Berlin. Die Berliner Abgeordneten arbeiten ab 2020 mehr, bekommen aber auch mehr Geld. Darauf verständigten sich die Parlamentarischen Geschäftsführer von SPD, Grünen, Linke, CDU und FDP. Bislang tagen die Abgeordneten halbtags. Mit der Umstellung wollen die Parteien auf das gestiegene Arbeitspensum reagieren. Mehr als 1200 Vorgänge sind derzeit unerledigt, weil die Sitzungen des Abgeordnetenhauses und der Ausschüsse nicht reichen, um die Arbeit zu erledigen.
Die Reform sieht vor, dass die Abgeordneten künftig deutlich mehr und länger arbeiten. Gleichzeitig sollen die Diäten von derzeit 3900 Euro auf 6250 Euro pro Monat angehoben werden. „Wenn wir von 61 Tagesordnungspunkten bei einer Plenarsitzung nur 16 schaffen, dann ist das staatspolitisch schwierig“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD, Torsten Schneider.
Mit der neuen Diätenregelung befinden sich die Berliner Abgeordneten dann künftig im Durchschnitt der Bundesländer. Das meiste Geld verdienen derzeit die Abgeordneten des Bundestags mit 10.000 Euro, das wenigste die Parlamentarier in Hamburg mit 2900 Euro.
Berliner Abgeordnetenhaus: An der Größe des Parlaments soll sich nichts ändern
An der Größe des Parlaments soll sich nichts ändern. Auch dafür haben die Fraktionen den Vergleich mit anderen Bundesländern herangezogen. Demnach betreut derzeit ein Berliner Abgeordneter im Schnitt 2,6 Ausschüsse. Bei einer Halbierung des Parlaments müsste künftig jeder Abgeordnete 5,2 Ausschüsse betreuen. „Das ist mit Vorbereitung und Nachbereitung nicht möglich“, sagte Schneider. In anderen Bundesländern mit Vollzeitparlament betreuen Abgeordnete nur einen (Bayern) oder zwei (Baden-Württemberg) Ausschüsse.
Die meisten Bundesländer verfügen über Ganztagsparlamente – und zahlen ihren Volksvertretern auch deutlich mehr Geld, als es in Berlin bislang der Fall ist. Nur die Stadtstaaten Hamburg und Bremen tagen ebenfalls noch halbtags. Eine Umstellung ist in Berlin seit vielen Jahren in der Diskussion, fand bislang aber keine Mehrheit.
Den Reformplänen der Berliner sind monatelange Verhandlungen zwischen den Parteien vorausgegangen. Den Auslöser dafür habe ein Artikel der Berliner Morgenpost im Mai gegeben, in dem die Arbeitsfähigkeit des Berliner Parlaments wegen seiner kurzen Sitzungszeiten, dem unerledigten Aktenberg und den langen Parlamentsferien auch von den Parlamentariern selbst angezweifelt wurde, sagte Schneider.
Hintergrund: Berlins Halbzeitparlament erstickt im Antragsstau
Berliner Abgeordnetenhaus hat derzeit 160 Abgeordnete
Die Verfassung von Berlin sieht vor, dass 130 Vertreter im Abgeordnetenhaus sitzen. Zurzeit sind es wegen verschiedener Überhangmandate 160 Abgeordnete. „Die Bezeichnung Halbtagsparlament war schon immer eine Lebenslüge“, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der Linken, Steffen Zillich. Viele Abgeordnete arbeiteten schon jetzt 50 oder mehr Stunden, um den Arbeitsaufwand zu erledigen.
So seien seit Beginn der Legislatur vor zweieinhalb Jahren 11.000 schriftliche Anfragen gestellt, 3100 Anträge und 281 Gesetzesvorhaben eingereicht und 10.000 Berichtsaufträge gestellt worden. Viele Anträge könnten aber wegen der kurzen Arbeitsphasen erst mit erheblicher Verspätung oder gar nicht besprochen werden. Künftig sollen die Sitzungen der Ausschüsse mindestens drei statt zwei Stunden dauern und Parlamentssitzungen nicht schon um 19 Uhr, sondern um 22 Uhr enden. Außerdem sollen jeweils zwei Plenar- und Ausschusssitzungen zusätzlich stattfinden.
Die AfD, die an den Verhandlungen nicht beteiligt war, kritisiert die Umstellung. „Zwar ist der Umbau zum Vollzeitparlament richtig“, so der Parlamentarische Geschäftsführer, Frank-Christian Hansel. Die Umstellung müsse aber zwingend mit einer Verkleinerung des Parlaments einhergehen.