Es gibt nicht viele frühere Politiker, die vor 20 Jahren aus dem aktiven Geschäft ausgestiegen sind, aber deren Namen dennoch vielen Bürgern bekannt ist. Heinrich Lummer gehört mit Sicherheit zu dieser seltenen Art von Persönlichkeiten, deren Wirken sich Fans und Kritikern gleichermaßen eingeprägt haben.
Nun ist Berlins früherer Innensenator Heinrich Lummer im Alter von 86 Jahren gestorben. Der in Essen geborene Katholik ist bereits am vergangenen Sonnabend in einem Zehlendorfer Pflegeheim im Kreise seiner Familie „friedlich eingeschlafen“, wie seine Witwe am Montag der Berliner Morgenpost bestätigte. Vor 16 Jahren hatte Lummer einen Schlaganfall erlitten, war seitdem pflegebedürftig und konnte kaum noch sprechen. Die Familie empfindet den Tod deshalb auch als eine Erlösung.
Lummer war eine der prägenden politischen Figuren in der West-Berliner Politik der 70er- und 80er-Jahre. Zwischen 1981 und 1986 war er Innensenator und Bürgermeister der westlichen Stadthälfte unter den Regierenden Bürgermeistern Richard von Weizsäcker und Eberhard Diepgen (beide CDU). 1986 trat er ebenso wie andere Senatsmitglieder des Diepgen-Senats in Folge eines Bauskandals zurück.
Kampf gegen Hausbesetzer machte ihn bekannt
Von 1967 bis 1986 gehörte Lummer dem Berliner Abgeordnetenhaus an, führte für elf Jahre, von 1969 bis 1980, die CDU-Fraktion und wirkte von 1980 bis 1981 als Präsident des Parlaments. Wegen seiner konservativen Positionen war Lummer stets umstritten. Für die linke Szene West-Berlins war der studierte Politologe eine „Hass-Figur“. 1987 wechselte Lummer in den Deutschen Bundestag, dem er bis 1998 angehörte. Er empfand sich immer als Konservativer, seit er in den 50er- und frühen 60er-Jahren an der Freien Universität Politik studierte. 1961 war er wie später sein Weggefährte Eberhard Diepgen Vorsitzender des Allgemeinen Studentenausschusses (Asta) der FU. In den 90er-Jahren kehrte er an seine Universität zurück, als Gasthörer im Fach Kunstgeschichte.
Einen Namen über Berlin hinaus machte sich Lummer als Kämpfer für die Innere Sicherheit und gegen die in den 80er-Jahren in Berlin grassierenden Hausbesetzungen. Sein Wegbegleiter Klaus-Rüdiger Landowsky, einer seiner Nachfolger als Chef der CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus, würdigte Lummer. Er habe „in schwieriger Zeit Verantwortung übernommen und sich um die Sicherheit der Stadt verdient gemacht“, sagte Landowsky. Dabei habe er es unter dem eher liberalen Regierenden Bürgermeister von Weizsäcker nicht leicht gehabt, erinnert sich Landowsky.
Unter politischen Druck geriet der Christdemokrat Lummer, als 1981 während der Proteste gegen Räumungen besetzter Häuser der vor der Polizei flüchtende Demonstrant Klaus-Jürgen Rattay auf der Potsdamer Straße unter einen BVG-Bus geriet und starb. Zeitgleich gab Lummer in dem gerade geräumten Haus in der Bülowstraße eine Pressekonferenz. Lummer war stets eigenwillig und scherte sich wenig um Konventionen. So wurde 1989 bekannt, dass er als Parlamentarier dem Bundesnachrichtendienst zugearbeitet hatte, obwohl das nicht zulässig war. Später traf er sich mehrfach mit Abdullah Özcalan, dem Führer der inzwischen verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei PKK. Zuvor hatte das Ministerium für Staatssicherheit der DDR in den 70er-Jahren eine Agentin auf ihn angesetzt, um von dem aufstrebenden CDU-Politiker Informationen aus West-Berlin abzuschöpfen.
Lummer sorgte auch immer wieder für Diskussionen wegen seiner Äußerungen. Dabei unterstellten ihm Kritiker oft eine Nähe zu rechtsradikalen Positionen. So war er Autor der neu-rechten Wochenzeitung „Junge Freiheit“ und stand in Kontakt mit schlagenden Studentenverbindungen. Gleichwohl blieb Lummer in der CDU stets hoch angesehen. Der Berliner CDU-Chef Kai Wegner würdigte den Verstorbenen in einer ersten Reaktion als „großen und streitbaren Politiker“, den er „für seine Bürgernähe“ sehr geschätzt habe. „Ihm habe ich viel zu verdanken und seiner werde ich immer gedenken“, so der Landesvorsitzende. „Heinrich Lummer war ein verlässlicher und bürgernaher Politiker, der das klare Wort nicht gescheut hat“, sagte CDU-Fraktionschef Burkard Dregger.
Berlins Regierungschef Michael Müller (SPD) würdigte Lummer als „eine der wichtigen politischen Persönlichkeiten des alten West-Berlin“. Wie „Die Deutschen Konservativen“ unter Berufung auf die Witwe mitteilten, soll Lummer am 2. Juli in Berlin beerdigt werden.