Wirtschaft

Berlin erhöht den Mindestlohn auf 11,90 Euro

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Jens Anker
Auch für die Bauwirtschaft gilt künftig ein Mindestlohn in Höhe von 11,90 Euro, wenn sie Aufträge des Landes Berlin annimmt.

Auch für die Bauwirtschaft gilt künftig ein Mindestlohn in Höhe von 11,90 Euro, wenn sie Aufträge des Landes Berlin annimmt.

Foto: Christoph Soeder / picture alliance/dpa

Unternehmen, die Aufträge vom Land annehmen, müssen außerdem Öko-Kriterien erfüllen. Kritik kommt von der IHK.

Berlin. Unternehmen, die Aufträge vom Land annehmen, müssen künftig einen Mindestlohn von 11,90 pro Stunde zahlen und bestimmte Öko-Kriterien erfüllen. Das sieht das neue Vergabegesetz von Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) vor. Die Vorgaben gelten allerdings erst bei Aufträgen ab 10.000 Euro verbindlich. Das Gesetz soll im Herbst im Abgeordnetenhaus beraten werden und ab 2020 gelten.

„Ich glaube, wir haben einen gelungenen Kompromiss gefunden“, sagte Pop. „Wir wollen Bürokratie abbauen und den Mittelstand stärken.“ Sowohl die Interessen der Wirtschaft, als auch der Gewerkschaften und Umweltverbände seien berücksichtigt worden.

Mit dem neuen Vergabegesetz soll auch das Antragswesen weniger bürokratisch werden. So wird die digitale Ausschreibung („E-Vergabe“) bei der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung konzentriert, wo auch eine entsprechende Online-Plattform entsteht. Ab 25.000 Euro müssen die Aufträge verbindlich digital beantragt und bearbeitet werden. So werde die Anzahl der Vergabestellen von derzeit rund 1000 Stellen deutlich reduziert.

Unternehmen müssen sich an Tarifvereinbarungen halten

Im Vorgriff auf eine im kommenden Jahr in Kraft tretende EU-Regelung, sieht der Gesetzesentwurf auch eine Tariftreue für Unternehmen vor, die öffentliche Aufträge erhalten. Demnach müssen sich Unternehmen an Tarifvereinbarungen halten, wenn sie für die jeweiligen Branchen vorliegen.

„Bei den ökologischen Vorgaben setzen wir auf Umweltsiegel“, sagte Pop. Das vereinfache die Einhaltung bestimmter Vorgaben. Insgesamt soll die Verwaltung durch das neue Gesetz bessere Anleitungen dafür erhalten, sich nicht zwangsläufig für das preiswerteste Angebot, sondern das wirtschaftlichste zu entscheiden.

Ausnahmeregelungen, wenn Unternehmen Fair-Trade-Produkte verwenden

Der Gesetzentwurf, der jetzt an die anderen Senatsverwaltungen zur Stellungnahme geschickt wird, sieht auch Ausnahmeregelungen für den Fall vor, dass Unternehmen Fair-Trade-Produkte verwendet. „Die Firmen erhalten dann mehr Geld, wenn sie die Kriterien erfüllen“, sagte die Wirtschaftssenatorin.

Dem Gesetzesentwurf waren Gespräche mit Wirtschaftsvertretern, Gewerkschaften und Umweltverbänden vorausgegangen, die ihre Stellungnahmen zur Neufassung des Gesetzes einbringen konnten. Der Gesetzentwurf berücksichtige einige der Forderungen, so Pop. So sei die Tariftreue auf Wunsch des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB) mit aufgenommen worden und die Erhöhung der Wertgrenze auf 10.000 Euro, ab der die Vorgaben verbindlich gelten, sei auf Wunsch der Wirtschaft erfolgt.

IHK: Mindestlohn von 11,90 Euro nicht angemessen

Der Industrie- und Handelskammer (IHK) reicht das allerdings nicht aus. Die Wertgrenze sollte weiter nach oben verschoben werden, sagte IHK-Sprecherin Claudia Engfeld. Auch die Erhöhung des Mindestlohns auf 11,90 Euro sei nicht angemessen. „Wir fordern für Unternehmen, die in Berlin und Brandenburg tätig sind, eine Angleichung der beiden geforderten Mindestlöhne“, sagte Engfeld. Berlin fordert mit seinem Mindestlohn in Höhe von künftig 11,90 Euro mehr als alle anderen Bundesländer. In Brandenburg liegt er bei 10,50 Euro. Zwei unterschiedliche Mindestlöhne führe in den Buchführungen der Unternehmen zu Chaos, kritisieren die Wirtschaftsvertreter.

Der neue Mindestlohn soll die Renten sichern

Laut Wirtschaftsverwaltung orientiert sich der Berliner Stundenlohn an der geringsten Besoldung im öffentlichen Dienst. „Es ist ein Schritt in Richtung eines alterssichernden Einkommens“, sagte Pop. Damit werde sichergestellt, dass von der aktuellen Konjunktur auch kleinere Einkommen profitieren.

Das Vergabegesetz regelt, unter welchen Voraussetzungen Behörden in Berlin Waren und Dienstleistungen bestellen können. Pro Jahr vergeben die Verwaltungen in Berlin Aufträge in Höhe von rund fünf Milliarden Euro. Ab einer Höhe von 220.000 Euro für Dienstleistungen und 5,5 Millionen Euro für Bauarbeiten gilt EU-Recht. Die rot-rot-grüne Landesregierung hatte sich im Koalitionsvertrag auf die Neufassung des Vergabegesetzes verständigt.