Berlin. Tempelhof nutzt mittlerweile zwei Schulgebäude in modularer Holzbauweise. Ein Modell auch für andere Berliner Bezirke?
Tausende von Schülerinnen und Schülern müssen in Berlin derzeit und voraussichtlich auch in den nächsten Jahren aus Platzmangel in Stahlcontainern unterrichtet werden. Viele der sogenannten Mobilen Unterrichtsräume sind inzwischen marode. Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg setzt nun auf „Fliegende Klassenzimmer“ in modularer Holzbauweise. Sie sehen gut aus, riechen gut – und bieten eine Raumhöhe von drei Meter statt des Standardmaßes von nur 2,50 Metern bei den üblichen Containern. Die beiden Stadträte Jörn Oltmann (Grüne) und Oliver Schworck (SPD) plädieren dafür, das in Berlin neue und innovative Projekt bei der Schulbauoffensive auch in anderen Bezirken umzusetzen.
Denn überall wird es noch enger werden. In der Hauptstadt werden in den kommenden Jahren zahlreiche Schulen neu gebaut oder gehören dringend saniert. Der rot-rot-grüne Senat stellt für die Schulbauoffensive rund 5,5 Milliarden Euro zur Verfügung. Der Bezirk Tempelhof-Schöneberg mit seinen fast 350.000 Einwohnern und 65 Schulstandorten erwartet wegen des anhaltenden Zuzugs bis 2026 einen Zuwachs an Schülern von rund 13 Prozent.

Grundschule auf dem Tempelhofer Feld: „Holzschule“ bietet 1000 Quadratmeter
„Die Schüler haben sich hier drinnen sofort wohlgefühlt“, berichtete Schulstadtrat Schworck am Dienstag bei einem Vor-Ort-Termin an der „Grundschule auf dem Tempelhofer Feld“ am Schulenburgring. Seit Ostern ist das „Fliegende Klassenzimmer 1.0“ dort in Betrieb. Die Schule brauchte dringend mehr Platz. Bei dem Rundgang waren wegen der „Kurz-Ferien“ allerdings keine Schüler zu sehen.
Sechs Klassenzimmer mit je 60 Quadratmetern, zwei Teilungsräume mit je 40 Quadratmetern und einige weitere Nebenräume bietet der attraktive Holzbau aus 28 Modulen. Die Gesamt-Nutzfläche beträgt rund 1000 Quadratmeter. Durch die bodentiefen Fenster dringt viel Licht. Der Flur kann flexibel genutzt werden. Denn er wird nicht als Fluchtweg genutzt. Aus jedem Klassenzimmer führt ein Weg nach draußen auf die Terrasse, die den langgestreckten Bau umgibt.
Ein Holzbau aus 28 Modulen kostet 2,2 Millionen Euro
„Das Einzige, das an der Schule zu Diskussionen geführt hatte“, sagte Schworck, „war der Standort“. Denn das „fliegende Klassenzimmer“ landete auf einem Teil der Sportflächen der Schule. Dort soll es voraussichtlich fünf Jahre stehen bleiben.
2,2 Millionen Euro kostet ein solches „fliegendes Klassenzimmer“. Die modularen und mobilen Holzbauten können mindestens fünfmal an verschiedenen Standorten eingesetzt werden und verfügen dem Hersteller zufolge über eine voraussichtliche Nutzungsdauer von 30 Jahren.
Mehr als 90 Prozent der Materialien könnten beim Wiederaufbau wiederverwendet werden, heißt es. Auch die 3,60 Meter langen Schraubfundamente, die in den Boden gebohrt werden. Auf ihnen liegen Stahlträger, und auf diesen wiederum stecken die Holzmodule. Belüftet werden die Klassenzimmer über die Fenster und ein belüftetes Dach. Als passiver Sonnenschutz dient das überstehende Dach.
Die Module stammen von Schweizer Fachbetrieb Blumer-Lehmann
„Ich bin ein großes Fan des Projekts“, unterstrich Baustadtrat Jörn Oltmann. Gestartet hat es das Baumanagement des Bezirksamtes, für das er zuständig ist. „Dadurch, dass der Bezirk selbst plante, konnten Honorarkosten gespart werden“, erläuterte Oltmann.
Nach einer europaweiten Ausschreibung hat der Bezirk sich für das Generalunternehmen Blumer-Lehmann, ein Holzfachbetrieb aus Gossau bei Zürich, entschieden. Die einzelnen Module wurden in nur vier Monaten industriell in der Schweizer Fabrik vorgefertigt, in drei Tagen mit dem Lkw nach Berlin gebracht und dann vor Ort zusammengefügt. In lediglich vier Tagen waren sie dann vor Ort aufgebaut. „Dieses Beispiel zeigt, wie wir rasch gute Lehr- und Lernbedingungen auch außerhalb der Schulgebäude schaffen können“, sagte Oltmann.
Mehrstöckige Variante ist in Planung
Ein solches fliegendes Klassenzimmer steht inzwischen auch an der Tempel-Paul-Klee-Grundschule. Der temporäre Bau soll nach dem Sommerferien in Betrieb gehen, der Umzug ist für den 20. Juni geplant. Ein dritter möglicher Standort wird gerade untersucht. „Ziel ist es, bis 2023 an acht Standorten im Bezirk solche Holzmodulbauten aufzubauen“, kündigt Regierungsbaumeister Andreas Spieß von der Entwurf- und Projektsteuerung beim Bezirksamt an. 45 Millionen Euro an Ausgaben habe man dafür beim Senat angemeldet.
Laut Projektleiter und Architekt Stefan Mittermaier arbeitet der Bezirk an einer mehrgeschossigen Variante, die auch an anderen Bezirken als Grundlage dienen könnte. Das Interesse sei bei fast allen Bezirken groß, betonten die Stadträte Schworck und Oltmann.
Gute Erfahrungen in anderen Städten
In den Senatsverwaltungen sei man mit dem Vorschlag, das Projekt auszuweiten, aber zunächst auf Skepsis gestoßen. Dort habe es geheißen: zu teuer und im Sommer womöglich zu heiß. Die Temperaturen werden nun über den Sommer ständig gemessen. Bislang soll es keine Überhitzungsprobleme gegeben haben.
Die Zurückhaltung, so Schulstadtrat Schworck habe überrascht. „Das Land sollte jeden Strohhalm ergreifen, um Schulplätze zu schaffen und die Kinder nicht länger in Stahlcontainern unterrichten lassen“, kritisierte er und verwies auf Erfahrungen mit den Holzbau-Modulen in anderen Städten wie Frankfurt am Main.
Berliner Finanzverwaltung: Gebäude sind teurer als Container-Umbauten
Der Sprecher der Bildungssenatsverwaltung, Thorsten Metter, sagte auf Anfrage: „Wir haben aus schulfachlicher Sicht keine Einwände gegen diese fliegenden Klassenzimmer.“ Im Gegenteil: „Wir wünschen uns, dass das Projekt als Best-Practice-Modell von anderen Bezirken übernommen wird.“
Bei der Finanzverwaltung äußerte man sich zurückhaltender. Sprecherin Eva Henkel verwies darauf, dass in der „Taskforce Schulbau“ derzeit ein Kostenvergleich zwischen dem „Fliegendes Klassenzimmer“, der Neuanschaffung von Containern und dem Umbau vorhandener Tempohomes erarbeitet werde. Es scheine bereits absehbar, dass die Kosten für die Holzmodule deutlich über den Umbaukosten für Container liegen. In Tempelhof-Schöneberg hingegen wurde errechnet, dass der Modulbau bei seiner langen Nutzungsdauer günstiger sei als als wenn ein Stahl-Container gemietet wird.