Berlin. Bis 2030, so hat es der rot-rot-grüne Senat entschieden, soll die gesamte, derzeit aus 1400 Fahrzeugen bestehende BVG-Busflotte auf Antriebe ohne Verbrennungsmotoren umgestellt werden. Kaum hatte der Aufsichtsrat der landeseigenen Berliner Verkehrsbetriebe am Freitag bekannt gegeben, dass 90 weitere Elektrobusse angeschafft werden sollen, hagelt es Proteste. Nicht nur die Opposition, auch BVG-Busfahrer selbst kritisieren die Entscheidung. Insbesondere die hohen Anschaffungskosten und die geringe Reichweite der Busse überzeugen viele Berliner nicht.
„Auf der Linie 204 fährt schon seit Jahren ein E-Bus, und es gibt nur Probleme“, kommentierte auf Facebook ein BVG-Fahrer den Bericht in der Berliner Morgenpost, die in ihrer Sonnabend-Ausgabe zuerst über die beabsichtigte Neuanschaffung der Busse berichtet hatte. Demnach ist noch unbekannt, von welchem Hersteller die Busse gekauft werden sollen. Das soll erst nach der Einspruchsfrist in zwei Wochen mitgeteilt werden.
Lesen Sie auch: Neue Berliner E-Busse können nur halben Tag fahren
Elektrobusse der BVG hatten Ausfallquote von 25 Prozent
Tatsächlich hatte die BVG vier Busse der polnischen Marke Solaris auf der Linie 204 zwischen Bahnhof Südkreuz und Bahnhof Zoo 15 Monate lang getestet. Doch im Durchschnitt waren nur drei der vier Testbussen auch tatsächlich einsatzbereit – macht eine Ausfallquote von 25 Prozent, wie eine Antwort der Senatsverwaltung für Verkehr auf eine parlamentarische Anfrage des AfD-Abgeordneten Frank Scholtysek bereits im vergangenen Jahr ergeben hatte.
Die Ausfall-Gründe hätten hauptsächlich „in der Steuerungs-, Antriebs- und Ladetechnik“ gelegen, heißt es in der Antwort der Senatsverkehrsverwaltung weiter. „Eine solche Verfügbarkeitsquote wäre sowohl aus finanziellen Gründen, als auch aus Kundensicht nicht akzeptabel“, hieß es damals noch in der Antwort.
BVG-Fahrgäste haben Angst vor Preiserhöhungen
Doch nicht nur die mangelnde Zuverlässigkeit, vor allem die hohen Anschaffungskosten und die geringe Reichweite der Fahrzeuge, die laut Zusicherung der großen Hersteller aktuell bei rund 150 Kilometern liegt, lassen viele am Sinn des Einsatzes solcher Busse in Berlin zweifeln. Sie schüren auch die Sorge vor künftigen Fahrpreiserhöhungen. Die Busse „kosten viel Geld und bringen null und die neu Anschaffung bezahlen wir mit einer Preiserhöhung“, heißt es in einem von vielen gleichlautenden Leserkommentaren. Denn ein Elektrobus kostet rund zwei- bis dreimal so viel wie ein Diesel.
So haben die bisher angeschafften 30 Eindeckerbusse einschließlich der Ladetechnik rund 600.000 Euro pro Stück gekostet, die 15 solaris Gelenkbusse kommen gar auf 900.000 Euro. Zudem schaffen Dieselbusse 600 bis 700 Kilometer pro Tag – also mindestens das vierfache der Strecke. „Wir Fahrer haben von Anfang an gesagt, dass die Reichweiten nicht ausreichen“, schreibt ein Busfahrer der Berliner Morgenpost. Sinnvoller wären aus Sicht der Fahrer Fahrzeuge mit Hybridantrieb oder auch Gas oder Wasserstoff. „Diese Fahrzeuge wären wesentlich günstiger und sie wurden schon erfolgreich getestet“.
Berlin muss Ladeinfrastruktur für E-Busse selbst finanzieren
Ähnlich sieht das auch die oppositionelle FDP. „Die vom Senat gewollte beschleunigte Einführung von Elektrobussen ist eben nicht so einfach, wie der Senat sich das wohl gedacht hat“, so Henner Schmidt, infrastrukturpolitischer Sprecher der FDP-Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus. Berlin als Vorreiter der Elektrobus-Beschaffung sei offenbar gewillt, hinzunehmen, dass Elektrobusse teuer und weniger zuverlässig sind. „Zum anderen werden nicht einfach nur Dieselbusse durch Elektrobusse ersetzt, sondern es bedarf auch des Aufbaus einer komplett neuen Ladeinfrastruktur“, so Schmidt.
Und für diese Kosten muss Berlin, anders als bei der Anschaffung der Busse, selbst aufkommen. Aktuell übernimmt der Bund bis zu 80 Prozent der Mehrkosten, die bei der Anschaffung der E-Busse gegenüber den herkömmlichen Dieselbussen anfallen. Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) will so dafür sorgen, dass die Umstellung auf E-Busse deutlich schneller vorankommt.
Elektrobus-Initiative zum Bauhausjubiläum abgesagt
Nach Branchenangaben fahren deutschlandweit erst rund 100 von 35.000 Bussen voll elektrisch – die meisten davon in Berlin. In Europa sind es Verkehrsexperten der Beratungsgesellschaft McKinsey zufolge etwa 1500. Dabei hat nicht nur Berlin, sondern auch München sich zum Ziel gesetzt, dass der Stadtverkehr bis 2030 auf Elektrobusse umgestellt werden soll.
Doch Anspruch und Wirklichkeit klaffen noch weit auseinander, wie gerade die Stadt Dessau zeigt. Zum Bauhausjubiläum in diesem Jahr sollten in Dessau die ersten Elektrobus-Linien Sachsen-Anhalts starten. Doch die Pläne werden auf Eis gelegt. Das Projekt lasse sich derzeit finanziell nicht umsetzen, sagte der Sprecher der Stadtwerke Dessau, Christian Mattke. Für die Anschaffung der E-Busse gäbe es zwar Fördergeld. Doch selbst dann bleibt die Finanzierungslücke für die Stadtwerke zu groß, wie Mattke weiter sagte.