Die Unfallnachricht liest sich anschließend meist wie am 16. April im Bericht der Berliner Polizei: „In Buckow wurde gestern Abend ein Kind von einem Auto erfasst. (...) Plötzlich sei der Achtjährige zwischen geparkten Autos auf die Fahrbahn getreten und von dem Auto erfasst worden.“
In den meisten solcher Fälle, sagt Roland Stimpel, Vorstand des Fachverbands für Fußverkehr Fuss e.V., seien falsch geparkte Wagen der Grund, dass derartige Unfälle geschehen. Am Dienstagvormittag machen Verkehrsvereinigungen in Kreuzberg mit einer Aktion auf den Missstand aufmerksam.
Treffpunkt ist der Mariannenplatz. Fuss e.V. und der Verkehrsclub Deutschland VCD haben demonstrativ einen silberfarbenen Wagen unmittelbar an der Straßenecke abgestellt und einen Roten Teppich vom Bürgersteig auf das Auto und die Fahrbahn gelegt: „Bitte sehr: einfach darüber spazieren“, lautet die unausgesprochene Einladung ironisch.
„Das Problem kenne ich gut“, sagt die Mutter mit Kinderwagen.
Kreuzbergerin Sarah, die mit ihrem sechs Monate alten Baby im Kinderwagen naht, muss da schon weit vor der Kreuzung die Straße überqueren. „Das Problem kenne ich gut“, sagt die 31-jährige. „Weniger am Morgen, wenn die Autofahrer fort sind. Aber am Abend ist das hier die übliche Situation.“ Man habe im Viertel eben zu wenige Parkplätze. „Oder, besser gesagt: zu viele Autos“, verbessert sie sich lachend.
Fakt ist: Beim Parken vor und hinter Kreuzungen und Einmündungen müssen Autofahrer einen Abstand von fünf Metern einhalten. Jetzt steht Fuss-Vorstand Stimpel an der Kreuzung und wohin er auch blickt, haben Autofahrer dies offensichtlich nicht eingehalten. „Das ist keine kleine Süde, das ist richtiggehend lebensgefährlich“, sagt er. „Die Normalsituation bei einem Kind, das zu Fuß unterwegs ist, wäre: Kind läuft auf eine Straßenecke zu, ein Autofahrer links neben ihm sieht es, das Kind sieht den Autofahrer und beide verhalten sich entsprechend.“ Bei der zugeparkten Real-Situation muss ein Fußgänger links vor der Ecke auf die Straße gehen, oder rechts herum, und tritt dann für Autofahrer überraschend - und im Polizeibericht oft erwähnt - zwischen geparkten Autos hervor.
„Da ist der Führerschen schnell weg“
Das Problem der falsch abgestellten Wagen nehmen nicht nur die Verbände ernst. Vom gestrigen Montag bis Freitag wird wird die Polizei an rund 190 Falschparker-Hotspots in ganz Berlin verstärkt kontrollieren. Es geht um verbotenes Halten und Parken auf Radschutzstreifen, Radwegen, Busspuren sowie in zweiter Reihe. Alle 37 Berliner Polizeiabschnitte und sämtliche Bezirksämter sind an der Aktion beteiligt. Der VCD organisiert zeitgleich eine bundesweite „Falschparker-Aktionswoche“.
Gemeinsam mit dem VCD sowie der Initiative Clevere Städte fordert Fuss e.V. eine strengere Bestrafung von Falschparkern, nicht nur an Straßenecken: Sie sollen pro Verstoß 100 Euro zahlen. „Und damit es auch jene spüren, die sich diese Summe locker leisten können“, so Vorstand Stimpel, “soll es einen Punkt in Flensburg geben - da ist der Führerschen schnell weg.“ Vorbilder findet er im europäischen Ausland. „In Frankreich zahlt man dafür 135 Euro.“
Einfach vergessen, wie weit man von der Straßenecke entfernt sein muss
Anika Meenken, beim VCD Sprecherin für Radverkehr und Mobilitätsbildung, hält auch ein Schraffieren der Fahrbahn im kritischen Bereich für denkbar. „Viele Autofahrer haben seit der Führerscheinprüfung einfach vergessen, wie weit genau man von der Straßenecke entfernt sein muss.“
Meenken betont, dass es in Berlin einfach Zeit sei für „eine bessere Ordnung im Straßenbereich.“ Da sei es wichtig, dass Busse pünktlich ankommen, und nicht durch Falschparker ausgebremst werden. Sonst gehe für Autofahrer der Anreiz verloren, auf den ÖPNV umzusteigen.
Zuletzt geht Roland Stimpel während dieses Aktionsvormittags am Mariannenplatz noch an geparkten Wagen vorbei und steckt jenen, die falsch stehen, eine vorgedruckte „Gelbe Karte für Autos auf Rad- und Gehwegen“ des VCD unter den Scheibenwischer. „Sie schränken die Mobilität anderer Menschen ein und gefährden diese“, steht auf der Rückseite. Ein Kleinlaster hat bereits eine deutlichere Botschaft bekommen: Unter seinem Scheibenwischer klemmt ein Knöllchen.