Berlin. Die Berliner Sozialverwaltung will der Polizei bei Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern nur dann den Zutritt zu Flüchtlingsheimen erlauben, wenn ein Richter eine Durchsuchung angeordnet hat. Ansonsten sollten die Heimbetreiber den Beamten den Zugang zum Gebäude verwehren, die Bewohner könnten zudem das Betreten der Zimmer verweigern.
Eine entsprechende Klarstellung hat das der Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke) unterstehende Landesamt für Flüchtlingsangelegenheiten (LAF) an alle Heimbetreiber versandt. Die rechtliche Einschätzung findet sich als Anlage zur Einladung zur Heimbetreiber-Konferenz am nächsten Mittwoch.
Verfasst hat den Vermerk ein Jurist aus dem Hause Breitenbach. Auch Gemeinschaftsräume und Außenanlagen von Flüchtlingsheimen unterliegen nach seiner Interpretation dem besonderen Schutz der Wohnung.
In der Koalition hat der nicht abgestimmte Vorstoß der Linken-Senatorin für massiven Ärger gesorgt. Vor allem Innensenator Andreas Geisel (SPD) war nicht amüsiert. Damit sollten durch die Hintertür Abschiebungen verhindert werden, hieß es in der SPD. Mit dem „Griff in die Trickkiste“ wolle die Linke die Zahl der Abschiebungen herunterbringen.
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Abschiebungen in Berlin: Polizisten nicht „reinrockern, wie sie wollen“
Breitenbach sagte der Morgenpost, mit der rechtlichen Klarstellung habe sie auf die verbreitete Unsicherheit unter den Heimbetreibern reagiert, wie diese mit der Polizei umgehen sollten. Ihr gehe es darum, dass die Polizisten nicht in die Unterkünfte „reinrockern, wie sie wollen“. Viele Bewohner seien traumatisiert. Die Unverletzlichkeit der Wohnung gelte auch für Geflüchtete, die in den Heimen oft als „Zwangs-WG“ zusammen leben müssten.
Sie wolle Abschiebungen nicht verweigern, versicherte Breitenbach. Sei „Gefahr im Verzuge“, würden die Beamten ohnehin eingelassen werden. Aber im Normalfall müsse die Polizei ihr Kommen ankündigen oder sich eben einen Durchsuchungsbeschluss besorgen.
Ihre Juristen sehen jeden Versuch einer Abschiebung auch als eine Durchsuchung einer Unterkunft an. Denn im Zuge des Versuche, eine gesuchte Person „zu ergreifen“, müssten auch die Personalien anderer Bewohner überprüft und Räume in Augenschein genommen werden.
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Berliner Polizisten kein „Überfallkommando“
Im Hause des Innensenators kann man das Vorgehen Breitenbachs nicht nachvollziehen. Zu den Rechten der Polizei in Flüchtlingsheimen habe man eine „dezidiert andere Rechtsauffassung“, sagte Geisels Sprecher Martin Pallgen. Die Beamten seien ja auch kein „Überfallkommando“. Es gebe aus Sicht der Innenverwaltung einen Unterschied zwischen „betreten und durchsuchen“. Die Polizisten dürften durchaus einen Gemeinschaftsraum, ein Foyer oder auch einen Wohnraum betreten, um die abzuschiebende Person in Empfang zu nehmen, sind Geisels Juristen überzeugt.
Das Schreiben der Sozialsenatorin greife ein in die Ressortzuständigkeit des Innensenators, der das geltende Bundesrecht durchsetzen müsse. Um abgelehnte Asylbewerber abzuschieben, würden im Übrigen keine Durchsuchungsbeschlüsse ausgestellt, sagte Geisels Sprecher. Hier gehe es nur um die „Vollstreckung eines Verwaltungsaktes“.
Geisel will die Angelegenheit keineswegs auf sich beruhen lassen. „Das muss politisch gelöst werden“, so sein Sprecher. Eine Gelegenheit dazu könnte der Koalitionsausschuss am Mittwoch sein.
Breitenbach macht „Pippi-Langstrumpf-Politik“
Heimbetreiber reagierten unterschiedlich auf das Schreiben der Sozialverwaltung, die sich in ihrer Haltung durch den Flüchtlingsrat bestärkt sieht. Breitenbach mache eine „Pippi-Langstrumpf-Politik“, sagte der Chef eines großen Betreibers der Morgenpost. Sie mache sich die Welt wie sie ihr gefalle, ohne die Rechtslage und die Realitäten zu berücksichtigen.
Aus einem anderen Unternehmen hieß es, trotz der anderweitigen Empfehlung Breitenbachs werde kaum ein Einrichtungsleiter die Polizisten nicht einlassen. Man sei in vielen Fällen, etwa bei Konflikten zwischen den Bewohnern, auf die Polizei angewiesen. Bei den lange im Voraus angekündigten Rückführungen sei es generell so: Wer nicht gefunden werden wolle, den finde die Polizei auch nicht.
In Berlin leben mehr als 12.000 ausreisepflichtige Ausländer
In Berlin leben mehr als 12.200 ausreisepflichtige Ausländer. Die wichtigsten Herkunftsländer sind der Libanon, Russland, Irak, Serbien und Vietnam. Die Zahl der rechtskräftig abgelehnten Asylbewerber, die aber aus verschiedenen Gründen nicht ausreisen müssen, liegt in Berlin bei 44.000, wie der Senat kürzlich in der Antwort auf eine parlamentarische Anfrage der FDP-Fraktion bekannt gab.
Demnach wurden in den ersten drei Monaten dieses Jahres 293 Personen aus Berlin abgeschoben. Ein bedeutender Rückgang ist nicht festzustellen. in den ersten drei Monaten 2018 waren es 308. Im ersten Quartal 2019 reisten darüber hinaus 1511 Personen freiwillig aus, 252 davon nach Syrien.