Berlin. Fünf Paketdienste haben in Berlin die Zustellung mit dem Lastenrad erprobt. Weitere Projekte sollen folgen.

In der alten Arbeitswelt stieg Paketzusteller Andreas Butzengänger jeden Morgen in sein voll beladenes Fahrzeug, fuhr los, stand im Stau und verlor Zeit bei der Suche nach Parkplätzen. Drei Jahre lang hat der 52-jährige Berliner so gearbeitet. Vor zwölf Monaten aber änderte sich das Berufsleben von Andreas Butzengänger radikal. Der Zusteller wurde Teil des Pilotprojekts „Komodo“, das in Prenzlauer Berg das Ausliefern von Paketen mit dem Lastenfahrrad erproben sollte. Butzengängers Fazit nach einem Jahr: „Es macht Spaß!“

Statt in ein Zustellfahrzeug setzt sich der DHL-Mitarbeiter seitdem jeden Morgen auf sein Lastenrad und fährt los. 30 bis 40 Pakete kann Butzengänger im Durchschnitt pro Tour mitnehmen, dann muss er zurück ins Deport und neu beladen. Acht bis zehn Kilometer legt er jeden Tag mit dem Cargo-Bike zurück. Der größte Pluspunkt für den Zusteller: Mit dem Fahrrad steht er nicht mehr im Stau. „Die Paketauslieferung findet größtenteils über die Gehwege statt“, sagt Butzengänger.

Paketdienste kooperieren

Mit DHL, DPD, GLS, Hermes und UPS haben insgesamt fünf Paketdienstleister bei dem Projekt zusammengearbeitet. Herzstück ist das gemeinsame Mikro-Depot, dass die Unternehmen für den Pilotversuch an der Eberswalder Straße aufgebaut haben. Von dort starten die Fahrer jeden Morgen auf die sogenannten „letzte Meile“ und bringen die Sendungen zu den Empfängern.

Projektbeteiligte und auch Landespolitik zogen am Mittwoch ein positives Zwischenfazit. „Der Praxistest hat gezeigt, wie moderner, umwelt- und klimafreundlicher Lieferverkehr funktionieren kann“, sagte Hartmut Reupke, Leiter der Verkehrsabteilung in der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz. Mikro-Depots und Lastenräder können eine effiziente Lösung für die letzte Meile bei Paketlieferungen sein, so Reupke.

In einem Jahr wurden 160.000 Pakete ausgeliefert

Täglich seien elf Lastenfahrräder mit E-Motor Teil des Projekts gewesen, sagte Koordinator Andreas Weber. Innerhalb eines Jahres konnten insgesamt 160.000 Pakete ausgeliefert werden. Rund 38.000 Kilometer legten die Fahrer mit den Rädern zurück. Während der Projektphase seien bislang 28.000 Kilometer Fahrweg mit herkömmlichen Lieferfahrzeugen und rund elf Tonnen Kohlenstoffdioxid eingespart worden, so Weber.

Hintergrund des Projekts ist auch das seit Jahren steigende Aufkommen von Paketsendungen. Nicht nur in Berlin hat wegen der dadurch gewachsenen Anzahl von Zustellfahrzeugen die Verkehrsbelastung zugenommen. Viele Anwohner sind genervt. Die Lastenfahrräder können perspektivisch zur Linderung beitragen: Leise und emissionsfrei seien die Bikes, sagte Weber. Das ist auch ein Grund, sich das Bundesumweltministerium finanzielle an dem Modellversuch beteiligt hatte. Mit 400.000 Euro Fördermitteln wurde das Projekt unterstützt. Vor allem der Aufbau des Mikrodepots sei damit bezahlt worden, erklärte Weber. Neben den Containern, in denen die Pakete zwischengelagert wurden, seien auch Pausenräume für Mitarbeiter, Dixi-Toiletten und Abstellflächen für die Räder geschaffen worden, so der Projektverantwortliche. Aber auch die Paketdienstleister hätten sich in „erheblichem Umfang“ finanziell an dem Projekt beteiligt, sagte Weber.

Bis zu fünf neue Standorte für Mikro-Depots in Berlin geplant

Für die DPD, Hermes und Co. bedeutet die Zustellung per Lastenrad vor allem die Umstellung bewährter Prozesse. Für gewöhnlichen werden die Pakete in Depots am Rande Berlins in die Zustellfahrzeuge geladen und dann zum Empfänger gebracht. Die Auslieferung mit Lastenrädern erfordert nun mit dem Aufbau der Mikro-Depots einen Zwischenschritt. Im laufenden Modellprojekt werden die Pakete vormittags in das kleine Lage angeliefert und dort auf die Lastenräder verteilt. In einem Umkreis von drei Kilometern um das Depot herum werden die Sendungen dann ausgeliefert.

Die Paketdienstleister bezeichneten die Zustellung mit dem Rad als attraktive Alternative. Die Bikes seien effektiv, wendig und ökologisch sinnvoll. Mit den Lastenrädern allein ließen sich die Sendungsmengen einer Großstadt wie Berlin nicht bewältigen, erklärte Marc Rüffler, Abteilungsleiter bei DHL Paket. Zudem sei die Technologie noch am Anfang. Die Reichweite der Akkus der E-Fahrräder reiche noch nicht aus, zudem koste ein Lastenrad momentan noch so viel wie ein Kleinwagen. Hinzu kommt die Frage nach Flächen. Schon heute fällt es Gewerbetreibenden in Berlin schwer, neue Standorte zu finden. Mischen jetzt auch noch Paketdienstleister mit könnte die Konkurrenz weiter zunehmen. In Berlin soll das Projekt ausgeweitete werden. Neben dem Mikro-Depot in Prenzlauer Berg sollen 2020 drei bis fünf neue Standorte hinzukommen, kündigte Hartmut Reupke an.