Nach Machtkampf

Kai Wegner ist neuer Landeschef der Berliner CDU

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Jens Anker
Monika Grütters, bisherige Vorsitzende der Berliner CDU, gratuliert ihrem Nachfolger Kai Wegner zur Wahl.

Monika Grütters, bisherige Vorsitzende der Berliner CDU, gratuliert ihrem Nachfolger Kai Wegner zur Wahl.

Foto: Annette Riedl / dpa

Mit einem neuen Vorsitzenden will die Hauptstadt-CDU Rot-Rot-Grün nun schärfer attackieren - und spätestens 2021 ablösen.

Berlin. Die Anspannung war Kai Wegner schon vor Beginn des Parteitages der Berliner CDU anzumerken. Die hohe Stirn glänzte im Schein der Deckenlampen im Hotel Estrel. Nach dem Machtkampf in der CDU fürchtete er an diesem Sonnabend eine Denkzettelwahl.

Auch deshalb war der Andrang auf dem Parteitag trotz des schönen Wetters groß. Hotelangestellte mussten zusätzliche Stühle in den Saal tragen, damit alle einen Sitzplatz bekamen. Weit mehr als die 303 Delegierten hatten an diesem Morgen den Weg nach Neukölln gefunden, um zu sehen, wie die Wahl des neuen Landesvorsitzenden ausgeht.

Die Spannung löste sich um 13.39 Uhr, als Sitzungsleiterin Cornelia Seibeld das Ergebnis verkündete. Mit 230 von 303 Stimmen wählten die Delegierten Wegner zum neuen Landeschef. Der zeigte sich sogleich kämpferisch. „Ab heute muss sich Rot-Rot-Grün warm anziehen“, kündigte Wegner unter dem Applaus der Delegierten an.

Zuvor hatte Wegner an die Geschlossenheit der CDU appelliert. Zusammen mit Generalsekretär Stefan Evers, der von den Delegierten in seinem Amt bestätigt wurde und Fraktionschef Burkhard Dregger wolle er im Schulterschluss die Partei zu alter Stärke führen. „Wenn alle mitmachen, können wir zur größten Denkwerkstatt Berlins werden“, sagte Wegner in seiner Bewerbungsrede. Jetzt könne die Berliner CDU etwas aufbauen, was langfristig trägt. Er wolle die CDU zur konservativen Heimat-Partei und zu einer sozialen Kiezpartei wandeln, kündigte der neue Landeschef an. „Wir müssen den Menschen auf den Puls fühlen, authentisch sein und ehrlich an den Menschen interessiert“, sagte Wegner.

Danach folgte eine Generalabrechnung mit der rot-rot-grünen Landesregierung. Berlin wachse nicht wegen, sondern trotz der Landesregierung, der Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) agiere „verkniffen, verdruxt, verbraucht“. Wirtschaftssenatorin Ramona Pop (Grüne) habe durch ihre Zustimmung zum Enteignungsbeschluss für große Immobilienbesitzer ihrer eigenen Partei ins Abseits manövriert und Bausenatorin Katrin Lompscher (Linke) sollte vom Regierenden Bürgermeister entlassen werden, forderte der neue CDU-Chef.

Monika Grütters zeigte sich selbstkritisch

Vor allem in der Ablehnung des aktuellen Senates zeigte sich die Partei an diesem Sonnabend einig. Die scheidende Landeschefin Monika Grütters attackierte die Landesregierung als „schlechtesten Senat aller Zeiten“, der mit seinen Enteignungsplänen einen „aufgewärmten Sozialismus“ verfolge. Der als Gastredner geladene Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) machte die Unfähigkeit der aktuellen Regierung - fast schon zwangsläufig - am Baustellendesaster auf dem neuen Flughafen BER fest. Berlin habe etwas besseres verdient, sagte Spahn

Die scheidende Landesvorsitzende Monika Grütters zog eine positive Bilanz ihrer Amtszeit. Sie lobte die produktive Zusammenarbeit während der vergangenen zweieinhalb Jahre, in denen sie der Partei vorstand.

Sie hatte den kriselnden Landesverband nach der Wahlniederlage 2016 übernommen, nachdem die CDU die Regierungsverantwortung verloren hatte und Landeschef Frank Henkel zurückgetreten war. „Die Krise ist ein produktiver Zustand, man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen“, zitierte sie den Schriftsteller Max Frisch mit einem Satz, der ihr Motto für den damaligen Amtsantritt darstellte. Damals habe die „Theorie der gläsernen Klippe“ für die CDU gegolten. Damit bezeichneten Wissenschaftler das Phänomen, dass Frauen ausgerechnet dann an die Macht kommen, wenn Organisationen am Abgrund stehen. Um den Abgrund zu verlassen, habe sie Brücken über die innerparteilichen Gräben gebaut. „Die Partei hat in der Krise zusammengehalten“, sagte Grütters.

Aber die 57-Jährige zeigte sich auch selbstkritisch. Es habe schon Hürden und Hindernisse gegeben. Ihre Doppelfunktion, als Chefin eines Landesverbandes mit 12.000 Mitgliedern und als Kulturstaatssekretärin mit einem Etat von zwei Milliarden Euro habe sie in dem einen oder anderen Streit zur Zurückhaltung verpflichtet.

Damit spielte sie auf den Streit um die Ablösung des Leiters der Gedenkstätte Hohenschönhausen, Hubertus Knabe, an. Dass sie zusammen mit Berlins Kultursenator Klaus Lederer von der Linkspartei die Absetzung Knabes mittrug, hatte in der Berliner CDU zu erheblichem Ärger geführt - der schließlich mit zu ihrer Ablösung führte. Als Kulturstaatssekretärin habe sie auch mit der Aufarbeitung der NS-Zeit und des Stasi-Unrechts zu tun gehabt, rechtfertigte sie am Sonnabend ihre damalige zurückhaltende Haltung.

Zum Schluss noch ein kleiner Hieb für die Parteifreunde

Und nun? Grütters macht weiter. Zwar nur als Beisitzerin im neuen Vorstand, aber sie zeigte sich keineswegs enttäuscht von ihrem Verzicht auf eine erneute Kandidatur. „Wenn ein Mann zurückweicht, dann weicht er zurück“, sagte sie zum Schluss. „Wenn eine Frau zurückweicht, dann tut sie das, um besser Anlauf nehmen zu können“, kündigte sie mehrdeutig an. Zum Schluss hatte sie noch eine Spitze für ihre Berliner Parteifreunde parat. Zum Abschied erhielt sie eine Vase von KPM. „Habe ich euch doch noch kultiviert“, sagte Grütters mit einem Seitenhieb auf den nicht immer einfachen Umgang innerhalb der Berliner CDU.

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