Vor Arbeitsbeginn noch eben mit dem Kaninchen zum Tierarzt, in der Mittagspause zum Optiker, am Abend schnell ins Reisebüro – und immer der Gedanke: Wäre doch schön, wenn ich das alles zu Hause erledigen könnte. Auf diesen Wunsch stellen sich Dienstleister in Berlin zunehmend ein: Friseure oder Tanzlehrer kommen ebenso zum Kunden nach Hause wie Tierärzte und Optiker. Die Industrie und Handelskammer (IHK) Berlin macht einen Trend zu mobilen Dienstleistungen aus, wie Simone Blömer, Branchenkoordinatorin für Tourismus und Gastronomie, berichtet. Sie stelle in Gesprächen mit Unternehmen fest, dass es bei den flexiblen Angeboten sowohl darum gehe, auf die Bedürfnisse der Kunden einzugehen, als auch darum, die eigene Arbeitszeit flexibler gestalten zu können. Wir haben vier Berliner begleitet, die als Dienstleister mobil unterwegs sind.
Visite auf dem Wohnzimmerteppich
Ginger hustet. Der schwarze, zottelige Zwergschnauzer ist krank, er wirkt schlapp, frisst weniger als sonst. Der Hund muss zum Arzt – oder die Ärztin zum Hund. „Ginger ist ein Angstpatient“, sagt Frauchen Martina Baldi. Schon vor der Tür der Tierarztpraxis fängt er an zu zittern. Wenn sie es vermeiden kann, mutet Martina Baldi ihm deshalb den „Stress in der Praxis“ nicht zu, sondern ruft die mobile Tierärztin Brit von Plettenberg. „Die Atmosphäre ist zu Hause einfach deutlich entspannter“, sagt Martina Baldi.
Auf dem Wohnzimmerteppich sitzend hört die Tierärztin Gingers Brustkorb ab und hat eine gute Nachricht für seine Besitzerin: „Das Herz ist gesund.“ Husten kann bei Hunden auch ein Hinweis auf eine Herzerkrankung sein. Ginger aber hat nichts am Herzen, sondern eine Mandelentzündung — und die ist mit einem Antibiotikum gut zu behandeln.
Für die „Standardsachen“ braucht sie keine Praxis
Während Ginger schon wieder im Garten herumschnüffelt, besprechen Brit von Plettenberg und Martina Baldi im Haus die weitere Behandlung, bevor die Tierärztin zum nächsten Termin startet. Brit von Plettenberg ist seit 30 Jahren praktische Tierärztin. Im vergangenen Jahr tat sie sich mit einer Hundetrainerin zusammen und ist mobil unterwegs. Für die „Standardsachen“ brauche sie keine Praxis: Allgemeinuntersuchungen, Impfungen, Blutentnahmen kann die Tiermedizinerin ebenso gut dort machen, wo die Tiere zu Hause sind.
Oft rufen Tierhalter ohne Auto an
Abgerechnet wird nach der Gebührenordnung für Tierärzte, auch das Wegegeld, das sich nach der Entfernung richtet, ist darin geregelt. „Leute, die tagsüber arbeiten oder die kein Auto haben“ rufen sie ebenso an wie beispielsweise Besitzer von Katzen, die nicht in den Transportkorb wollen, erzählt sie.
„Wichtig ist, dass mir die Besitzer schon am Telefon sagen, was ihren Lieblingen fehlt“, sagt Brit von Plettenberg – ob das Tier hustet oder fiebrig wirkt, weniger frisst oder flach atmet zum Beispiel. Dann kann die mobile Tierärztin die Medikamente mitbringen, die sie voraussichtlich braucht – so wie das Antibiotikum für Ginger, den hustenden Zwergschnauzer.
Informationen: www.stadthundetraining.de, Tel. 0162 - 65 281 75
Wenn die Brille ans Bett kommt
Im Rollstuhl sitzt Günter Fritz nicht gern, nach einer Stunde tue ihm alles weh, sagt er. Am liebsten liegt der 88-Jährige. Das Pflegeheim in Lankwitz zu verlassen, in dem er lebt, fällt ihm schwer. Deshalb ist er froh, dass es Susanne Völkel gibt: Dank der mobilen Optikerin kann er seine Brille im Bett aussuchen.
Seit 2004 ist sie mit ihrem Unternehmen „Brillenkutsche“ unterwegs. Grund für ihre Entscheidung waren damals ihre Kinder – sie wollte gern mittags zu Hause sein, wenn die beiden aus der Schule kamen. Gleichzeitig hörte die Optikermeisterin in dem Geschäft, in dem sie damals angestellt war, immer wieder die Bitte, ob sie nicht auch einen Hausbesuch machen könnte. Susanne Völkel merkte: Ihr Wunsch, mittags frei zu haben, und der vieler Kunden, sich zu Hause eine Brille auszusuchen, passten gut zusammen.
Inzwischen sind ihre Kinder längst so groß, dass sie mittags auch gut allein zurecht kommen. Wieder als angestellte Optikerin zu arbeiten, ist für Susanne Völkel trotzdem keine Option: Sie merke, wie sehr sie gebraucht werde, sagt sie. Einer ihrer Kunden habe seit zehn Jahren seine Wohnung nicht mehr verlassen, weil er die Treppen nicht mehr hochkommt, „der hätte keine andere Möglichkeit, an eine neue Brille zu kommen“. Sie besucht Bettlägerige und Gehbehinderte, auch einer Angstpatientin, die sich nicht vor die Tür wagt, hat sie schon eine neue Brille angepasst.
Ein Schwätzchen zur Entspannung
Die Brille sei bei ihr nicht teurer als in einem Optiker-Geschäft, versichert sie, nur die Anfahrtskosten kommen je nach Entfernung dazu, „mehr als 20 Euro nehme ich selten“.
Bei ihren Besuchen halte sie erst einmal ein Schwätzchen, gerade ältere Menschen seien sonst oft „so verkrampft, dann sehen sie schlecht.“
Erst danach packt sie ihre Geräte aus, mit denen sie die Sehstärke misst, und stellt die Tafel mit den Zahlenreihen auf.
Dezent randlos bis auffällig in Türkis
Wenn die Gläserstärken feststehen, sucht sich der Kunde ein Brillengestell aus, 70 bis 80 hat Susanne Völkel dabei, von der dezenten randlosen Brille bis zur auffällig gemusterten in Türkis. Günter Fritz entscheidet sich für ein eher unauffälliges Modell – und freut sich schon auf den nächsten Besuch von Susanne Völkel, bei dem sie die fertige Brille mitbringen wird: „Dann kann ich endlich wieder lesen.“
Informationen: brillenkutsche.de, Tel. 810 59 118
Der Profi als Küchengast
Im Kofferraum hat er immer eine Induktionsplatte im Koffer. Und große Töpfe. Thomas Aljets kocht bei seinen Gästen zu Hause – und die vier Kochplatten auf einem Standardherd reichen einem Profi eben nicht immer. Ebensowenig der eine 15-Liter-Topf, den er dort im Schrank findet. Ansonsten aber passt er sich eben den Bedingungen an, die er in den Wohnungen vorfindet: „Ich spreche ja vorher mit den Kunden ab, wie es in ihrer Küche aussieht“, sagt der 40-Jährige, dabei fragt er auch, welche Geräte und Utensilien es dort gibt.
Junggesellinen-Abschied im privaten Rahmen
Spannend sei es trotzdem, wenn er die Küche zum ersten Mal sieht, an der er dann beispielsweise ein Fünf-Gang-Menü für zehn zubereitet oder mit seinen Gästen gemeinsam kocht. Wie an diesem Abend: Zum Junggesellenabschied ihrer Freundin Victoria hat Trauzeugin Nora einen Kochkurs mit Thomas Aljets gebucht, „wir wollten gern einen privaten Rahmen haben“, sagt sie. Gemeinsam haben Thomas und sie das Menü geplant, das jetzt in der Küche zubereitet wird: Als Vorspeise gibt es einen Salat von grünen Bohnen und Burrata, danach geröstete Mandel-Pasta mit geschmorten Zucchini. Als Hauptgang hat Thomas Aljets Perlhuhn geplant, zum Nachtisch eine Crème Brûlée.
Essen wie im Restaurant – in der eigenen Wohnung
Essen wie im Restaurant, aber in der eigenen Wohnung – das ist die Idee, mit der Mietköche wie Thomas Aljets unterwegs sind. Seinen Einsatz beschreibt der Kochprofi so: „Ich komme, koche das Essen, Sie genießen es, und am Ende des Abends soll die Küche so aussehen, als wäre ich nie dagewesen.“
Seine Kunden buchen ihn über die Webseite kitchennerds.de, die in Deutschland Profiköche vermittelt. Thomas Aljets kocht ab 35 Euro pro Person, dafür gibt es ein Drei-Gang-Menü und hat ein Mindestbudget von 360 Euro. Vier Stunden ist er dafür vor Ort, hinzu kommen acht Stunden Vorbereitung – der Mietkoch kauft auch ein und kümmert sich um das Geschirr. Was am Ende auf dem Teller liegen soll. spricht er vorher mit den Kunden ab.
Vorkochen für Vater und Sohn
Eine bestimmte Zielgruppe gebe es nicht, er habe schon für Menschen Anfang 20 gekocht, aber auch schon bei einem 90. Geburtstag, erzählt er. Junge Eltern seien häufig dabei: „Leute mit Kindern, bei denen der Babysitter anruft, wenn sie gerade im Restaurant beim ersten Gang sitzen“, sagt er. Und dann war da noch der Vater, mit kleinem Sohn, bei dem er immer montags in der Küche stand: „Da habe ich für die ganze Woche vorgekocht, damit die beiden was Gutes zu essen haben.“
Informationen: www.kitchennerds.de
Reisebüro am Küchentisch
Vor ein paar Wochen war Maren Truelsen in Norwegen, der Nordlichter wegen. Jetzt plant sie den nächsten Urlaub, diesmal geht es in die Sonne. Die Lichtenraderin verreist gern. Weniger gern sitzt sie am Computer, um Flug- und Hotelpreise zu vergleichen. Stattdessen schreibt sie ihrem Reisebüro einfach eine E-Mail: „Inzwischen sind es nur noch ein paar Stichworte: wann, wohin, wie viele Leute fahren mit“, erzählt sie. Danach lehnt sie sich zurück und wartet auf Besuch. Ihr Reisebüro, das ist Yvonne Lepinski — und die kommt ins Haus.
„Kunden wünschen sich flexible Zeiten“
Bevor sie sich vor ein paar Jahren selbstständig machte, hatte Yvonne Lepinski überlegt, was ihre Kunden wollen und kam neben all dem, was sie in ihrer Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau gelernt hatte, immer wieder auf die Öffnungszeiten: „Die meisten Kunden wünschen sich flexible Zeiten“, stellte sie fest. Familien beispielsweise oder Paare, bei denen ein Partner nicht in Berlin lebt: „Die wollen dann die wenige Zeit, die sie haben, nicht damit verbringen, im Internet eine Reise zu planen oder ins Reisebüro zu fahren.“
Wenn sie den Termin vereinbare, klopfe sie schon am Telefon ab, welche Vorstellungen ihre Kunden haben „und dann bringe ich Ideen und Vorschläge mit“. Manchmal findet diese Planung auch erst bei ihrem Besuch am Esstisch statt. Und wenn dann einer ans Meer will und der andere in die Berge? Erstmal versuche sie, mit Nachfragen herauszufinden, was beiden im Urlaub wichtig ist. „Wenn ich merke, dass sich ein Paar nicht einig wird, schlage ich etwas ganz anderes vor. Eine Kreuzfahrt zum Beispiel“, sagt die 51-Jährige.
Keine Anfahrtskosten für Kunden in Berlin
Die Kosten seien dieselben, die ihre Kunden auch dann bezahlen würden, wenn sie eine Pauschalreise anderswo buchten. Anfahrtskosten berechne sie in Berlin nicht, betont Yvonne Lepinski.
Während die Reise-Expertin von ihrem Geschäftsmodell erzählt, guckt sich Kundin Maren Truelsen auf dem Laptop Bilder ihres nächsten Reiseziels an. Zum Strandurlaub will sie nach Kos, auf Empfehlung von Griechenland-Fan Yvonne Lepinski. Einmal habe sie vor ein paar Jahren doch ganz allein einen Urlaub im Internet gebucht, erzählt Maren Truelsen. Danach nie wieder. „Da musstest du dich morgens um sieben am Wasserpark anstellen, damit du noch eine Liege bekommst.“
Informationen: www.traveloase-berlin.de, Tel. 762 886 14