Berlin. Mindestens 100 Kilometer Radschnellverbindungen sollen in Berlin in den nächsten Jahren entstehen. Dieses Ziel ist auch im rot-rot-grünen Mobilitätsgesetz verankert. Für zehn solcher möglichen Verbindungen, auf denen Radfahrer lange Wege in kürzerer Zeit zurücklegen können, hat die Senatsverwaltung für Verkehr unter Regine Günther (parteilos, für Grüne) inzwischen Machbarkeitsuntersuchungen in Auftrag gegeben.
Bei einer zweistündigen öffentlichen Informationsveranstaltung mit rund 150 Teilnehmern wurden am Dienstagabend im „Heimathafen Neukölln“ erstmals die Streckenvarianten für die sogenannte „Y-Trasse“ vorgestellt und diskutiert.
Auf einer Länge von rund 17 Kilometern soll diese Radschnellstrecke im Südosten Berlins durch die Bezirke Treptow-Köpenick, Neukölln und Friedrichshain-Kreuzberg führen. Für die „Y-Trasse“ sind drei Abschnitte untersucht und nun präsentiert worden. Die Fahrzeit auf dem Fahrrad soll sich damit um ein Drittel verkürzen.
Radschnellweg Abschnitt I: Parallel zu A113 zum Hafen Britz-Süd
Der Abschnitt I über 5,7 Kilometer beginnt im Ortsteil Adlershof. Die Trasse führt zunächst parallel zur Autobahn 113 und dem südlichen Teltowkanal zum Hafen Britz-Süd. Bei mittlerem Fahrtempo ist man auf dieser Strecke laut Prognose 36 Minuten unterwegs, bei schnellem Tempo nur 22 Minuten. Im Vergleich: mit dem Auto müssen 18 Minuten eingeplant werden, mit den öffentlichen Verkehrsmitteln 32 Minuten.
Die Planer erwarten, dass mit diesem Radschnellweg-Angebot täglich 300 Autofahrten ersetzt werden können. Es handele sich um einen eigenen, straßenunabhängigen Radweg.
Profitieren würden vor allem Anwohner des Wohnungsneubaugebietes Johannistal. Auch der Universitätsstandort Adlershof wäre damit angebunden. Auf der Strecke bestehe eine verhältnismäßig schlechte ÖPNV-Anbindung. Außerdem werde mit diesem Abschnitt der Anschluss an den Berliner Mauerweg geschaffen. Am Britzer Hafen teilt sich die Trasse dann in zwei Streckenarme auf:
Radschnellweg Abschnitt II: Quer durch Neukölln zum Südstern in Kreuzberg
Die westliche Abzweigung führt quer durch Neukölln entlang des Tempelhofer Feldes zum Südstern in Kreuzberg. Die rund 5,9 Kilometer können bei mittlerem Fahrtempo in 24 Minuten zurückgelegt werden, bei schneller Fahrweise in 16 Minuten. Auch hier geht es deutlich schneller als mit dem Auto voran, denn dafür bräuchte man 29 Minuten, mit dem ÖPNV sind es ebenfalls nur 16 Minuten. Ist diese Strecke fertig, könnten nach Berechnungen der Planer 2200 Autofahrten am Tag wegfallen. Der Weg führt überwiegend durch geschützte Grünanlagen und auf Flächen des Tempelhofer Feldes.
Diese Route brächte vor allem den Bewohnern der Wohnungsneubaugebiete Luisenstadt Mariendorfer/Tempelhofer Weg eine schnelle Anbindung. Es würde eine Verbindung zwischen Kreuzberg und Neukölln geschaffen.
Radschnellweg Abschnitt III: Entlang der A100 auf dem Mauerweg zum Görlitzer Park
Die zweite Abzweigung der Radschnellverbindung verläuft östlich davon entlang der Autobahn 100 auf dem Mauerweg bis zum Görlitzer Park in Kreuzberg. Für die etwa 5 Kilometer parallel zum Teltowkanal und zur A 113 werden 27 Minuten bei mittlerem Fahrtempo prognostiziert, wer schnell fährt, kommt in 16 Minuten ans Ziel. Zum Vergleich: Mit dem Pkw dauert es 20 Minuten, mit dem ÖPNV 36 Minuten.
Mit dieser Route würden laut Planern sogar 3100 Autofahrten täglich wegfallen können. Sie habe das Potenzial, sogar 3100 Autofahrten täglich zu kompensieren. An der Route liegen viele Arbeitsplätze, es sind aber auch viele Wohnungsneubauten vorgesehen. Zudem wird damit der Anschluss an den Berliner Mauerweg und an den Europaradweg geschaffen.
Die Einladung zur Informationsveranstaltung richtete sich nicht nur an Radfahrer, sondern an alle Verkehrsteilnehmer. In vier Dialogrunden wurden zu jedem Trassenabschnitt Varianten diskutiert - wie zum Beispiel der Radweg entlang der Hasenheide/dem Tempelhofer Feld und die Umgestaltung der Oderstraße zur Fahrradstraße. Teilnehmer dieser Runde haben sich einheitlich dafür ausgesprochen, dass die Route nicht über die Emser Straße führen sollte.
Hinweise sollen bei Bau des Radwegs berücksichtigt werden
Ideen, Vorschläge und Hinweise aus der Veranstaltung würden in den weiteren Planungsprozess aufgenommen, sicherte der Staatssekretär für Verkehr, Ingmar Streese, beim Informationsabend zu. Am Ende werde eine Vorzugsvariante stehen. Mit diskutiert haben auch die Bezirksbürgermeisterin von Friedrichshain-Kreuzberg, Monika Herrmann (Grüne), und Neuköllns Bürgermeister Martin Hikel (SPD).
Was eine Radschnellverbindung ausmacht, erläuterte Peter Bischoff vom Büro SHP Ingenieure. Radfahren solle damit auch über Distanzen von fünf Kilometern interessant werden. Entlang von Hauptverkehrsstraßen müssten die Radwege mindestens drei Meter breit sein, auf Fahrradstraßen sollten es vier Meter sein. Die Strecken müssten auch nachts gut beleuchtet und vorzugsweise asphaltiert sein.
Für Beate Mücke, stellvertretende Landesvorsitzende des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs ADFC, ist vor allem eins wichtig: „Die Radschnellverbindungen müssen so attraktiv und komfortabel gestaltet werden, dass Autofahrer auch bereit sind, aufs Rad umsteigen.“
Baubeginn für die "Y-Trasse" frühestens 2022
Wie geht es jetzt weiter? Die Ergebnisse der Machbarkeitsstudie, die von der landeseigenen Gesellschaft GB infraVelo GmbH ausgeschrieben wurden, gelten als erster grundlegender Schritt auf dem Weg zur Planung und zum Bau der Radschnellverbindung. Der bis dahin mit den Bezirken vorabgestimmte Vorschlag soll im Juli an die Senatsverwaltung für Verkehr gehen. Baubeginn für die „Y-Trasse“ ist nach derzeitigem Stand frühestens 2022.
Im vorigen Sommer wurden bereits Machbarkeitsuntersuchungen zur Teltowkanalroute - sie führt durch Tempelhof-Schöneberg und Steglitz-Zehlendorf - und für den Schnellradweg Königsweg- Kronprinzessinnenweg durch den Grunewald Richtung Wannsee/Potsdam in Auftrag gegeben. Im Dezember erging der Auftrag an zwei Planungsbüros für weitere sieben Trassen. Am 31. Januar fand im Rathaus Schöneberg eine erste Informations-und Dialogveranstaltung zur Teltowkanalroute statt.
Nächste Termine in Zehlendorf und Pankow
Am Montag, 29. April, soll um 18.30 Uhr im BVV-Saal in Zehlendorf die Königsweg-Kronprinzessinen-Route vorgestellt und diskutiert werden, am 10. Mai ist dann die Dialogveranstaltung zum Panke Trail vorgesehen. Diese Route, die Mitte und Buch verbinden soll, soll vom Nordbahnhof und der Torstraße nach Norden über die S-Bahn Pankow bis hin zur S-Bahn Karow verlaufen.