Berlin. Um zu zeigen, wie stark IVU in den vergangenen Jahren gewachsen ist, blättert der Vorstandsvorsitzende Martin Müller-Elschner durch den aktuellen Geschäftsbericht. Auf Seite 25 deutet der hochgewachsene Mann auf ein buntes Balkendiagramm: 2008 lag der Umsatz des Berliner Verkehrsplanungssoftware-Unternehmens bei etwas über 30 Millionen Euro, im vergangenen Jahr verfehlte IVU nur knapp die 80-Millionen-Marke. „Wir haben unseren Umsatz innerhalb von zehn Jahre mehr als verdoppelt“, sagt er und nimmt einen Schluck aus seiner Kaffeetasse.
Die BVG und Deutsche Bahn zählen zu den Kunden
IVU liefert gewissermaßen das Betriebssystem für Verkehrsunternehmen. Zu den Kunden in Deutschland zählen unter anderem die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und die Deutsche Bahn. Auch zahlreiche ausländische Auftraggeber hat IVU. Man könnte auch sagen, die Berliner exportieren die Pünktlichkeit. 500 Mitarbeiter sind für den Mittelständler tätig, der Mitte der 70er-Jahre von Studenten der Technischen Universität Berlin gegründet wurde. Auch heute noch schlägt das Herz des Unternehmens in der deutschen Hauptstadt. Am Firmensitz in Friedenau arbeiten 350 Menschen. Einen weiteren Standort gibt es in Aachen. Dazu hat IVU weltweit noch zwölf kleinere Niederlassungen.
Derzeit sind die Dienstleistungen des Unternehmens gefragt wie nie zuvor. Um zu erklären warum, genügt ein Blick nach Berlin: Die BVG klettert seit Jahren von einem Fahrgastrekord zum nächsten. Im vergangenen Jahr zählte das Landesunternehmen knapp 1,08 Milliarden Fahrten. Doch die starke Nachfrage bringt die BVG an ihre Grenzen. Um das Angebot zu verbessern, hat der Berliner Senat bereits Milliardeninvestitionen zugesagt.
Weltweit gebe es die Tendenz das öffentliche Personentransport-System zu stärken, sagt IVU-Chef Müller-Elschner. „Das Bewusstsein dafür hat sich erhöht. Hinzu kommt, dass sich in den IVU-Geschäftsfeldern die Megatrends Digitalisierung, Klimaschutz und Urbanisierung vereinen. Das sind Entwicklungen, die uns in die Karten spielen“, erklärt der Vorstandsvorsitzende des börsennotierten Unternehmens.
Auch im Ausland wächst das Geschäft
Gut die Hälfte der IVU-Kunden kommt aus Deutschland, aber auch das Geschäft im Ausland wächst seit Jahren. Zuletzt halfen die Berliner etwa einem kolumbianischen Anbieter, ein öffentliches Bus-System zu etablieren. Vor allem in Schwellenländern sieht Müller-Elschner in den nächsten Jahren Potenzial für weitere Aufträge. IVU liefert stets Software. Dabei geht es nicht immer nur um die Planung von Fahrten. Je nach Kundenwunsch konzipiert das Unternehmen auch Programme für betriebliche Aufgaben wie Abrechnung, Controlling und Dienstplanerstellung. IVU bietet auch Lösungen für Fahrgastinformationen oder den Fahrscheinverkauf an.
In Deutschland gewannen die Berliner zuletzt erneut den Auftrag für die Software, mit der die Deutsche Bahn ihren Fernverkehr steuert. Für Kunden soll die Reise in den Zügen mit der neuen Plattform noch komfortabler werden, sagt die Bahn. Fahrgäste würden zu Recht einen stabilen Zugverkehr erwarten. Die IVU-Software lege die Grundlage dafür, ließ etwa Philipp Nagl, Vorstand Produktion DB Fernverkehr, Anfang März mitteilen. IVU könne einen Beitrag zur Pünktlichkeit der Züge leisten, sagt auch Firmenchef Müller-Elschner. Die digitale Plattform der Berliner helfe dem Staatsunternehmen beim Erstellen verbesserter Fahrpläne. Vor allem bei unerwarteten Störungen im Betrieb könne die Software helfen, Auswirkungen schneller zu erkennen und zu beheben.
IVU hat starke Konkurrenz
Der Auftrag der Deutschen Bahn gilt innerhalb der Branche als Ritterschlag. Neben IVU sind auf dem deutschen Markt noch die Firma Init aus Karlsruhe aktiv. Auch ein paar ausländische Anbieter buhlen mit IT-Lösungen um die Kunden.
IVU hat aber auch schwere Zeiten durchlebt. Anfang der 2000er-Jahre stand die Firma kurzzeitig sogar vor der Pleite. Der Verlust einiger Aufträge und das Platzen der Börsen-Blase brachten das Unternehmen an den Rand des Abgrunds. Erst durch einen Wechsel im Management gelang die Wende. Damals legte IVU die Grundlage für den heutigen Erfolg und fokussierte sich vollständige auf das Segment Personenbeförderung.
Unternehmenschef Martin Müller-Elschner will seine Kunden nun auch in das neue Mobilitätszeitalter führen. Autonomes Fahren und alternative Antriebstechnologien stellen die IVU-Kunden vor Herausforderungen. Die Berliner können dabei mit ihrer Expertise helfen, glaubt Müller-Elschner. Die neue Allianz mit Daimler Busses sieht der IVU-Vorstand als ersten Schritt dafür an: Die Tochterfirma des Stuttgarter Automobilkonzern hält seit Februar 5,25 Prozent der Anteile an IVU. Mithilfe von Daimler wollen die Berliner jetzt noch stärker in das Geschäft mit Busunternehmen einsteigen.
Denn viele Unternehmen in der Branche stehen vor der Aufgabe, ihre Flotte zu modernisieren und auf Elektro-Antrieb umzustellen. Die IVU-Informatiker können zum Beispiel dafür sorgen, die Routenplanung an die geringere Reichweite der Fahrzeuge anzupassen. Der neue Partner soll nun die Tür zu neuen Kunden öffnen. „Jedes Jahr verkauft Daimler 30.000 Busse in der ganzen Welt. Daraus ergibt sich ein riesiges Potenzial für uns, vor allem auch in Ländern, in denen wir alleine als kleiner Mittelständler nur sehr schwer Fuß fassen könnten“, erklärt Müller-Elschner.
Kooperation mit Daimler bringt auch neue Aufträge
Auch im IVU-Hauptgebäude an der Bundesallee hat sich in letzter Zeit viel verändert. „Wir sind zuletzt um gut 70 Mitarbeiter pro Jahr gewachsen“, sagt Müller-Elschner. Weil die Auftragsbücher gut gefüllt sind, sucht IVU weiter nach Personal. Vor allem Informatiker und Verkehrsplanungs-Ingenieure stellt die Firma ein. Um die besten Köpfe gebe es einen großen Wettbewerb, hat der IVU-Chef festgestellt. Dennoch falle es seiner Firma leichter, gute Leute für die Zentrale in Berlin zu finden, als etwa für die Zweigstelle in Aachen.