Wirtschaftskriminalität

Wirtschaftskriminelle prellen Berlin um Milliarden

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Ulrich Kraetzer
Das Landeskriminalamt am Tempelhofer Damm.

Das Landeskriminalamt am Tempelhofer Damm.

Foto: Paul Zinken / picture alliance / Paul Zinken/dpa

Die Schadenssumme steigt um 300 Millionen Euro. Doch die Polizei halbiert die Zahl der Stellen in der zuständigen Abteilung.

Berlin. Während der Schaden durch Straftaten im Bereich Wirtschaftskriminalität laut Polizeistatistik für das Jahr 2018 um mehr als 300 Millionen Euro auf fast eine Milliarde Euro gestiegen ist, wurden nach Informationen aus Polizeikreisen die Stellen der zuständigen Abteilung im Landeskriminalamt (LKA) seit 2014 um mehr als die Hälfte reduziert.

Und das, obwohl gerade hier oft sehr intensive Ermittlungen notwendig sind. Denn es geht unter anderem um Anlage- oder Insolvenzbetrug sowie um Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht.

Ursache ist laut Gewerkschaft der Polizei (GdP) die Verschiebung von Stellen in andere Abteilungen. An diesem Beispiel sehe man, welche Folgen eine zu dünne Personaldecke haben kann, sagte GdP-Sprecher Benjamin Jendro.

Statt 441 Stellen nur noch 211

In der Abteilung 3 des LKA behandeln vier Dezernate die Bereiche Wirtschaftskriminalität, Korruption, Umwelt-, Verbraucher- sowie Polizeidelikte. In den vergangenen Jahren soll innerhalb der Behörde in großem Umfang Personal verschoben worden sein, etwa in die für Clan- und Rockerkriminalität zuständige Abteilung sowie in Anti-Terror-Dienststellen. Bei der Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität sei so ein Defizit entstanden, heißt es.

Die Tabellen des Landeskriminalamtes bestätigen die Einschätzung der GdP. Im Jahr 2014 verfügte die Abteilung für Wirtschaftskriminalität über 441 Vollzeitstellen. Im vergangenen Jahr waren es nur noch 211.

2018 sank die Zahl der registrierten Fälle in diesem Bereich von knapp 6000 auf etwas mehr als 3000. Doch dem steht eine erhebliche Steigerung der Gesamtschadenssumme gegenüber. So wurde bei Insolvenzdelikten ein Zuwachs um 173 Millionen Euro auf rund 341 Millionen Euro verzeichnet. Eine noch gravierendere Steigerung registrierte die Polizei beim Schaden, der durch Untreue entstand: Die Summe steigerte sich um 155 Millionen Euro auf rund 204 Millionen Euro – ein Plus von rund 315 Prozent.

Ergebnisse vor Gericht „ziemlich dünn“

Auf Anfrage der Berliner Morgenpost zur Stellenhalbierung hieß es aus der Innenverwaltung, im Jahr 2014 habe es im LKA eine „umfängliche Reorganisation“ gegeben. Der Leiter des Landeskriminalamtes, Christian Steiof, hatte an anderer Stelle eine deutlichere Einschätzung abgegeben. Als Zeuge im Untersuchungsausschuss zur Aufklärung der Umstände der Amri-Affäre erläuterte er jüngst zu den Dezernaten der Extremismus-Bekämpfung: „Dort ist Personal hinzugekommen.“ Der Zuwachs erfolgte laut Steiof allerdings zulasten der Bereiche, die Massenkriminalität bearbeiteten. Der LKA-Chef weiter: „Die Wirtschaftskriminalität haben wir in den letzten Jahren, ich würde mal fast sagen, systematisch an die Wand gefahren.“ Steiof nannte auch Gründe für den Personalabbau. Die Verfahren seien „extrem aufwendig“, die Ergebnisse vor Gericht aber „ziemlich dünn“. Angesichts der im gesamten LKA knappen Personalausstattung stelle sich die Frage: „Was kommt eigentlich dabei heraus?“

Der innenpolitische Sprecher der Grünen, Benedikt Lux, sagte: „Gut drei Milliarden Euro Schaden in den vergangenen zehn Jahren zeigen, dass der Verfolgungsdruck gestärkt werden muss.“ In den kommenden Jahren würden viele Ermittler und Strafverfolger in Pension gehen. „Deswegen ist auch eine systematische Personalentwicklung angezeigt“, forderte Lux.

( BM )