Radverkehrsplan

Radverbände brechen Verhandlungen mit Senat ab

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Christian Latz
Fahrradaktivisten demonstrieren in Berlin-Kreuzberg mit einer Sitzblockade gegen mangelnde Verkehrssicherheit auf der Oranienstraße.

Fahrradaktivisten demonstrieren in Berlin-Kreuzberg mit einer Sitzblockade gegen mangelnde Verkehrssicherheit auf der Oranienstraße.

Foto: imago stock / imago/Seeliger

Die Radwegpläne seien zu unkonkret, es passiere nichts, kritisieren ADFC und Changing Cities den Senat. Der Streit belastet die Grünen.

Berlin.  Neue sichere Radwege auf vielen Straßen Berlins, das hat der rot-rot-grüne Senat bei Amtsantritt versprochen. Ergebnisse sind jedoch auch zweieinhalb Jahre nach Start der rot-rot-grünen Koalition kaum sichtbar, beklagen Radaktivisten – und gehen zunehmend auf die Barrikaden.

Nun hat der schwelende Konflikt mit der Senatsverwaltung für Umwelt, Verkehr und Klimaschutz einen neuen Höhepunkt erreicht. Am Donnerstag haben der Landesverband des Allgemeinen Deutschen Fahrradclubs (ADFC Berlin) und der Verein Changing Cities Gespräche mit dem Senat über die Radverkehrsplanung abgebrochen.

Changing Cities und ADFC verhandeln seit Dezember mit Senat, BUND und Abgeordneten

Seit Dezember verhandeln Changing Cities, ADFC und der Berliner Bund für Umwelt- und Naturschutz Deutschland (BUND Berlin) mit dem Senat und den Abgeordneten der rot-rot-grünen Koalition über die Vorgaben für den Radverkehrsplan. Die Beteiligung der Verbände ist im Berliner Mobilitätsgesetz vorgeschrieben. Ebenso der Radverkehrsplan, der bis Sommer 2020 in Kraft treten soll.

Der Plan regelt wichtige Details zur Radinfrastruktur, etwa über die Breite von Radwegen und wie ihre Oberfläche beschaffen sein soll. Zudem bestimmt er konkrete Zeitrahmen, wann welche Strecken fertig werden müssen. Wichtig sollten da die im Rahmen der Kooperation mit den Verbänden erarbeiteten Vorgaben sein. Bis der eigentliche Plan vorliegt, sollen sie als Handlungsgrundlage für Senat und Bezirke beim Bau von Radwegen gelten.

Radverbände bemängeln zu wenig Mitspracherecht

Von konkreten Maßgaben könne bei den Gesprächen jedoch keine Rede gewesen sein, kritisieren die Radverbände. Der Senat sei nicht bereit gewesen, mit ihnen einen Fahrplan mit zeitlichen und inhaltlichen Meilensteinen zu vereinbaren. Viele konkrete Maßnahmen hätte der Senat erst in Dokumenten festhalten wollen, die zu einem späteren Zeitpunkt erstellt werden.

Das führe dazu, dass die Verbände in diesem späteren Prozess kein Mitspracherecht mehr hätten, heißt es von Changing Cities und dem ADFC Berlin. „Zentrale Grundlagen für den Ausbau des Radverkehrs werden immer weiter aufgespalten und ein ums andere Jahr verschleppt“, sagte Stefan Lehmkühler von Changing Cities. „Ein verbindlicher Fahrplan für die Kooperation mit der Zivilgesellschaft fehlt.“

Ähnlich äußerte sich der ADFC Berlin. „Die Ergebnisse sind so unverbindlich, dass wir das nicht mittragen konnten“, sagte Sprecher Nikolas Linck. „Es fehlen zeitliche Ausbaupfade und der Leitfaden für Fahrradstraßen.“ Ohne sie handelten die Planer in den Bezirken ins Blaue hinein, oder würden gar nicht erst tätig. So im Bezirk Tempelhof-Schöneberg, wo der Bezirk aus diesem Grund vorerst auf die Einrichtung einer Fahrradstraße verzichte, sagte Linck.

„Wir machen Konzepte, doch wir sehen nicht, dass in der Senatsverwaltung etwas passiert“

Die Radaktivisten können die Unverbindlichkeit nicht nachvollziehen. „Wir machen Konzepte, doch wir sehen nicht, dass in der Senatsverwaltung etwas passiert“, sagte Lehmkühler.

Im vergangenen Herbst habe man auf Bitten von Verkehrssenatorin Regine Günther (parteilos, für Grüne) ihrer Verwaltung mehrere Vorschläge gemacht, welche Straßen mit einfachen Mitteln – etwa farbigen Spuren – für Radfahrer sicherer gemacht werden könnten. Doch nicht mal eine Reaktion hätten sie bekommen, ärgert sich Lehmkühler.

Senatsverkehrsverwaltung kann Kritik nicht nachvollziehen

Die Senatsverkehrsverwaltung bedauerte den Rückzug der Radfahrerverbände von den Gesprächen, wies jedoch die Vorwürfe zurück. Man habe „in den vergangenen Monaten viele Anregungen der Radinitiativen aufgenommen und etliche Dinge in ihrem Sinne vorangebracht, sei es bei der Beteiligung an den Ausführungsvorschriften für Geh- und Radwege, sei es bei der Aufnahme von Impulsen zum Design sicherer Kreuzungen“, teilte der Sprecher Jan Thomsen mit.

Verhaltener äußerte sich auch der BUND Berlin, ebenfalls an den Gesprächen beteiligt. Die Kritik sei grundsätzlich berechtigt, da Prozesse nicht so angegangen würden, wie man es gern hätte, sagte Landesgeschäftsführer Tilmann Heuser. Zu wenig Mitsprachemöglichkeiten sehe er jedoch nicht. „Was die Beteiligung betrifft, gehen wir weit über das hinaus, was im Mobilitätsgesetz steht.“

Streit zwischen Radfahrerin und Senatsverwaltung belastet die Grünen

Längst belasten die Querelen zwischen Verkehrsaktivisten und der grün geführten Senatsverwaltung auch das Verhältnis der Grünen zu ihrer radfahrenden Wählerklientel. „Das Beteiligungsversprechen der Grünen löst sich gerade in heiße Luft auf”, sagte Lehmkühler. Der Verhandlungsabbruch sei „eine mittlere Katastrophe“ erklären Grüne hinter vorgehaltener Hand.

„Das ist eine Entwicklung, die wir nicht hinnehmen können“, sagte Matthias Dittmer, Sprecher der Landesarbeitsgemeinschaft Mobilität der Grünen. Der Schaden müsse schleunigst behoben werden. Ein Teil der grünen Stammwählerschaft „könnte sonst verloren gehen“. Das Tischtuch zwischen den Verhandlungspartnern scheint trotz des Eklats zumindest nicht vollständig zerschnitten. Ob Senat oder Radaktivisten, alle geben sich weiterhin gesprächsbereit.