„Share Deals“

Warum Berlin beim Verkauf von Wohnungen häufig leer ausgeht

| Lesedauer: 5 Minuten
Isabell Jürgens
Begehrt bei Immobilienunternehmen: Wohnungen in Berlin - besonders, wenn bei ihrer Übernahme keine Grunderwerbsteuer anfällt.

Begehrt bei Immobilienunternehmen: Wohnungen in Berlin - besonders, wenn bei ihrer Übernahme keine Grunderwerbsteuer anfällt.

Foto: Foto: Paul Zinken / dpa

Durch Steuerschlupflöcher entgehen Berlin jährlich 100 Millionen Euro Grunderwerbsteuer. Das ließe sich verhindern.

Berlin. Sechs Prozent Grunderwerbsteuer muss jeder zahlen, der in Berlin eine Wohnung oder ein Haus kauft. Beim Kauf einer Eigentumswohnung zum Preis von 300.000 Euro fließen also 18.000 Euro in die Landeskasse. Ärgerlich nur: Wirklich zahlen müssen meist nur die privaten Erwerber.

Unternehmen, die dagegen gleich mehrere hundert Wohnungen kaufen, umgehen diese Steuer mittels sogenannter Share Deals. Bei dem Modell werden keine Immobilien, sondern Anteile an der grundstücksbesitzenden Gesellschaft übertragen. Unterhalb einer Grenze von 95 Prozent fällt dann regelmäßig keine Grunderwerbsteuer an, denn das Eigentum am Grundstück verbleibt bei der Gesellschaft.

Allein in Berlin sind in den vergangenen drei Jahren ein gutes Dutzend Share Deals abgewickelt worden, bei denen jeweils mehr als 800 Wohnungen gehandelt wurden. Das geht aus einer Antwort der parlamentarischen Staatssekretärin Christine Lamprecht (SPD) auf eine parlamentarischen Anfrage der grünen Bundestagsabgeordneten Lisa Paus hervor. Der jährliche Schaden für die Landeskasse beläuft sich nach Schätzungen von Berlins Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) auf rund 100 Millionen Euro – jedes Jahr.

Eine Transaktion – 36 Millionen Euro Steuern gespart

Eindringliches Beispiel ist etwa die Transaktion von insgesamt 16.100 Wohnungen – rund 8000 davon in Berlin – im Jahr 2016, bei der 95 Prozent der der Unternehmensanteile von der BGP Investment an den chinesischen Staatsfonds CIC gingen. Nach Brancheninformationen soll der Deal 1,2 Milliarden Euro schwer gewesen sein. Wäre dafür eine Grunderwerbsteuer fällig geworden, hätte Berlins Finanzsenator sich über rund 36 Millionen Euro Einnahmen für die Landeskasse freuen können.

2017 erwarb die Deutsche Wohnen AG ebenfalls per Share Deal 3700 Wohnungen in Berlin von einem nicht genannten Verkäufer – ebenfalls ohne Grunderwerbsteuer zu zahlen. Und im vergangenen Jahr kaufte Deutschlands größter Wohnungskonzern Vonovia von Anlegern an der Börse 24.700 Wohnungen in Berlin, Schleswig-Holstein, Hessen, Niedersachsen und Brandenburg. Und natürlich wurden auch hier keine Grunderwerbsteuern gezahlt.

Eine Frage der Gerechtigkeit

Insgesamt wurden in den zehn Jahren von 2007 bis 2017 bei Transaktionen mit mehr als 800 Wohnungen insgesamt 1,8 Millionen Wohnungen bundesweit und davon in Berlin 417.000 Wohnungen gehandelt. Das geht aus der Antwort der Staatssekretärin weiter hervor. Bei etwa 33 Prozent dieser Übertragungen wurden weniger als 95 Prozent der Anteile erworben, so dass keine Grunderwerbsteuer fällig wurde, schätzt Paus.

„Die Zahlen belegen, dass Share Deals weiter beliebt sind bei großen Börsenunternehmen und internationalen Investoren“, sagt Lisa Paus. „Es kann nicht sein, dass einige wenige große Investoren Steuerschlupflöcher nutzen, während Otto Normal brav seine Steuern zahlt“, so die Grüne. Es müssten gleiche Regeln für alle gelten. Das sei auch eine Frage der Gerechtigkeit. Dazu komme, dass Wohnraum so noch weiter zu einem leicht handelbaren Finanzprodukt werde. „Share Deals sind eine Art Brandbeschleuniger für den spekulativen Handel“, so Paus. Auch das Vorkaufsrecht der Kommunen könne so ausgehebelt werden. Nach Jahren intensiver Diskussion sei eine Reform überfällig.

Grüne fordern Nachbesserungen

Die Finanzminister der Länder haben sich Ende 2018 zwar auf Vorschläge geeinigt, mit denen die Hürden für Share-Deals bei Immobilienverkäufen erhöht werden. So soll die Anteilsgrenze auf knapp 90 Prozent gesenkt werden. Zudem soll die Frist zum Erwerb der restlichen Anteile von fünf auf zehn Jahre gestreckt werden, um das Modell unattraktiver zu machen.

Lisa Paus hält das für nicht ausreichend und plädiert für eine umfassendere Reform.

Wie diese Reform aussehen könne, hat Paus von dem renommierten Steuerrechtler Professor Ulrich Hufeld von der Universität der Bundeswehr Hamburg untersuchen lassen. Ein Mann, der nicht bekannt sei für grüne Gefälligkeitsgutachten, wie Paus bei der Vorstellung des Gutachtens am Montag in Berlin betonte. Demnach sei auch eine sogenannte „quotale Besteuerung“ möglich. Diese würde bedeuten, dass ab einem Verkauf von mehr als 50 Prozent der Anteile eine gestaffelt anteilige Grunderwerbsteuer anfiele. „Konkret bedeutet dass, dass ab einem Anteilserwerb von 50 Prozent zwei Grundstücksanteile, ab 75 Prozent drei Grundstücksanteile versteuert werden“, erläutert Hufeld. Bei Vollerwerb eines Unternehmens würden dann vier Grundstücksanteile – also 100 Prozent – besteuert. Dies sei verfassungsrechtlich weitestgehend unbedenklich, so das Ergebnis des Gutachtens.

Verfassungsrechtlich Spielraum gegen Share Deals

„Das quotale Modell würde einen echten Systemwechsel gleichkommen“, so Paus. Die Verwendung von Share Deals zur Umgehung der Grunderwerbsteuer würde damit zukünftig unattraktiv. Die Ergebnisse des Gutachtens legen nahe, dass die Regierung durchaus einen größeren verfassungsrechtlichen Gestaltungsspielraum hat, um effektiver als bisher gegen Schlupflöcher bei Share Deals vorzugehen.

Am kommenden Donnerstag beraten die Finanzminister der Länder erneut zum Thema. „Der Missbrauch durch Share Deals muss ein für alle Mal beendet werden. Eine Pseudo-Lösung, die wiederum neue Schlupflöcher schaffen, wäre eine Enttäuschung“, so die Politikerin.