Berufsberatung der anderen Art: Wie Schüler Lust bekommen, sich auf eine schnell verändernde Welt einzustellen.

Zur Teamsitzung an diesem Vormittag kommt Aileen Moeck direkt vom Gründerfrühstück mit Michael Müller. Welche Ansätze es gäbe, um Berlin als Gründermetropole zu stärken, wollte der Regierende Bürgermeister von den Jungunternehmern wissen. Aileen Moecks Ratschlag für den SPD-Politiker: Schon bei den Jugendlichen müsse man ansetzen – indem man die Lehrer befähige, den Schülern Lust zu machen auf eine sich schnell verändernde Welt und die damit zusammenhängenden Chancen für ihre Zukunft.

Ganz uneigennützig war der Vorschlag der 28-Jährigen nicht. „Zukunftsbauer“ heißt das Dienstleistungsangebot für die schulische Studien- und Berufsberatung, das Moeck und ihr ehemaliger Kommilitone Jens Konrad gegründet haben – und mit dem sie Schüler zu „Entrepreneuren ihrer eigenen Zukunft“ machen wollen. Und da die beiden studierte Zukunftsforscher sind, geht es auch bei ihrer Berufsberatung um Visionen: Marskolonisatoren, Laboranten für künstliche Organe oder Sauerstoffproduzenten, so sahen die beruflichen Perspektiven aus, die Berliner Schüler in einem Projekt der jungen Firma für sich entwarfen.

Problemlöser für eine gute Welt von morgen

Dabei wollen Moeck und Konrad keineswegs Science Fiction spielen. „Uns geht es um Mut zur Veränderung, zu lebenslangem Lernen, und um Vertrauen in die eigenen Möglichkeiten, die Welt zu gestalten“, sagt Moeck. Nachhaltigkeit und die Veränderungen von Klima, Umwelt und Ressourcen spielen bei ihren Projekten eine große Rolle. Zugleich gelte es aber auch, einer verbreiteten Technologieskepsis entgegenzuwirken: „Man kann sich ein positives Bild der Zukunft machen und seinen Weg heute so gestalten, dass dieses Bild morgen Realität wird“, glaubt
Moeck. Wer heute über den künftigen Arbeitsalltag nachdenke, könne sich nicht vom aktuellen Arbeitsmarkt abhängig machen. Moeck: „Wenn es ,meinen‘ Beruf noch nicht gibt, dann entwickle ich ihn.“

Ein halbes Jahr arbeiteten Konrad, Moeck und ihr Team, zu dem auch die Lehrerin Marie Czilwik gehört, mit einer 9. Klasse an der Katholischen Schule Sankt Franziskus in Schöneberg. Im Rahmen einer „Zukunftsreise“ versuchten sich die Schüler, aufbauend auf heutigen Trends, Technologien und Zukunftsbildern, als „Problemlöser“ und entwarfen ihre jeweils eigene Vision einer guten Welt – und ihres Wunschberufs darin. So arbeitet der „Sauerstoffproduzent“ etwa in einem Labor auf dem Mars. Er beaufsichtigt die Gewinnung von Sauerstoff aus Algen und anderem Pflanzenmaterial. Die Architektin der Zukunft entwirft, weil auf der Erde kein Platz mehr ist, Häuser für Mars oder Saturn und schickt ihre Baupläne zur Genehmigung dorthin. Andere Schüler haben mit der „Internationalen Organisation zur Kolonisation des Mars“ die Branche in Raumschiffdesigner, Nahrungsmittellieferanten, Baumeister und andere differenziert. Der Stromwächter stellt sicher, dass der Strom, der in seiner Zukunftsvision vom Mond geschickt wird, ohne Verlust auf Erden ankommt und verteilt wird. Und eine Organlaboratorin produziert menschliche Organe, etwa für ein Leben auf anderen Planeten.

Eines der nächsten Ziele ist die Lehrerfortbildung

„Wir haben deutlich gemerkt, dass technische Berufe stark zunehmen werden“, lautet das anschließende Resümee von Martin. Sein Klassenkamerad Jakob weiß zwar noch immer nicht, was er einmal werden will. „Dafür habe ich erfahren, welche Berufe eine Zukunft haben und dass sich Berufe je nach Zeitalter und Technologie verändern.“ Klassenlehrerin Roswitha Rösch sieht es als Vorzug der Aktion, dass die Schüler ihre Wünsche und Ziele nicht in die schon vorhandenen Berufe einordnen mussten. „Insgesamt hat das Projekt den Schülern einige Anregungen vermittelt“, ist sie überzeugt. Dass deren Ideen nicht alle nur Fiktion sind, erfuhren Aileen Moeck und ihr Team, als sie ihr Konzept bei einer Thyssen-Krupp-Veranstaltung vorstellten. Die Firmenvertreter horchten auf, als die Rede auf den Sauerstoffproduzenten kam. „Es stellte sich heraus, dass diese Vision Thyssen Krupp nicht fremd ist“, erinnert sich Moeck. „Die Kids haben also gar nicht so verrückt gedacht. Manches fiktive Berufsbild steckt voller Innovationschancen.“

Stehen bleiben wollen die Gründer bei ihrem aktuellen Portfolio nicht. Viele Ideen sind noch in der Pipeline. Ihre Erfahrungen in den Klassen hätten aber auch gezeigt, dass es ohne die Lehrer nicht geht. Moecks Vorstoß beim Gründerfrühstück mit dem Regierenden Bürgermeister Michael Müller war insofern kein Blindflug: Der Einstieg in die Lehrerfortbildung für visionäre Berufsberatung steht ebenfalls auf der Vorhabenliste der Zukunftsbauer. Zuallererst aber muss die Finanzierung des jungen Unternehmens gesichert werden. Das Gründerstipendium, das Profund, der Inkubator der Freien Universität, gewährt, seit die Zukunftsbauer im Hochschulwettbewerb des Wissenschaftsjahres 2018 „Arbeitswelten der Zukunft“ durch das Bundesbildungsministerium ausgezeichnet wurden, läuft erst einmal aus.