Berlin. Immer häufiger bringen Menschen Waffen ins Gericht. Nach dem Waffengesetz verbotene Gegenstände landen bei der Polizei.

Gefahr für die Sicherheit: Bei Einlasskontrollen an Berliner Gerichten sind im vergangenen Jahr mehr als 22.000 Waffen und gefährliche Gegenstände sichergestellt worden. Gegenüber 2017 war das ein deutlicher Anstieg, an einigen Gerichtsstandorten und bei einzelnen Waffenarten haben sich die Zahlen sogar verdoppelt. Etwa 100 der entdeckten Waffen wurden als verbotene Gegenstände nach dem Waffengesetz sichergestellt und der Polizei übergeben. Das geht aus der Antwort der Senatsjustizverwaltung auf eine Kleine Anfrage des CDU-Abgeordneten Sven Rissmann hervor, die der Berliner Morgenpost vorliegt.

Die mit Abstand meisten Waffen und gefährlichen Gegenstände wurden 2018 wie schon in den Jahren zuvor am Justizstandort Moabit entdeckt. In dem Gebäudekomplex an der Turmstraße werden vor dem Land- sowie dem Amtsgericht sämtliche in Berlin anhängigen Strafsachen verhandelt. Wie die Justizverwaltung in ihrer Antwort mitteilte, wurden dort in der Vergangenheit jährlich etwa 7500 Waffen und Gegenstände nach Einlasskontrollen einbehalten, diese aber aufgrund der erheblichen Menge bis 2017 nicht statistisch erfasst. Seit 2018 hat sich das geändert. Unter dem Strich stehen für das vergangene Jahr: 2026 Hieb und Stichwaffen, 144 „andere beziehungsweise sonstige Waffen“ und 6967 gefährliche Gegenstände.

waffenfunde bei einlasskontrollen an berliner gerichten.png

Probleme gibt es sogar an den Amtsgerichten in Berlin

„Wir können von Glück reden, dass bei diesem Ausmaß an Waffenfunden bisher niemand ernsthaft verletzt wurde“, sagte Rissmann der Berliner Morgenpost am Donnerstag. Es sei bedauerlich, dass immer noch nicht alle Eingangskontrollen in Gerichten verstärkt und ausgeweitet würden, wie er das schon 2017 gefordert habe, sagte der CDU-Rechtsexperte weiter.

22.000 Waffenfunde, das heißt, dass umgerechnet an jedem Wochentag etwa 90 Waffen und gefährliche Gegenstände nach Einlasskontrollen einbehalten werden. Und das nicht nur in Moabit, wo täglich Kapitelverbrechen und Delikte aus dem Bereich der Rocker- oder Clankriminalität verhandelt werden. Auch an vielen anderen Amtsgerichten, an denen eher weniger spektakuläre Zivil- und Familiensachen verhandelt werden, ist es für viele Besucher scheinbar ganz normal, derartige Gegenstände mitzuführen.

An der Spitze liegt dabei durchaus überraschend das Amtsgericht Pankow/Weißensee, wo 2018 knapp 3500 Waffen und gefährliche Gegenstände entdeckt wurden. Begründet wird das seitens der Berliner Senatsjustizverwaltung damit, dass an diesem Gericht die Kontrollpraxis besonders „restriktiv gehandhabt wird“. Überdurchschnittlich hoch ist die Zahl auch am Amtsgericht Neukölln mit etwa 2300 Sicherstellungen. Dort hat sich allein die Zahl der entdeckten Messer von 388 im Jahr 2017 auf 766 im vergangenen Jahr nahezu verdoppelt. Dazu wurden 1192 „sonstige gefährliche Gegenstände“ registriert, 2017 waren es lediglich 104.

Für die CDU-Fraktion im Abgeordnetenhaus stellt die Menge der Waffen und gefährlichen Gegenstände sowie die Bereitschaft vieler Menschen, diese Dinge mit ins Gericht zu nehmen, auch eine Gefahr für die mit den Kontrollen befassten Justizwachtmeister dar. „Wir werden weiter Druck machen, dass die Justizwachtmeister mit ordentlicher Sicherheitskleidung ausgestattet und damit geschützt werden“, kündigte Rissmann an.

Seitens der Senatsjustizverwaltung hieß es dazu am Donnerstag, der Schutz der Bediensteten sei eine dauerhafte Aufgabe, der der Senat „durch vielfältige Maßnahmen“ nachkomme. Verwiesen wurde auf das von der Justizverwaltung erarbeitete Sicherheitsrahmenkonzept, das nun von den einzelnen Gerichten in eigener Verantwortung und nach Bedarf umgesetzt werde. Das werde allerdings – abhängig von der jeweiligen Situation an den einzelnen Gerichten – unterschiedlich lange dauern.

Ob Messer, Schlagring, Stahlroute, Elektroschocker oder Pfefferspray, viele Berliner finden es mittlerweile offenbar völlig normal, solche Waffen und gefährlichen Gegenstände auch mit ins Gericht zu nehmen. Die statistische Erfassung spricht dazu eine deutliche Sprache, mehr als 22.000 verbotene Gegenstände wurden 2018 bei Einlasskontrollen aus dem Verkehr gezogen. In etwa 100 Fällen handelte es sich dabei um verbotene Gegenstände nach dem Waffengesetz. Die sahen ihre Besitzer anschließend nicht wieder, stattdessen landeten sie bei der Polizei.

Scharfe Schusswaffen wurden 2018 nicht gefunden

Andere Gegenstände wie Taschenmesser oder Werkzeuge mussten am Eingang abgegeben und konnten beim Verlassen des Gerichtsgebäudes wieder abgeholt werden. Die Zahl der Waffen und Gegenstände, die unter das Waffengesetz fallen, schwankte dabei zwischen den einzelnen Gerichten. Im Amtsgericht Köpenick gab es im vergangenen Jahr fünf Fälle, in Wedding nur zwei und am Kammergericht lediglich einen Fall. 33 verbotene Waffen wurden dagegen am Amtsgericht Tiergarten dauerhaft eingezogen, im Amtsgericht Neukölln waren es gar 43 sogenannte Butterfly- oder Springmesser.

Vom Amtsgericht Spandau gab es keine statistische Auflistung, stattdessen hieß es, man verständige monatlich ein- bis zweimal die Polizei wegen unter das Waffengesetz fallender Gegenstände. Beim Oberverwaltungsgericht, beim Sozialgericht und am Amtsgericht Schöneberg werden keine Statistiken geführt. Einzig positiver Aspekt in der Antwort der Senatsjustizverwaltung auf eine Anfrage der CDU zu Waffenfunden in Gerichten: Scharfe Schusswaffen wurden 2018 nicht entdeckt, lediglich in zwei Fällen Attrappen, sogenannte Anscheinswaffen.

Die hohe Gesamtzahl erhebt dabei noch nicht einmal den Anspruch auf Vollständigkeit. Sowohl am Kammergericht wie auch am Landgericht für Zivilsachen und am Amtsgericht Mitte hieß es, bei Einlasskontrollen entdeckte Gegenstände würden wegen der Häufigkeit der Fälle nicht statistisch erfasst. Auch die Zuordnung der Gegenstände erfolgt bei den einzelnen Gerichten unterschiedlich. In den meisten Fällen werden Messer gesondert erfasst, in einigen Gerichten fallen sie dagegen unter den Oberbegriff Hieb- und Stichwaffen. Ähnlich ist es bei mitgeführten Werkzeugen, die eine Gefahr darstellen könnten, wie etwa Schraubendreher. Sie werden von Standort zu Standort unterschiedlich sowohl als Werkzeuge, als Stichwaffen oder als gefährliche Gegenstände geführt.

Auch Vergleiche mit den Vorjahren lassen sich nicht in allen Fällen penibel darstellen. Im vergangenen Jahr hat sich die Senatsjustizverwaltung des Themas angenommen. Es wurden mehrere Maßnahmen angeschoben, für die die Verwaltung auch finanzielle Mittel bereitstellte. Bis dahin gab es bei vielen Gerichten lediglich Stichprobenkontrollen, erst seit 2018 wird an allen Standorten penibel kontrolliert, selbst Nagelfeilen und winzige Behältnisse aus Glas werden aussortiert

Polizei leitet von Amts wegen Ermittlungen ein

Strafanzeigen wurden bei der Einziehung von unter das Waffenrecht fallenden Gegenständen nur in Einzelfällen erstattet. Dies sei auch nicht nötig, teilte die Senatsjustizverwaltung dazu mit. Eine Strafverfolgung sei auch ohne Anzeigenerstattung dadurch sichergestellt, dass die Gegenstände der Polizei übergeben wurden und diese von Amts wegen zur Einleitung von Ermittlungen verpflichtet sei.

Nicht erfasst wurden in der Statistik Kontrollen für die Berichterstatter der Medien. Die werden nur bei Prozessen mit besonderen Sicherheitsverfügungen (Rockerkriminalität, Terrorprozesse) durchgeführt, da müssen auch die Journalisten durch eine spezielle Einlasskontrolle. Und dort gelten selbst Kugelschreiber als gefährliche Gegenstände, jeder darf nur einen mit in den Verhandlungssaal nehmen.

Mehr zum Thema:

Wer in Berlin lebt, muss keine Waffen tragen