Gleichberechtigung

Das bedeutet die Frauenquote im Landtag

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Julius Betschka
So geht Parität: Gesundheitsministerin Karawnskij (Linke) und Innenminister Schröter (SPD).

So geht Parität: Gesundheitsministerin Karawnskij (Linke) und Innenminister Schröter (SPD).

Foto: dpa Picture-Alliance / Bernd Settnik / picture alliance/dpa

In Brandenburg sollen künftig gleich viele Frauen und Männer im Landtag sitzen. Berlin will schnellstmöglich nachziehen.

Potsdam/Berlin.  Der Brandenburger Landtag hat am Donnerstag Geschichte geschrieben. Das Parlament beschloss, per Gesetz zu regeln, dass die Parteien genauso viele Frauen wie Männer für Wahlen aufstellen müssen. Dafür stimmten die Regierungskoalition aus SPD und Linken sowie die Grünen, dagegen votierten CDU und AfD.

Brandenburg ist das erste Bundesland mit einer solchen Regelung. Die Entscheidung könnte wegweisend für andere Länder sein: So plant auch die rot-rot-grüne Koalition in Berlin eine entsprechende Regelung. Allerdings ist umstritten, ob die Gleichberechtigung per Gesetz vor Gerichten Bestand hat. Fragen und Antworten zum sogenannten Parité-Gesetz:


Was genau wurde beschlossen?

Nach dem am Donnerstag beschlossenen Gesetz sollen ab 2020 Frauen und Männer abwechselnd auf den Wahllisten der Parteien aufgeführt werden. So soll der Frauenanteil im Parlament erhöht werden. „Frauen sind auch 2019 noch deutlich weniger in Parlamenten vertreten als Männer – 100 Jahre nach Einführung des Frauenwahlrechts wollen wir das ändern“, sagte die SPD-Innenpolitikerin Klara Geywitz der Berliner Morgenpost. Das Parité-Gesetz gilt allerdings nur für das Landesparlament. Die Kreistage und Gemeinden werden von der Neuregelung nicht berührt. „Wir wollen als Landesparlament erstmal vorangehen“, so Geywitz. Da in den Kommunen oft Einzelpersonen antreten, habe es auch juristische Bedenken gegeben. Außerdem sind Direktmandate vom Parité-Gesetz ausgenommen – dagegen hatte es verfassungsrechtliche Bedenken gegeben.

Gibt es Sanktionsmöglichkeiten?

Ja, wenn Parteien ihre Listen nicht paritätisch aufstellen, werden diese vom Landeswahlleiter nicht für die Wahl zugelassen.

Wie viele Frauen sitzen in den Parlamenten?

Im Brandenburger Landtag sind 36 Prozent der 88 Abgeordneten Frauen, das sind weniger als in der vorigen Legislaturperiode. Im Berliner Abgeordnetenhaus beträgt der Frauenanteil etwa 33 Prozent. Im Bundestag ist der Anteil auf weniger als 31 Prozent gesunken – die niedrigste Marke seit 20 Jahren. Das hängt vor allem mit dem niedrigen Frauenanteil bei AfD und FDP zusammen. Aber auch in der Unionsfraktion sitzen weniger Frauen.

Wird das Gesetz für Parität im Parlament sorgen?

Vermutlich nicht. Da die Direktkandidaten von der Regelung ausgenommen werden, ist komplette Parität unwahrscheinlich. Geywitz: „Auch wenn wir erstmal 45 zu 55 Prozent haben, ist das ein Erfolg.“ Die SPD-Politikerin glaubt, dass das Gesetz Anreiz ist, für Direktmandate mehr Frauen aufzustellen.

Welche Kritik gibt es am Gesetz?

CDU und AfD halten das Gesetz für verfassungswidrig. Es greife unzulässig ins Wahlrecht ein. Der CDU-Innenpolitiker Björn Lakenmacher sagte am Donnerstag, seine Fraktion teile den Wunsch nach Parität und Chancengleichheit. Allerdings beschließe man mit hoher Wahrscheinlichkeit ein verfassungswidriges Gesetz. Ein Gutachten, das der Parlamentarische Beratungsdienst des Brandenburger Landtages im Auftrag der AfD erstellt hatte, stufte das Gesetz als unvereinbar mit dem Grundgesetz ein. SPD, Grüne und Linke argumentieren, Gleichstellung sei ein verfassungsrechtliches Gebot.

Ist das Gesetz verfassungskonform?

Darüber werden Gerichte entscheiden müssen. Die Piraten und die Jungen Liberalen kündigten Beschwerden gegen das Gesetz beim Brandenburger Verfassungsgericht an. Sie sehen einen Verstoß gegen Artikel 12 der Landesverfassung zur Gleichheit und einen massiven Eingriff in das Prinzip der Organisationsfreiheit der Parteien. Neben dem Parlamentarischen Dienst des Landtags kam auch der Wissenschaftliche Dienst des Berliner Abgeordnetenhauses zu dem Schluss: Eine Frauenquote in den Parlamenten verstieße – laut vieler Juristen – gegen die Verfassung.

Ist die Landtagswahl im Herbst 2019 gefährdet?

Nein, um die Landtagswahl in Brandenburg am 1. September dieses Jahres nicht zu gefährden, tritt das neue Gesetz erst im Sommer 2020 in Kraft. Der nächste reguläre Urnengang findet dann im Jahr 2024 statt. Brandenburg betrete mit dem Gesetz „Neuland“, betonte Innenminister Karl-Heinz Schröter (SPD) am Donnerstag im Potsdamer Landtag. „Ein solches Pioniervorhaben ist nie ohne Risiko.“ Die Gerichte haben nun ein paar Jahre Zeit zu entscheiden.

Was ist in Berlin geplant?

Auch Berlin plant ein Parité-Gesetz, darin ist sich die rot-rot-grüne Koalition einig. Allerdings gehen die Meinungen auseinander, wie das gehen soll. Bereits in der Plenarsitzung am 7. März – einen Tag vor dem Internationalen Frauentag – könnte ein erster Gesetzentwurf stehen. Anja Kofbinger, Sprecherin der Grünen für Gleichstellungspolitik, erklärte, dass man trotz verfassungsrechtlicher Schwierigkeiten ein Gesetz erarbeiten wolle. „Ja, das wird schwierig, aber wir wollen das trotzdem“, sagte sie der Morgenpost. Sie nannte Frankreich als Beispiel: Dort gibt es ein Parité-Gesetz bereits seit 2001. Parteien, die sich nicht daran halten, müssen Strafen zahlen.

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