Segelreise

Ein Berliner ist vom Segel-Virus befallen

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Oliver Klempert
Der Berliner  Welt­umsegler Horst Scholz  umrundete den Globus zweimal.

Der Berliner Welt­umsegler Horst Scholz umrundete den Globus zweimal.

Foto: Privat

Der Berliner Horst Scholz ist mehrfach um die Welt gesegelt. Er hat alles erlebt, was man auf eigenem Kiel erleben kann.

Potsdam. Die Diebe kamen in der Nacht, der Einbruch dauerte nur Minuten. Die Segelreise aber stand am folgenden Morgen kurz vor dem Abbruch. Schließlich war das Herzstück des Törns gestohlen worden – ein Laptop. Darauf gespeichert: sämtliche Karten, die für die Navigation auf hoher See nötig werden würden. Ohne sie aber wäre keine gelungene Überquerung des Atlantiks möglich. Nachdem der erste Schock überwunden war, fasste sich Horst Scholz jedoch ein Herz und sagte: „Wir schaffen es auch so. Immer nach Westen. Dann kommt schon irgendwann Amerika.“ Also stach er mit seine Frau Petra auf den Kapverdischen Inseln, wo sein Schiff, die „Humboldt“, zu diesem Zeitpunkt gelegen hatte, in See.

Und tatsächlich: Es ging auch so. Allein mithilfe des GPS-Gerätes an Bord erreichte der damals 64-Jährige im Jahr 2014 mit seinem französischen Schiff vom Typ Gibsea 33, einem zehn Meter langen Kielboot, nach zwölf Tagen Brasilien. Von seinen Reisen hat er nun im Potsdamer Yacht Club berichtet.

Scholz, gebürtiger Sachse, aber seit fast 50 Jahren Wahl-Berliner, hat fast zweimal die Welt allein umsegelt. Ein drittes Mal segelte er mit seiner Frau vom Scharmützelsee, östlich von Berlin gelegen, über den Mittellandkanal, Rhein und Mosel bis nach Südamerika und zurück. Vier Jahre dauerte seine letzte große Reise, auf der der Diebstahl geschah und die erst in diesem Jahr endete. „Da ich zu diesem Zeitpunkt aber bereits viel Erfahrung im Kielwasser hatte, traute ich mir den Trip über den Atlantik auch ohne die entsprechenden Seekarten zu. Sonst wäre unsere Reise an dieser Stelle wohl zu Ende gewesen“, sagt Scholz.

Drei solch große Segelreisen – das ist ungewöhnlich, selbst in der Hochsee-Segelszene. Zwei der Reisen führten über jeweils rund 25.000 Seemeilen, eine über 21.000 Seemeilen rund um die Welt. Hunderte Häfen und verschiedene Seegebiete auf dem gesamten Globus hat der ehemalige Außenhandelskaufmann, der im Alter von 58 Jahren aus seinem Beruf ausstieg, insgesamt angelaufen. Darunter waren zum Beispiel Häfen im Mittelmeer, die Städtchen an der westlichen spanischen Küste oder der Intracoastal Waterway in den Vereinigten Staaten. Dies ist eine rund 5000 Kilometer lange Küstenwasserstraße, die sich entlang der Atlantik- und der Golfküste zieht. Stürmische See und malerische Sonnenuntergänge, Einsamkeit, aber auch ein Mastbruch auf hoher See – alles und mehr hat Scholz mittlerweile erlebt.

Scholz macht älteren Sportlern Mut für eine Weltumseglung

„Wenn man solo unterwegs ist, so spricht man irgendwann mit den Fischen und den Sternen“, sagt Scholz. „Zu zweit ist es schöner, weil man seine Erlebnisse dann teilen kann, auch wenn man stets auf einen anderen Menschen auf dem beengten Raum eines Segelbootes Rücksicht nehmen muss.“ Andererseits nehme man Kontakt mit den Einheimischen auf, wenn man solo unterwegs sei. Scholz hat beide Facetten des Hochseesegelns kennengelernt und sagt: „Man sollte sich so ein Abenteuer durchaus zutrauen, selbst wenn man schon etwas älter ist.“ Mit elektrischer Selbststeueranlage fahre ein Segelboot bei gutem Wetter schließlich fast von allein. Und: Nach der Anfangsinvestition in das Boot brauche es unterwegs schließlich kaum noch etwas – zumindest nicht so viel, wie man zunächst denken könnte. „Überall findet man auf der Welt Menschen, die einem auch mal unentgeltlich weiterhelfen. Gerade unter Seglern, die auf Welttörn sind, ist die Hilfsbereitschaft groß.“ Das Stützpunkt-Netzwerk von Trans-Ocean, das sich über den gesamten Globus spannt, unterstützt dabei wie ein Sicherheitsnetz. Die Segler, die hier Mitglied sind, helfen sich dann gegenseitig.

Dabei ist Scholz mit seinen ausgiebigen Segelreisen beileibe nicht allein. Immer wieder unternehmen Segler eine unter Umständen jahrelange Auszeit – etwa bei der sogenannten World ARC, bei der Segler unter einer Führung von Land um die Erde reisen. Einerseits wird ihnen dann beim Einklarieren in fremde Länder oder bei Reparaturen geholfen, andererseits haben sie genügend Zeit, die Welt auch abseits der vorgeschlagenen Route zu erkunden. Immer wieder machen deutsche Fahrtensegler mit großen Reisen auf sich aufmerksam, die jedes Jahr vom Deutschen Segler-Verband oder von Trans-Ocean prämiert werden. Ganz große Weltreisen unter Segeln, noch dazu mehrfach wie die von Horst Scholz, sind dann aber doch eher die Ausnahme – erst recht, wenn sie allein unternommen werden. Neben aller Vorbereitung, die natürlich wichtig ist, müsse man sich vor allem komplett auf ein Leben auf einem Schiff einlassen. „Alles kann man schließlich nicht vorausschauend planen.“

So trat er sich auf seiner letzten Reise vor dem Start auf den Kapverden etwa eine Glasscherbe ein. Es sah zunächst nicht sonderlich schlimm aus. Die Wunde wuchs sich später mitten auf dem Atlantik dann aber zu einem echten Problem aus – inklusive Blutvergiftung. „Mit einem Küchenmesser mussten wir die Wunde an Bord aufschneiden und reinigen.“

Mitten im Golf von Mexiko ging sein Schiff unter

Nicht vergessen wird er auch den Mastbruch auf seinem ersten Törn auf dem Weg von Mexiko nach Florida. Mit einem kleinen Notrigg, das Scholz zunächst aus Bordmitteln konstruiert hatte, wollte er sich bis nach New Orleans retten. Unterdessen nahm das Schiff dann plötzlich Wasser auf, Scholz musste über Funk um Hilfe rufen. Sein Schiff ging direkt vor seinen Augen im Golf von Mexiko unter, während er auf einem polnischen Frachter in Sicherheit war. Nie wird er das damalige Gefühl vergessen, als er dabei zusehen musste. Auf seinen Reisen besonders beeindruckt hat Scholz etwa die Lebensfreude der Südamerikaner. „Von denen können wir uns durchaus eine Scheibe abschneiden.“

Für seine Segelreisen ist Horst Scholz vor acht Jahren von der Hochsee-Segelvereinigung Trans-Ocean bereits ausgezeichnet worden – mit einer Trans-Ocean-Medaille für seine Weltumsegelung. „Ich bin vom Hochsee-Segel-Virus befallen“, sagt Scholz. Für die kommende Zeit könnte er sich etwa eine Reise rund um die britischen Inseln vorstellen. Aber auch eine weitere Weltreise auf eigenem Kiel sei durchaus noch mal drin. Denn: „Wen es einmal dort hinausgezogen hat, den zieht es immer wieder hinaus.“

Hilfe unterwegs:

Der Spätherbst ist die Jahreszeit, in der viele deutsche Segler mit ihren Welttörns beginnen. Meist segeln sie zuerst in die Karibik, um dort die Wintermonate zu verbringen. Durch den Panamakanal führt der Weg in der Regel dann in den Pazifischen Ozean.

Unterstützt werden weltweite Fahrtensegler bei der Vorbereitung etwa von der Kreuzerabteilung des Deutschen Segler-Verbandes unter www.kreuzer-abteilung.org. Unterwegs gibt es Hilfe von der Hochsee-Segelvereinigung Trans-Ocean unter www.trans-ocean.org.